Werner knallhart

Deutsche Bahn im WLAN-Wahn

Bahnchef Rüdiger Grube bekräftigt: Das geplante kostenlose Internet in der 2. Klasse wird: kostenpflichtig. Spätestens an Silvester soll man in ausnahmslos allen ICE im WLAN surfen können. Das klappt niemals! Oder?

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Das geplante kostenlose Internet in der 2. Klasse ist eine Mogelpackung. Quelle: dpa

Ich hatte als Student mal das Vergnügen, zur Feier des Tages in Italien in ein elegantes Sterne-Restaurant eingeladen worden zu sein. Als wir uns alle über unsere köstlichen Angelegenheiten beugten und das Leben genossen, tat es plötzlich einen dumpfen Schlag und ein Kreischen. Und unter dem Nachbartisch lag eine elegante Dame wie ein Käfer auf dem Rücken. Da war ihr doch tatsächlich der elegante Stuhl unter dem Hintern zusammengebrochen.

Und noch heute, wenn wir uns an diesen Abend erinnern, ist es ist der Abend, an dem in einem der besten Restaurants Italiens die Möbel zusammengebrochen sind.

Und so ist es auch bei der Deutschen Bahn. Selbst, wenn der Zug mal pünktlich ist: Es sind die ganzen Enttäuschungen nebenher, die einen auf die Frage "und wie war die Fahrt?" meist die Augen verdrehen lassen.

Wenn man herumfragt, kann jeder nach einer Fahrt in einem ICE wieder mindestens eine Anekdote erzählen, über die alle den Kopf schütteln: falsche Wagenreihung (allein das Wort schon!), geschlossene Bordrestaurants, defekte Toiletten, immer wieder völlig falsche Anzeigen an den Deckenmonitoren (kurz vor Köln: "Nächster Halt Bielefeld"). Sie kennen das Spiel. Ob der Zug am Ende nur drei Minuten Verspätung hatte, interessiert dann kaum mehr. Die Fahrt war trotzdem Mist. Und genau das ist, auf den Punkt gebracht, das "Problem Bahn".

Und man weiß gar nicht, woran man als erstes verzweifeln soll. Deshalb empfehle ich zur Abwechslung den noch recht frischen Aufreger WLAN. Da denkt sich die Bahn ja ständig neue Schoten aus, um den Flop am Köcheln zu halten. Dabei machen die das nicht, weil sie bösartig sind. Sondern weil sie dem Bedarf der Kunden hoch motiviert hinterher rennen.

Wo Kunden zufrieden sind – und wo nicht
Pünktlichkeit: Jeder fünfte ICE kam 2015 mindestens sechs Minuten zu spät an. Die Leistungen entsprechen nicht annähernd den Zielen der Deutschen Bahn. Sie will in diesem Jahr eine Pünktlichkeitsquote von 80 Prozent erreichen, langfristig sogar auf 85 Prozent hoch kommen. Die Tendenz 2016 bleibt jedoch weiter schwach. Im Januar lag die Pünktlichkeitsquote bei 77 Prozent. Quelle: AP
Preise: Die Zeiten der jährlichen Preiserhöhung wegen „gestiegener Energie- und Personalkosten“ sind vorbei. Zumindest im Fernverkehr blieben die Preise seit zwei Jahren stabil - den Fernbussen sei Dank. 19-Euro-Sparpreise locken inzwischen selbst Schüler und Studenten. Die neue Devise des Vorstands: lieber volle Züge statt leerer Kassen. Preislich ist die Bahn inzwischen wettbewerbsfähig. Quelle: dpa
ICE-Restaurant: Leider ist die Küche zu oft kaputt. Mal bleiben die Getränke warm oder der Kaffee kalt. Mitunter fehlen die angepriesenen Snacks wegen schlechter Logistik. Dennoch: Wenn es läuft, dann ist ein Sitz im ICE-Restaurant der schönste Platz im Zug – gerne auch bei einem der guten Weine.Urheber: Volker Emersleben // Deutsche Bahn AG
WLAN: In der zweiten Klasse eines ICE ist WLAN noch immer nicht kostenlos und in der ersten Klasse funktioniert der Download alles andere als einwandfrei. Als 2010 zahlreiche ICE grundsaniert wurden, verzichtete das Unternehmen sogar auf den Einbau der WLAN-Technik. So viel Behäbigkeit wird nun bestraft. Die Fernbusse machen der Bahn in Sachen WLAN was vor. Erst Ende 2016 soll es auch im ICE besser werden. Viel zu spät. Quelle: dpa
Information: Schon mal in Bielefeld am Bahnhof gewesen? Seit Jahren fallen die Anzeigentafeln immer wieder aus. Bielefeld gibt es leider auch anderswo. Und wenn die Anzeigen am Bahnsteig funktionieren, dann korrespondieren sie oft nicht mit den Informationen der Bahn-Apps. In den Zügen sollte die Bahn mal ihre Durchsagen auf Relevanz überprüfen. Immerhin am Bahnsteig soll es bald Entwirrung geben. Die Bahn will Multi-Zug-Anzeigen einsetzen: mit drei Zügen auf dem Display. Das klingt gut. 40 von insgesamt 120 Fernbahnhöfen sind bereits umgerüstet. Quelle: dpa
Apps: Nicht jede Frage an @DB_Bahn beantwortet das Twitter-Team zwar zu voller Zufriedenheit. Dennoch zeigen die Twitterer der Deutschen Bahn, wie schnell und effektiv ein Konzern mit seinen Kunden kommunizieren kann. Eine starke Leistung. Auch der DB Navigator bietet echten Mehrwert. Die Deutsche Bahn beweist mit ihren Apps, dass auch traditionelle Konzerne digitale Maßstände setzen können.   Quelle: dpa
Lounges: Ein großzügiger Service für Vielfahrer: kostenloser Kaffee, Tee, Wasser und Softdrinks. In der ersten Klasse erhalten Fahrgäste auch Bier, Wein und Snacks. Leider ist die zweite Klasse oft zu voll. Die Deutsche Bahn prüft den Aufbau zusätzlicher Lounges in ein bis zwei Städten. Quelle: dpa

Ab spätestens Ende 2016 wird in allen ICE der Deutschen Bahn ein funktionstüchtiges WLAN kostenlos in der 2. Klasse angeboten - hat die Bahn versprochen. Erst hieß es 2016, dann Mitte 2016, jetzt Ende 2016.

Wer die Bahn kennt, hat auch das nicht geglaubt. Und sollte recht behalten. Denn Bahnchef Rüdiger Grube hat jüngst unterstrichen: Kostenlos wird das WLAN nur sein bis zu einer bestimmten Datenmenge. Wer mehr Daten laden möchte, muss dafür bezahlen. Oder im Schneckentempo surfen.

Aber Moooooment!

Wenn es auf der Einladung zu einer Veranstaltung heißt: "Getränke sind kostenlos", und dann bekommt man am Eingang zwei Gutscheine für je ein Glas Milch, dann sind zwar Getränke kostenlos, aber eben nur diese zwei und nicht alle, wie man annehmen durfte.

Wenn ein Optiker wirbt: "Hier kostenloser Sehtest", aber bereits das zweite Auge kostet plötzlich fünf Euro, dann ist das zwar teilweise ein kostenloser Sehtest, aber nicht in der Form, wie man es erwarten konnte.

Wenn im ICE nur ein bestimmtes Datenvolumen kostenlos ist, dann ist das zwar auch kostenloses WLAN. Aber nur für eine Weile.

Getränke, Sehtest und zukünftiges ICE-WLAN haben eins gemeinsam. Sie sind Mogelpackungen. Und das ist einem Hightech-Unternehmen wie der Bahn einfach unwürdig.

Denn die Bahn macht diesen peinlichen Rückzieher ja nicht, weil sie die Kunden nun doch lieber abzocken will. Sondern sie kriegt es nicht hin, genügend Datenvolumen für alle anzubieten, und will die Kunden deshalb in ihrem Datenhunger bremsen. Mit Androhung von Kosten. Es ist also jetzt schon klar: Das Angebot wird nicht zum Bedarf passen.

Dabei vergleicht Grube die Bahn in diesem Vorgehen mit Fluggesellschaften. Die beschränkten das Datenvolumen schließlich ja auch. Der Vergleich hinkt aber. Im Flugzeug surft man in zehn Kilometern Höhe über dem Atlantik. Bei der Bahn klappt es heute mitunter nicht einmal mitten in Hannover.

Lassen Sie sich einfach kurz vor Abfahrt enttäuschen

Aber innerdeutsch konkurriert die Bahn hier mit dem Fernbus, der die Bahn mit seinem kostenlosen WLAN an Bord erst ins Schleudern gebracht hat.

Und wie soll das limitierte Kontingent denn berechnet werden? Im Flugzeug fliegen alle gleich weit. Bei der Bahn fahren einige Leute eine halbe Stunde von Köln nach Wuppertal, andere bleiben bis nach Berlin über vier Stunden an Bord. Bekommen die Weitfahrer mehr Volumen? Nur das wäre gerecht. Aber die Bahn hat darüber nach eigenen Angaben noch nicht einmal entschieden.

Ich persönlich will die Möglichkeit haben, auf meiner Fahrt von München nach Hamburg durchgängig und kostenlos Live-Nachrichten und Serien aus dem Internet zu streamen. Das ist zeitgemäßer Standard. Das bekommt man in jedem Uni-Café. Bei Netflix etwa bedeutet eine Stunde Streamen in mittlerer Auflösung 0,7 GB pro Stunde, auf einer Fahrt von München nach Hamburg macht das rund 4,2 GB, mit Verspätung 5 GB.

Das muss das Netz an Bord schon leisten. Und zwar durchgängig stabil.

Ob das klappt? Reisende der 1. Klasse werden schon seit vielen Monaten damit bezirzt, das WLAN unterwegs unbegrenzt nutzen zu können.

Wer nach Grubes Umbau im Bahn-Vorstand sitzt
VorstandsvorsitzenderRüdiger Grube (64) ist seit Mai 2009 Vorsitzender des Vorstands. Sein Vertrag läuft bis Ende 2017. Quelle: dpa
FinanzvorstandRichard Lutz (51), zuständig für Finanzen und Controlling, verantwortet zusätzlich für die internationale Bustochter Arriva und die Gütertransporte jenseits des Schienenverkehrs zuständig sein (Lastwagen, Schiff, Flugzeug). Quelle: REUTERS
Vorstand für Infrastruktur und DienstleistungenVolker Kefer (60) ist seit Herbst 2009 im Vorstand. Er fungiert inzwischen als Stellvertreter Grubes und wie zuletzt das Ressort Infrastruktur und Dienstleistungen leiten, ergänzt um Teilbereiche der Technik. Die Aufgaben der Techniksparte wurden nach dem Weggang ihrer Chefin Heike Hanagarth verteilt Quelle: dpa
PersonalvorstandUlrich Weber (66 ), Personalvorstand, ist aus dem langen Tarifkonflikt mit der Lokführergewerkschaft GDL bekannt. Er durfte bleiben. Quelle: dpa
RechtsvorstandRonald Pofalla (56), löste Gerd Becht (63) als Konzernvorstand für Regeltreue, Datenschutz, Recht und Konzernsicherheit ab. Außerdem behält der Ex-Kanzleramtschef seine bisherige Aufgabe bei der Bahn: die Kontaktpflege zu Politikern im Bund und bei der EU in Brüssel. Quelle: dpa
Vorstand Personen- und GüterverkehrBerthold Huber (52), war bis August 2015 Chef der Bahntochter DB Fernverkehr. Seitdem leitet er als Vorstandsmitglied nicht nur den gesamten Personenverkehr, sondern auch die Güterbahn. Quelle: dpa
AusgeschiedenUlrich Homburg (60) schied im August 2015 als Vorstand für den Personenverkehr aus dem Gremium aus. Berthold Huber ersetzt aber nicht nur Homburg, sondern auch... Quelle: dpa

Und es fühlt sich an wie die Geburt des eigenen Kindes, wenn es tatsächlich mal hinhaut. Die Einführung des kostenlosen WLAN in der 1. Klasse hat den Datenverkehr derartig explodieren lassen, dass das Netz regelmäßig überlastet ist.

Auf sämtlichen Stichproben der vergangenen sechs Fahrten mit zwei iPhones und einem iPad war das Einloggen nach mehreren Versuchen, verteilt über mehrere Stunden, nur mit einem Gerät für etwa zwanzig Minuten möglich. In einem meist halb leeren Waggon. Wer an Bord arbeiten möchte und auf das Internet angewiesen ist, kann es vergessen. Zu heikel. Und dieser Service wird von der Deutschen Bahn selbstbewusst beworben! Wie soll das erst in der viel stärker frequentierten 2. Klasse werden?

Merkt man an Bord an, die versprochene und bezahlte Leistung nicht zu bekommen, hört man von der Zugbegleiterin heute noch mitunter: "Beschweren Sie sich bei der Telekom. Das WLAN ist nicht unsere Sache."

Und in knapp sechs Monaten soll alles anders sein - 2. Klasse inklusive? Es wäre ein Bahn-Wunder!

Die wichtigsten Firmenübernahmen der deutschen Bahn

Zurzeit sind neun ICEs testweise mit dem neuen Internet in Deutschland unterwegs. Folge: Gar kein Empfang für Passagiere. Nur für die Techniker. Welche Verbindungen davon betroffen sind, kann die Bahn nicht sagen. Lassen Sie sich einfach kurz vor Abfahrt enttäuschen.

Erst ab August, fünf Monate vor dem großen Rollout, wird dann mit Passagieren getestet.

Nach der Testphase müssen noch hunderte von ICE umgerüstet werden. Das Spektakuläre ist, dass die Bahn so kurz vor Start immer noch keinen endgültigen Rückzieher macht und das Startdatum nicht kassiert. Irgendwas scheint sie in Sicherheit zu wiegen. Irgendein rhetorischer Trick? WLAN ja, aber kein Internet? Oder vielleicht verteilen sie ab Silvester kostenlose Kekse der neuen Marke WLAN-Cookies und rufen "Hier! Euer WLAN! Reingefallen!"

In knapp sechs Monaten wissen wir es! Gott, ist das spannend.

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