Werner Knallhart

Deutsche Bahn gesteht: Auf die DB-App ist kein Verlass

Der DB-Navigator ist eigentlich grandios. Die App bietet einem Fahrpläne von jeder Milchkanne der Republik zur nächsten und spuckt einem direkt auf dem Handy die Fahrkarte aus. Sogar Verspätungen zeigt sie an. Das Blöde: Die stimmen oft nicht. Das hat die Bahn jetzt zugegeben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eine Anzeigetafel der Bahn Quelle: AP

In Studentenzeiten hatte ich mal einen Wecker, der hatte einen Wackelkontakt im Batteriefach. Manchmal wachte ich deshalb erst am frühen Mittag auf. Das war herrlich. Denn so konnte ich ausschlafen und alles auf den Wecker schieben. Als ich dann aber mal ein Frühstück mit meiner neuen Flamme vergeigte, war Schluss. Ich lasse mir doch nicht von einem unzuverlässigen Wecker mein Leben versauen.

Das gilt auch für die Bahn-App. Der traue ich deshalb auch nicht mehr. Denn die eingebaute Verspätungsanzeige ist eine Lügnerin. Sagt so ähnlich auch die Deutsche Bahn. Denn die App kann gar nicht funktionieren. Aus technischen Gründen: Wenn ich nach getaner Arbeit zum Zug hastete, dann warf ich bislang von unterwegs immer noch schnell einen Blick auf die Verspätungsanzeige der DB-Navigator-App. Um zu sehen, ob die Hast sich überhaupt lohnte. Denn sowas ist ja nicht gut fürs Gemüt.

Vor einiger Zeit spurtete ich mit wehenden Haaren an den Hauptbahnhof in Bielefeld. Denn mein ICE 645 nach Berlin war pünktlich. Sagte die App.

Als ich gerade mit schweißnassem Rücken den Rollkoffer die Treppen zum Bahnsteig 2 hochgeschleppt hatte, da guckte ich - nur mal so - auf die Anzeige am Bahnsteig. Sofort zog sich mein Blut aus den Gliedmaßen zurück in die inneren Organe. Mein Hals pochte und mein Sichtfeld wurde an den Rändern schwarz. Denn ich las: Der ICE nach Berlin Ostbahnhof hatte 30 Minuten Verspätung.

Ich tat das Nächstliegende und verfluchte die Bahn. Dann griff ich zu meinem Handy und aktualisierte die Verspätungsanzeige der App. Mein Zug war immer noch pünktlich! Ich blickte auf die Anzeige am Bahnsteig: 30 Minuten Verspätung!

Pünktlich oder nicht?

Welche Info stimmte, verdammt? Im schlimmsten Fall hatte ich nun also eine halbe Stunde Zeit, meinen Frust dort abzuladen, wo er hingehörte. bei der Deutschen Bahn.

Ich bin wirklich kein großer Twitterer. Ich glaube, über @MWerner3000 habe ich drei Follower. Aber wenn das ganze Getwittere zu einem gut ist, dann zu Dingen wie diesem hier:  

Ich schrieb an die Deutsche Bahn:

@DB_Bahn ICE 645. Bahn-App zeigt an "pünktlich". Anzeige am Bahnsteig Bielefeld "Verspätung 30 Minuten". Super. Was stimmt?

Prompte Antwort:

@MWerner3000 In Hamm ist der ICE mit +4 Min. angekommen. Da er noch nicht weitergefahren ist, kann sich die Anzeige nicht aktualisieren.

Weil er nicht weitergefahren ist? Hä? Aber der Mann am Mikro hatte die aktuelle Info doch auch. Ich tippte:

@DB_Bahn Wie gerade per Lautsprecher mitgeteilt: 40 min Verspätung. Zug steht in Hamm. Und das kann die App nicht melden? Ihr seid so geil!

Prompte Antwort:

@MWerner3000 Da der Zug keine Zugmeldeanlage durchfahren hat, kann die automatische Aktualisierung nicht greifen. :-/

Mit anderen Worten: Ein Zug, der niemals losfährt, hat niemals Verspätung. Die Bahn-App ist also nicht Hamm-kompatibel. Und das ist ein riesiges Manko. Denn Hamm ist erstklassiger Verspätungs-Lieferant. Dort werden die ICE aus dem Ruhrgebiet und die aus dem Bergischen Land zusammengekoppelt, um als Doppelzug nach Berlin weiterzufahren. Weil die Kupplungs-Technik der ICE aber zum Kuppeln nicht viel taugt, stehen die Züge oft ewig in Hamm und können nicht weiterfahren. Und das ist ja nur eine von vielen Konstellationen, bei dem ein Zug blöd herumsteht und deshalb keine Meldeanlage durchfährt.

App funktioniert nur manchmal

Die größten Pannen der Deutschen Bahn
Juli 2015Wegen der großen Hitze sind die Luftkühlungen mehrerer IC-Züge ausgefallen. Anders als im Sommer 2010 reagierte die Bahn diesmal schnell: Sie stellte für die besonders betroffene Linie Berlin-Amsterdam zwei Ersatzzüge bereit. Sie sollen eingesetzt werden, wenn die Luftkühlung in anderen IC auf der Strecke versagt, wie ein Sprecher mitteilte. Außerdem wurden in Osnabrück mehrere Busse stationiert. Dort mussten insgesamt mehrere Hundert Fahrgäste in nachfolgende Züge umsteigen, weil in ihren Zügen die Klimaanlage ausgefallen war. Es habe aber kein Fahrgast gesundheitliche Probleme bekommen, so der Sprecher. Bei etwa einem Dutzend älterer Intercitys auf der Linie Berlin-Amsterdam hatten die Klimaanlagen ihre Arbeit eingestellt. Quelle: dpa
Oktober 2014Ein Warnhinweis sorgt für Lacher, Spott und eine Entschuldigung der Deutschen Bahn: „Cannstatter Wasen: Es ist mit Verspätungen, überfüllten Zügen und verhaltensgestörten Personen zu rechnen“ ist am Samstag auf den Anzeigetafeln an mehreren Bahnhöfen in der Region Stuttgart zu lesen gewesen, wo das Volksfest an seinem letzten Wochenende in diesem Jahr wieder Tausende Besucher anlockte. „Wir entschuldigen uns dafür“, sagte eine Bahn-Sprecherin am Sonntag und bestätigte Online-Berichte der „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“. Ein Mitarbeiter habe den Text entgegen aller Vorgaben verfasst. Er werde Anfang der Woche zum Rapport bestellt. Dann solle auch der gesamte Vorgang aufgeklärt werden. Quelle: dpa
August 2013Ein ungewöhnlich hoher Krankenstand in der Urlaubszeit sorgte im August 2013 für ein Fahrplanchaos am Mainzer Hauptbahnhof - und für massiven Ärger bei den Fahrgästen. Die Deutsche Bahn hat für das Chaos am Mainzer Hauptbahnhof wegen massiver Personalprobleme auf Facebook um Entschuldigung gebeten. „Für die derzeitigen Einschränkungen möchte ich mich entschuldigen“, antwortete ein Mitarbeiter in dem Sozialen Netzwerk auf Beschwerden einer Nutzerin. Die Situation sei „wahrlich nicht schön“. Quelle: dpa
August 2013Um dem Problem der häufig verstopften und verdreckten Zugtoiletten Herr zu werden, setzt die Bahn ab sofort neue Reinigungskräfte, sogenannte Unterwegsreiniger, in ICE-Zügen ein. Die Reinigungskolonne, die auf der Fahrt die Toiletten putzt, wird um 50 Beschäftigte auf 250 aufgestockt, wie der Vorstandsvorsitzende DB Fernverkehr, Berthold Huber, ankündigte. Die Mitarbeiter sollen zugleich stärker entsprechend der Zugauslastung eingesetzt werden. Damit würden die Toiletten in besonders gefragten Bahnen mindestens zweimal und damit doppelt so oft auf der Fahrt gereinigt wie bisher. Der Fahrgastverband Pro Bahn und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) lobten die Initiative, wiesen aber zugleich auf andere Probleme hin. „Neben den kaputten oder dreckigen Toiletten gibt es tagtägliche Kundenbeschwerden vor allem über die Klimaanlagen und Verspätungen“, sagte Pro-Bahn-Bundessprecher Gerd Aschoff. Und das sind nicht die einzigen Pannen der Deutschen Bahn... Quelle: dpa
November 2011Nach der persönlichen Anmeldung im neuen elektronischen Ticketsystem „Touch & Travel“ waren für nachfolgende Nutzer die Kundendaten sichtbar. Quelle: dpa
Juli 2010Am einem Wochenende fallen in mehreren ICE-Zügen die Klimaanlagen aus. Fahrgäste kollabierten, Schüler mussten dehydriert ins Krankenhaus eingeliefert werden. Im Zuge der Panne wurde bekannt, dass die Klimaanlagen der Bahn nur bis 32 Grad funktionieren. Damals fielen in Dutzenden Zügen die Klimaanlagen aus. Quelle: dpa
April 2010 - ICE verliert TürBei voller Fahrt verliert ein ICE auf dem Weg von Amsterdam nach Basel eine Tür. Das Stahlteil schlägt in einen entgegenkommenden ICE ein. Auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frankfurt und Köln werden sechs Menschen leicht verletzt. Ursache für den Unfall ist eine lose Stellmutter an der Verriegelung. Foto: dpa

Jetzt wollte ich den Kniefall. Das war das Mindeste. Ich tippte:

@DB_Bahn Damit kann man sich also nicht auf die Verspätungs-Angaben in der App verlassen, wenn Züge in Bahnhöfen festhängen. Richtig?

Prompte Antwort:

@MWerner3000 Leider zeigen sich hier die Grenzen des Systems. Daher auch immer die Ansagen/Anzeigen am Bahnhof beachten.

Halten wir fest: Die App funktioniert laut Bahn also nur im Zusammenspiel mit den Anzeigen und Durchsagen am Bahnhof. Auf dem Weg zum Bahnhof, im Taxi, in der U-Bahn, also genau dann, wenn man die App-Info braucht, taugt sie nichts. Denn wenn sie manchmal nicht funktioniert, ist auf sie niemals Verlass.

Aber es geht noch verrückter:

Vor einigen Wochen. Ich mal wieder auf dem Weg zum Bielefelder Hauptbahnhof. Und ab nach Berlin. Da zeigt die App knallrot: ICE655/645 ca. 15 Minuten Verspätung.

AHA! Der Doppelzug hatte doch tatsächlich eine Zugmeldeanlage durchfahren. Heute war auf die Verspätung Verlass. Die Zeit reichte mir noch für etwas Leckeres beim Türken. Weil ich aber gewieft bin wie ein Fuchs, hatte ich nicht überlesen: Die Bahn schrieb von ca. 15 Minuten. Circa!

Prognostizierte Verspätung

Also war ich nur sieben Minuten nach der offiziellen Abfahrtszeit am Gleis. Man weiß bei dieser App ja nie. Da stand an der Anzeige etwas von einem RegionalExpress.

Ich fragte einen jungen Racker mit Kopfhörern: "Haben die was gesagt, wo der ICE bleibt?"

Der Junge hob eine Seite des Kopfhörers ab und sagte: "Nö. Aber der ist gerade eben pünktlich hier weg."

Die App kann also auch anders rum. Dass dieser Trick technisch möglich ist, fasziniert mich ehrlich. Was für eine Maschine hatte der ICE da wohl durchfahren? Einen Flux-Kompensator?

Ich musste also eine Stunde auf den nächsten Zug warten. Weil die Bahn einfach pünktlicher war, als sie sich selbst zugetraut hatte.

Wenn man eine Stunde oder mehr zu spät am Reiseziel ankommt und die Bahn ist schuld, dann gibt es eine anteilige Reisekostenerstattung.

Ich tippte:

@DB_Bahn Wenn DB-Navi f pünktl Zug Verspätung v 15 min anzeigt, man ihn verpasst u 1 Stunde auf nächsten wartet, sind das 60 min Verspätung?

Die prompte Antwort:

@MWerner3000 Nein, das gilt nicht als 60-Minuten-Verspätung. Die Verspätungsangaben sind lediglich Prognosen.

Also, halten wir wieder fest: Wenn ein Zug pünktlich abfährt, dann prognostiziert die Bahn sogar zehn Minuten, nachdem der Zug längst weg ist, dass er erst in fünf Minuten ankommt. Weil der Konzern das eben nicht besser wissen kann. Das war dem Mitarbeiter der DB-Information in Bielefeld ganz schön peinlich.

Also: zu früh oder zu spät. Die hochgelobte App kann beides. Jetzt müssen sich nur noch die Züge dran halten. Aber immerhin: Im Bahnhof Bielefeld wird McDonalds jetzt renoviert. Die gehen eben auch mit der Zeit. Und wenn da ein Hamburger nur ein paar Minuten länger herumsteht als prognostiziert, dann wird der einfach weggeschmissen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%