Alljährlich legt die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PWC) seinen „Global entertainment and media outlook“ vor. In Zeiten, in denen das Konsumentenverhalten und die Nutzung von Medien und Werbung einem laufenden Wandel unterliegen, sind Prognosen wichtig für die Meinungsbildung der Marketingentscheider. Die aktuelle PWC-Studie will vorhersagen können, wie sich die TV-, Print- und Onlinewerbung bis 2019 entwickeln werden. Und obwohl Vorhersagen bekanntlich mit Vorsicht zu genießen sind (vor allem wenn sie die Zukunft betreffen), lohnt ein Blick darauf - und vor allem eine Bewertung.
Die größten Werbe-Holdings der Welt
Umsatz: 5,2 Milliarden Dollar
U.a.: Dentsu, Carat, McGarry Bowen
Quelle: WPP
Umsatz: 7,1 Milliarden Dollar
U.a.: McCann, Lowe, FCB
Umsatz: 9,2 Milliarden Dollar
U.a.: Saatchi & Saatchi, Leo Burnett, Vivaki, Bartle Bogle Hegarty
Umsatz: 14,6 Milliarden Dollar
U.a.: BBDO, DDB, TBWA
Umsatz: 17,3 Milliarden Dollar
U.a.: JWT, Ogilvy, Y&R, Grey
An allererste Stelle der globalen Trends setzt PWC das Thema Mobile. Zu recht, denn die Nutzung von Werbung auf mobilen Endgeräten übertrifft bereits das Desktop. „Der Siegeszug von Mobile“, schreibt Meedia dazu, „bedeute eine ähnliche digitale Disruption wie die des stationären Internets.“ Und da die Werbung den Zielgruppen auf ihrem Weg durch die Medienlandschaft gewöhnlich folgt („follow the eyeballs“), erleben wir derzeit eine entsprechend hohe Nachfrage für Mobile Werbung.
Wird Mobile zum Fiasko?
Doch der Traum könnte platzen. Haben sich bereits etwa ein Viertel der Online-User entschieden, Adblocker zu installieren, um so für die nervigen Banner und Layer Ads, die die aufgerufene Seite überlagern, unerreichbar zu werden, droht bei Mobile ein Werbe-Fiasko. Auf den Bildschirmen der Smartphones ist einfach kein Platz für Werbung. Und wenn doch etwas unser Interesse weckt: Wie viel unserer mobilen Zeit werden wir bereit sein für den Konsum von Werbung zu opfern?
Hierin liegt der entscheidende Unterschied zwischen Online und Mobile: Während Online-Werbung meist nur wenig unserer Zeit in Anspruch nimmt, kann Mobile nicht anders. Der vorhandene Platz erfordert unsere Entscheidung: Inhalt oder Werbung? Damit werden in der Zeit, die wir täglich mobil im Internet verbringen, vermutlich nur wenige, besonders attraktive Werbebotschaften zu uns durchdringen. Daher erhebt PWC die Monetarisierung des mobilen Digital-Konsums zur Gretchenfrage für die Medien- und Werbeindustrie.
TV macht (nicht?) schlapp
Das Fernsehpublikum wandert scheinbar ab: Vom stationären, vorgegebenen Programm hin zu YouTube, Mediatheken und Streaming-Angeboten wie Netflix, Maxdome und Amazon Prime. Im Interview mit dem Spiegel gab ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling zu: „…das Fernsehen hat…nicht mehr dieselbe Kraft wie noch vor zehn Jahren.“ Die PWC-Studie sagt jedoch voraus, dass die Reichweiten des herkömmlichen Fernsehens in Zukunft nur langsam weiter sinken.
Tatsächlich sind es überwiegend die jungen Zuschauer, die sich vom analogen Fernsehen abwenden. Der TV-Konsum der Älteren ist dagegen unverändert hoch. Wer als Werbungtreibender um jeden Preis die 14- bis 29-Jährigen erreichen muss, tut sich mit den Alternativen schwer. Andrea Malgara, Chef der Münchener Mediaplus, ist überzeugt, dass wir die Bedeutung von YouTube und Facebook als Abspielkanal für Bewegtbild-Werbung überschätzen. Er rechnet vor: „Wäre YouTube ein Fernsehsender, hätte er ungefähr die Größe von Sport 1.“
Print stirbt (doch?) nicht
Für die Printbranche hält PWC durchwachsene, aber durchaus auch positive Voraussagen bereit. Das Tempo der Auflagen- und Umsatzrückgänge beginne sich zu verlangsamen. Insbesondere den Publikums- und Fachmagazinen prophezeit die Studie sogar leicht wachsende Umsätze, wenngleich der Anteil der reinen Werbeerlöse bei Print weiter sinkt.
Tom Standage, Vize-Chef des Economist, glaubt nicht mehr, dass Werbung ein nachhaltiges Geschäftsmodell für Medien ist. Werbung sei als Hauptfinanzierungsmodell tot und “Ich denke nicht, dass das aktuelle Modell nachhaltig ist“, sagt er. Die einzig und weiterhin wachsende Haupterlösquelle des Economist seien die Abonnements.
Dennoch sehen die Unternehmensberater von PWC Licht am Ende des Print-Tunnels. Print als Werbemedium für Markenwerbung abzuschreiben, ist demnach falsch. Wer sich sicher fühlte, dass Print stirbt und es bereits aus seinen Mediaplänen herausstrich, sollte umdenken - und Print seinen gebührenden Platz zur Markenbildung und Ansprache der Markenkäufer zurückgeben.
Außenwerbung wird DOoH
Kein Medium profitiert stärker von der Digitalisierung als die Außenwerbung, so die PWC-Studie. In Metropolen wird der Anteil von Digital-Out-of-Home (DOoH) auf über 50 Prozent steigen. Diese Entwicklung ist nachvollziehbar, denn digitale Werbeflächen ermöglichen die Interaktion mit Smartphones, vor allem aber eine neuartige Ansprache der Endverbraucher an immer mehr digitalen Screens entlang ihrer „Customer Journey“. Grund genug also, dieses Medium für die eigenen Marketing-Maßnahmen näher zu begutachten - insbesondere zur Ansprache der jungen Zielgruppen, die dem Fernsehen den Rücken kehren.
Ebenso wird Radio von der Verbindung zum Web und als „Bordinfotainmentzentrale“ in unseren Autos profitieren. Webradio gibt immer mehr Verbrauchern mobilen Zugang zum Radio und könnte die Reichweite des Mediums positiv beeinflussen. Hier entstünde allerdings für die Radioanbieter auch eine immer größere Konkurrenz zu allen anderen Mobile-Angeboten.
Mehr Medien, mehr Experimente
Unterm Strich: Wer Fernsehwerbung betreibt, sollte seinen TV-Anteil weiterhin hoch halten. Verstärkte Investitionen in Online- und Mobile-Werbung sind nach wie vor angesagt, ihre Wirkung muss jedoch stets unter Beobachtung bleiben, damit sie nicht ins Leere läuft. Als attraktive Ergänzung hierzu empfiehlt sich Digital-Out-of-Home. Und wer Print vernachlässigt, begeht einen Fehler, der sich für die Markenbildung als folgenschwer erweisen könnte. Tatsächlich scheint die Zukunft erfolgreicher Kommunikation für viele Kampagnen in der Ausweitung des Media-Mix zu liegen.
Die PWC-Studie mahnt, wenn man zwischen den Zeilen liest, zu mehr Gelassenheit. Ganz so schnell ändern sich die Mediengewohnheiten der meisten Zielgruppen nicht. Aber die Erkenntnisse laden auch sehr deutlich zu mehr Medien-Experimenten ein.
Woher dieses Geld kommen kann, zeigt auf beispielhafte Weise Coca-Cola. Der Brausehersteller fordert seine Marketingchefs auf, zehn Prozent der Werbe-Spendings in Experimente zu investieren. Daraus entstand eine der weltweit spektakulärsten und erfolgreichsten Werbekampagnen der letzten Zeit: „Trink ‘ne Coke mit“. Manche Erfolgsgeheimnisse sind erstaunlich einfach nachzuahmen.