Werbesprech

Worauf es bei Online-Werbung ankommt

Die digitale Werbung kommt beim Publikum nicht gut an. Der Grund: Die Werber haben sich immer noch nicht auf Online eingestellt. Während sich die Funktion der Medien kaum ändert, erzeugt die Digitalisierung ungeahnte Möglichkeiten. Erfolgreiche Beispiele liefert dabei ein Medium, das selten im Fokus steht.

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Youtube Quelle: dpa

In der vergangenen Woche traf sich die globale Online-Zunft zum großen Stelldichein auf der Kölner Dmexco. Das digitale Business boomt wie nie zuvor. Die Messe brach alle Rekorde, sowohl bei der Zahl der Aussteller als auch bei den Besuchern: Mehr als 43.000 Digital-Menschen, ein Drittel mehr als im Vorjahr, strömten in die Ausstellungshallen und füllten die Diskussionspanels bis zum Anschlag. Experten aus aller Welt zeigten, auf welche digitalen Strategien Unternehmen für ihren Geschäftserfolg heute und in Zukunft setzen. Allen voran ging es um Geschäftsmodelle, Technologien und Ideen, die besonders für Marketing und Werbung eine große Relevanz besitzen.

Die Digitalisierung unserer Welt ruft immer mehr Investitionskapital und Start-ups auf den Plan. Das „Internet of Things“, also die Verbindung unseres Alltags, unserer Herzfrequenz, Heizungen und Kühlschränke mit dem Internet, Connected Cars und alles nur Erdenkliche mehr, wird ein Milliardengeschäft. Die heranreifende Technologie wird unser Leben grundlegend verändern. Dabei machen die anfallenden Daten den Verbraucher und sein Verhalten transparent wie nie.

Während daher auf der Dmexco die Laune ausgelassen und Partys bis in die frühen Morgenstunden gefeiert wurden, gibt es dennoch eine digitale Branche, die sich überraschend schwer tut: Ausgerechnet die Medien und mit ihnen die digitale Werbung. Die Zahl der Verbraucher, die mit Adblocker-Software Werbung auf den Medienseiten verhindern, raubt der Branche einerseits Umsätze, aber auch Entwicklungsmöglichkeiten. Die Werbeumsätze wachsen schon lange nicht mehr in den Himmel.

Die Brücke zum Verbraucher fehlt

Während das Motto der diesjährigen Dmexco „Bridging Worlds“ lautete - Brücken zu schlagen zwischen den aktuellen und künftigen Business-Welten - wird es offenbar noch wichtiger eine Brücke zu schlagen zwischen der Technologie, die gerade ansetzt uns zu überrollen und den Menschen, die die digitale Welt nutzen, aber auch werblich von ihr erreicht werden sollen.

Bei aller Begeisterung für neue Technologien und Liebe zur Disruption muss sich die Medien- und Werbe-Branche vergegenwärtigen, wie der Verbraucher die Medien nutzt und wie er für Werbung empfänglich bleibt. Ob der Fernsehzuschauer herkömmlich analog schaut oder sich sein Programm non-linear via Netflix oder Amazon Prime streamt, ist letztlich egal. Die Funktion des Fernsehens - meist Unterhaltung - bleibt unverändert, nur die Technologie verändert sich. Das gilt ebenso für das Radio als unser medialer Tagesbegleiter: Wie das Radiosignal den Hörer erreicht, ob als Welle oder digital, ist gleichgültig. Dank Webradio kann er jedoch die geliebte Bundesliga-Konferenz nun auch am Urlaubsort hören.

Bei der Nutzung von Zeitungen und Zeitschriften lesen wir Artikel. Ob auf Papier oder am Smartphone ist sowohl dem Artikel als auch dem Leser egal. Printmedien verschaffen uns ein informatives Frühstück oder eine entspannende Auszeit auf der Couch - gestern wie heute. Auch morgen wird die Ur-Funktion von Printerzeugnissen die gleiche bleiben.

Es ändern sich nicht die Medien, sondern die Übermittlungswege und Darreichungsformen. Allerdings haben die Werber bislang noch keinen geeigneten, geschweige denn neuen Weg gefunden, ihre Zielgruppen digital zu erreichen. Für jedes Medium haben sie in der Vergangenheit eigene Werbeformen und -Mittel erfunden. Für Außenwerbung Plakate, für Print Anzeigen, für Radio und Fernsehen audio-/visuelle Spots.

Online-Werbung nervt häufig nur

Für den Umgang mit Onlinewerbung greifen sie jedoch nach wie vor zu Anzeigen und Mini-Plakaten (Banner) oder spielen ihre TV-Spots (Bewegtbildwerbung) digital ab. Sie haben nichts weiter getan, als die altbekannten Werbemittel ins Internet zu stellen. Auf digitale Medien abgestimmte und eigens für sie entwickelte Werbemittel sind kaum erkennbar - wenn man von Pop-ups, penetranten Layers und nicht wegklickbaren Preroll Ads absieht, die die Menschen in Scharen zu Adblockern greifen lassen. Im Internet lockt die Werbung die Menschen nicht an, sondern vergrault und vertreibt sie.

Das ist insofern wichtig, als die Internetnutzung immer weiter zulasten anderer Medien steigt. Nach der aktuellen Langzeitstudie „Massenkommunikation 2015“ liegt die tägliche Nutzungsdauer des Internets mit nunmehr 107 Minuten auf dem dritten Platz, geschlagen nur von Fernsehen und Radio.

Werbemöglichkeiten auf Youtube

Bei den 14- bis 29-Jährigen rangiert Internet mit 187 Minuten jedoch bereits auf Platz 1. Bemerkenswert dabei ist, dass das Zeitbudget für die Mediennutzung seit 2005 sinkt - obwohl die Überall-Verfügbarkeit der Medien im gleichen Zeitraum anstieg. Umso mehr müssen Online-Werber dafür sorgen, dass sie ihre Werbebotschaften erfolgreicher im Netz platzieren.

Neue Medien brauchen neue Lösungen

Die Menschen selbst haben sich in letzten Jahrzehnten nicht verändert - die Funktionen der Medien ebenso wenig. Daher werden die alten Medien in ihrer analogen und gedruckten Form noch lange in friedlicher Koexistenz neben ihren digitalen Geschwistern leben. Will Werbung sich die digitalen Medien zunutze machen, muss sie neue Wege gehen.

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Screenshot von hunter and bear's birthday party Quelle: Screenshot
screenshot youtube Quelle: Screenshot
Drama-Button27,9 Millionen Menschen haben den Clip mit dem Drama-Button schon geklickt. Für die Etablierung eines Fernsehsenders in Belgien wurde in einer belgischen Stadt auf einem öffentlichen Platz ein roter Knopf mit der Aufschrift "Push to add drama" installiert. Das Video zeigt, was passiert, nachdem sich die Belgier ein bisschen mehr Drama gewünscht haben. Die Botschaft des Fernsehsenders: "Wir haben ihre tägliche Dosis Drama." Die Zuschauer waren begeistert. Quelle: Screenshot
Old Spice Wer das Duschgel von Old Spice - einer Marke von Procter & Gamble benutzt, wird dadurch zwar nicht aussehen, wie Kampagnen-Model Isaiah Mustafa - aber er kann wenigstens so riechen. Selbstironie gefällt, de Internet-Gemeinde liebt die vielfältige, kreative Old Spice-Werbung. Unter anderem gibt es von der Marke auch personalisierte Clips für bestimmte Personen, die in den Videos direkt angesprochen werden. Und wer möchte nicht so riechen, als hätte er Diamanten, ein Boot und einen Waschbrettbauch? Quelle: Screenshot
Darth Vader Die Macht ist mit den VW-Fahrern: Der Clip mit dem Mini-Darth Vader, der das Auto seines Vaters per Handzeichen anhält, wurde von mehr als 34 Millionen Youtube-Nutzern gesehen. Dazu kommen noch alle Zuschauer des Super-Bowl. 25.000 begeisterte Youtube-Kommentare veranlassten die Volkswagen-Marketing Abteilung, den Clip "the Force" künftig auch im deutschen Fernsehen auszustrahlen. Quelle: Screenshot
Diet Coke und Mentos Ein kleines Experiment brachte Coca Cola und Mentos jede Menge Gratis-Werbung ein. Die Cola-Kaubonbon-indizierte Explosion haben Millionen Menschen auf der Welt gesehen, nachgemacht und die Videos verbreitet. Für beide Unternehmen sind die witzigen Clips ein voller Erfolg. Quelle: Screenshot
Evian Babies Dem Kindchen-Schema sei Dank sahen mehr als 30 Millionen Menschen, wie Evian-Wasser Säuglinge zum Rollschuh laufen bringt. Und das auch noch sehr erfolgreich: Die Babys in dem Evian-Clip fahren auf Skates Slalom um Flaschen und zeigen sich für ihr Alter sehr sportlich. Quelle: Screenshot

Wo das bereits gelingt, zeigt sich beim ältesten Medium der Welt: der Außenwerbung. Die digitale Welt hat zu einer beispiellosen Zunahme digitaler Screens („Digital-Out-of-Home“) geführt, die uns an Flughäfen, Raststätten, Bahnhöfen, Supermärkten und Kinos begegnen. Sie machen den Endverbraucher an neuen Touchpoints erreichbar, wo sie Werbung nicht als störend erleben. Gleichzeitig führt die Digitalisierung der Plakatflächen zu neuartigen Möglichkeiten, die manche Werber sehr gekonnt und kreativ nutzen.

Ein simples, aber besonders cleveres Beispiel ist ein digitales Plakat in einer Stockholmer U-Bahn-Station, das auf einfahrende Züge reagiert und das Haar der auf der Werbetafel gezeigten Frau wild durcheinander wirbelt.

Oder, deutlich aufwendiger, ein Live-Chat via eines sprechenden, digitalen Plakats für Graubünden Tourismus, in dem ein Almbauer die Passanten in seine Heimat einlädt.

Nicht minder kreativ war das digitale Plakat der Swisscom, das zum Viralhit wurde: Hier wurde Eye-Tracking-Technologie eingesetzt, um Passanten zu einem Gewinnspiel einzuladen. Dass solche Beispiele allesamt aus dem Ausland stammen, sollte deutschen Kreativen ein Dorn im Auge sein.

Die Digitalisierung stellt weder die Medien-, noch die Werbewelt komplett auf den Kopf. Sie ergänzt sie um neue Möglichkeiten der technischen Auslieferung von Werbung. Sie ermöglicht zudem eine individuellere Ansprache der Konsumenten, die nicht mehr nur stört, sondern den Menschen Spaß macht. Sie stellt den Verbraucher in den Mittelpunkt - und nicht nur die oftmals austauschbaren Produkte der Hersteller.

Digitale Werbung ist eine große Herausforderung, kann aber die Werbebotschaften wieder attraktiver für unsere Zielgruppen machen. Das wird jedoch nur dann gelingen, wenn wir uns an den Leitsatz halten, den Christian Thunig für sein Editorial in der jüngsten Absatzwirtschaft wählte: „Mensch mit Maschine - nicht umgekehrt.“

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