Nun ist so ein Fußballspiel live mit Vorschau nicht jedermanns Sache. Alternative: zuhause gucken und Fenster zu. Oder das größte Fan-Fest Europas am Brandenburger Tor. Gesponsert von Coca-Cola und Hyundai. Da basteln sich nicht irgendwelche kleineren Gastronomen was zurecht, mit stramm auf Halshöhe quer gespannten Mehrfachsteckdosen. Nein, da steckt Kohle drin. Da kommen zigtausende Fans. Da muss alles perfekt organisiert sein. Dachten wir, als wir Deutschland gegen Portugal guckten.
Und merkten: drei Sekunden Versatz zwischen Großbildwand an der Hauptbühne und den kleineren Monitoren weiter hinten auf der Straße des 17. Juni. Bewegte ich die Augäpfel von unserem Monitor nun also nur einen Millimeter nach rechts, glotzte ich am Horizont auf die Drei-Sekunden-Vorschau. Und auf Tausende Fans, die ausflippten, bevor sich bei uns etwas tat.
Und nicht nur das: Der Ton aus unseren Lautsprechern kam noch nicht einmal synchron zu unserem Bild an und war obendrein von hinten zusätzlich verzögert. Wir wurden von einem 3-D-Echo beschallt, das nicht zum Bild passte. Ich wiederhole: gesponsert von Coca-Cola und Hyundai.
Dass der Stadt Berlin das egal war, hätte uns Herr Wowereit wahrscheinlich schriftlich gegeben. Aber diesen Weltkonzernen konnte das doch nicht recht sein! Von den Tausenden Fans mal ganz abgesehen. Probt man sowas nicht mal kurz vorher? Nennt man das nicht Soundcheck? Haben wir auf unserer Abifeier in den Neunzigerjahren besser hingekriegt. Und da war noch ein Kassettenrekorder mit im Spiel.
Aber anders als in den Neunzigerjahren haben wir uns damit abgefunden, dass Produkte nicht mehr zusammenpassen. Früher gab es nur eine weiße Schokolade. "Die Weiße" von Nestlé. Früher gab es nur ein oder zwei Telefonmodelle von der Deutschen Bundespost und zwar in beige, orange, dunkelgrün und weinrot. Und der Videorekorder wurde per AV-Stecker am Fernseher angeschlossen, fertig.
Heute gibt es Kabel und Satellit und analog und HD und Sky und Entertain und Amazon Instant Video und iTunes mit Apple TV und HDMI-Sticks für Fernsehempfang und Handys, mit denen man Milch einscannen und nachbestellen kann, aber nicht in Deutschland. Und diese Filme lassen sich auf jenem Computer nicht streamen und dieser Stöpsel passt seit der neuesten Generation auch nicht mehr. Und hierfür und dafür gibt es zukünftig keine Updates mehr. Und diese App zeigt nicht die Carsharing-Fahrzeuge von jenem Anbieter an und dieses mobile Bezahlsystem wird von jener Supermarktkette nicht akzeptiert. Und jede Möchtegern-Schokoladenmanufaktur stellt heute weiße Schokolade her.
Und deshalb haben wir uns längst damit abgefunden: Der Überblick ist futsch. Es passt nichts mehr zusammen. Und deshalb meckert auch kein Fußballfan auf der Fanmeile über Bild-und Tonprobleme. Weil er nicht weiß, ob das mittlerweile nicht schlicht normal ist.
Wer wissen will, wie die Zukunft aussieht, der kann mal die Live-Streams der diversen Online-Mediatheken ausprobieren. Da kann man zum Beispiel live im Internet die Fußballspiele parallel zum Fernsehbild aus anderen Kameraperspektiven verfolgen. Und wie modern dieses Angebot ist, erkennt man alleine schon an der Verzögerung. Anzahl der Sekunden, die das Parallel-Bild im Internet dem Fernsehen hinterherhinkt: 45.