Ich habe mal wieder einen ÖPNVH. Das ist der Hals, den man bekommt, wenn man eine Fahrkarte für den öffentlichen Personennahverkehr kaufen will.
Eigentlich habe ich mich ja freigekauft von all den Zumutungen, die ein Fahrkartenautomat zu bieten hat, denn ich bin glücklicher Inhaber einer BahnCard100 und mit der fahre ich auch im Nahverkehr ohne zusätzliche Tickets. Aber jüngst reiste ich mit einem Kollegen von Köln nach Düsseldorf und als wir da so vor diversen Automaten versauerten, da fiel mir wieder ein, was ich schon verdrängt hatte: Bei den Kölner Verkehrsbetrieben kauft man seine Fahrkarte entweder am Automaten am Bahnsteig oder in Bus und Bahn selber. Dabei akzeptieren die Automaten am Bahnsteig auch Maestro-Kartenzahlung, aber nicht alle. Geldscheine nehmen die aber schon.
In den Bahnen selber nehmen die Automaten nur Münzen. Und diese antiquierte Erfindung namens Geldkarte. Keine Geldscheine.
Egal, wo man die Tickets kauft, bei der KVB müssen die nicht mehr in der Bahn abgestempelt werden. Außer Streifenkarten. Dort sind vier Fahrten drauf. Das ist billiger.
Fährt man in Köln mit der S-Bahn (also die von der Deutschen Bahn betriebenen Schnellbahnen mit dem runden grünen Logo), muss man die Fahrkarten außerhalb der Bahn kaufen. An Bord gibt es keine Automaten. Fährt man mit einer Streifenkarte und will diese wie gewohnt in der Bahn abstempeln, dann steckt man in der Falle! Kommen dann Kontrolleure, sind gnadenlos 40 Euro fällig, denn abgestempelt werden müssen die Streifenkarten bei der S-Bahn bereits am Bahnsteig. Wie gesagt: alles in Köln, alles im selben Tarifsystem. Perfide, was? Das spült Schwarzfahrer-Geld in die öffentliche Kasse.
Will man ab Hauptbahnhof mit dem RegionalExpress nach Düsseldorf fahren, ist alles prima. Dann kann man vorher am Automaten angeben, wohin genau in Düsseldorf die Reise gehen soll und schon gilt eine Fahrkarte für Bus und Bahn in Köln und in Düsseldorf.
Entscheidet man sich aber mit einem Fernzug, also mit ICE oder IC, nach Düsseldorf zu fahren, wird es schlimm. Zwar gibt es die praktische City-Option bei der Fernfahrkarte, mit der man an Start- und Zielort auch den Nahverkehr nutzen kann. Zumindest wenn man Inhaber einer BahnCard 25 oder 50 ist. Aber das geht sowieso erst, wenn die Fernfahrt länger als 100 km lang ist. Leider liegt Düsseldorf gerade um die Ecke. Also ist erst eine verdammte separate Fahrkarte zum Hauptbahnhof Köln nötig. Die Fernzugkarte bekommt man am Schalter, per Handy, am Automaten oder auch an Bord. Letzteres kostet dann extra, aber immerhin geht das. Nicht so im RegionalExpress. Wer seine Karte dort an Bord kaufen will, ist ein Schwarzfahrer und wird entsprechend öffentlich gedemütigt.
Verwirrende Kurzstrecken
Anders im Norden von NRW. Dort fahren RegionalExpresse der Deutschen Bahn, aber auch private Regionalbahnen wie die Eurobahn. Bei denen kann man das Ticket auch an Bord kaufen. Nicht beim Schaffner. Sondern am Automaten. Aber nicht mit Kreditkarte. Und oft auch nicht mit 50-Euro-Scheinen.
Kunden müssen in Westfalen also wissen, wer der Betreiber der Bahn ist, bevor sie wissen, ob sie schwarz fahren, wenn sie den Zug ohne Ticket betreten. Dabei stehen alle Züge einheitlich auf den Fahrplanaushängen. Erklären Sie diesen Humbug mal einem ausländischen Touristen. Das schmeißt sein Bild von Deutschland sofort über den Haufen.
In Bielefeld steht an den Aufzugtüren zur U-Bahn: "Betreten des Bahnsteigs nur mit gültiger Fahrkarte". Aber was ist eine gültige Fahrkarte? Einzeltickets kommen bereits gültig aus dem Automaten, aber sind unabgestempelte 4er-Tickets gültige Tickets? Abgestempelt werden sie ja erst in der Bahn. Das Bielefelder Verkehrsunternehmen Mobiel schreibt auf den Stempel-Automaten, das Ticket müsse vor Fahrtantritt hier "entwertet" werden. Also ist erst ein entwertetes Mehrfachticket ein gültiges, mit dem man fahren darf. Aber wie kann dann ein gültiges Ticket wertlos sein?
Was würde wohl passieren, wenn man dem Kontrolleur erzählt: "Ich kann doch nicht mit einer wertlosen Fahrkarte fahren und wollte deshalb erst beim Aussteigen stempeln." Der Kontrolleur würde wohl entgegnen: "Erst die entwertete Fahrkarte ist eine gültige." Aber dann kann der kluge Fahrgast ja gar nicht anders, als zu entgegnen: "Wie soll ich dann schon mit einer gültigen Fahrkarte den Bahnsteig betreten, wenn erst das Entwerten sie gültig macht und die Entwerter erst in den Zügen angebracht sind?"
Der Kunde hätte eindeutig recht. Bis zum Bundesverfassungsgericht würde ich ziehen.
Genauso bescheuert sind Busse, die an der Haltestelle vorbei brausen und oben am Bus steht "Dienstfahrt". Ist ein Bus also ausdrücklich im Dienst, nimmt er keine Fahrgäste auf. Toller Dienst am Kunden. Dienst = kein Dienst.
Und dann die Kurzstreckentickets. Wer sich ein Handyticket kaufen möchte, der bekommt das Kurzstreckenticket meist gar nicht. Ätsch!
Außerdem gelten die Kurzstreckentickets mal für vier Stationen (Köln), mal für drei (Düsseldorf), in der S-Bahn womöglich nur für zwei, wenn sie dort überhaupt gelten. In vielen Städten kann man auf der Kurzstrecke wenigstens umsteigen. Nicht so wiederum in Bielefeld. Wer dort das Pech hat, die Linie wechseln zu müssen, um zum Ziel zu kommen, der muss dafür auch noch mehr bezahlen, nämlich für das normale Einzelticket. Obwohl er genauso viele Stationen abfährt.
Umsteigen kostet also extra. Wer denkt sich solch einen unsozialen Quatsch aus?
Warten auf den einheitlichen Deutschlandtarif
So geht man mit Kunden um, wenn Konkurrenz fehlt. Und geht etwas schief, ist immer der Fahrgast ohne gültige Fahrkarte der blamierte Dumme, der seine Personalien angeben muss und 40 Euro los ist (und bald wohl sogar 60 Euro - was bei vorsätzlichem Schwarzfahren ja ok wäre). Man müsste das eigentlich mal höchstrichterlich entscheiden lassen: Ab wann haftet das Verkehrsunternehmen für Missverständnisse im selber erdachten Ticket-Dschungel? Nirgends werden dem Verbraucher derartig viel inkonsequente Vorschriften zugemutet, wie in den öffentlichen Verkehrsmitteln Deutschlands.
Beispiel Schuh-Kauf im Internet: Ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung unklar, ist sie ungültig. Der Verbraucher hat das gute Gefühl: Das Recht ist auf meiner Seite.
Das wäre doch mal was: Zum richtigen Ticket in fünf Sekunden. Wann kommt endlich der einheitliche, verständliche Deutschland-Tarif? Spricht man mit Mitgliedern des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), dann schwant es einem: nie! Denn die einzelnen Verkehrsunternehmen finden ihre eigenen Systeme einfach unschlagbar geil.
Kann nicht unser Herr Dobrindt mal dazwischenhauen? Ach, ich höre ihn schon: "Ländersache." Die Länder sollen sich mal ein Beispiel nehmen an einem Berliner Busfahrer kürzlich. Ein Fahrgast wollte bei ihm eine Fahrkarte kaufen. Da verdreht der Fahrer die Augen: "Komm, jehn Se durch. Ick bin eh schon zu spät. Dit dauert mir jetzt allet zu lange."
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