Werner knallhart

Die neue Freundlichkeit der Taxi-Fahrer - per Knopfdruck

Die Zeiten, als Taxifahrer ihre Fahrgäste behandeln konnten wie lästigen Ballast, sind vorbei. Dank Apps wie MyTaxi herrscht eine neue Kultur des gegenseitigen Respekts im Auto. Allerdings aus purem Egoismus.

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In diesen Großstädten ist Taxifahren am teuersten
Hannover Quelle: dpa
Dresden Quelle: dpa
Köln Quelle: dpa
Frankfurt Quelle: dpa
Hamburg Quelle: dpa
Berlin Quelle: dpa
Essen Quelle: DPA/Picture-Alliance

Was habe ich nicht schon alles im Taxi erlebt, wenn ich das Pech hatte, die Fahrer in einem ihrer "Mein Job kotzt mich an"-Momente zu erwischen.

Ein Fahrer, der mir auf mein Bitten, mir für meinen Arbeitgeber eine Quittung über den Fahrpreis inklusive Trinkgeld auszustellen, antwortete: "Das Trinkgeld dürfen Sie gar nicht vom Arbeitgeber zurückerstatten lassen. Das ist Betrug. Dabei unterstütze ich Sie nicht."

Ein Fahrer, der sich weigerte, mich mitzunehmen, weil ich meinen Rollkoffer mit den Rollen nach unten in seinen Kofferraum gehoben habe, obwohl er sein Auto am Nachmittag gerade frisch gesaugt hatte. Er schmiss den Koffer wieder raus, ich maulte noch so etwas wie "Beförderungspflicht", da war er weg.

Ein Fahrer, der mich kilometerweit aus der Stadt herausfuhr, nur weil er nicht wusste, wo die Zielstraße lag. Und am Ende wollte er den Umweg von rund 15 Euro bezahlt haben mit der Begründung: "Ich kenn hier doch nicht jede Straße."

Ein Fahrer, der mich im strömenden Regen von Berlin anraunzte: "Jetzt stehe ick hier anderthalb Stunden rum und krieg ne Fahrt von fünf Minuten. Da machen wir jetzt aber einen Pauschalpreis von acht Euro."

Ich sag: "Nein. Erstens fahre ich Ihnen zuliebe jetzt nicht nach Potsdam und zweitens machen Sie bitte das Taxameter an. Sie bekommen ja auch ein Trinkgeld."

"Leute wie Sie machen mir den Tag zur Hölle!"

Und ich bin mir sicher, viele Taxifahrer können im Gegenzug auch von wirklich alptraumhaften Fahrgästen erzählen (zu denen ich mich ausdrücklich nicht zähle. Ich sach's nur. Das einzige Mal, an dem ich ein Taxi-Schreck war, war, als ich zuvor in einen Haufen Hundekot getreten bin, was uns aber erst unterwegs auffiel, nachdem der Fahrer die Heizung im Fußraum angestellt hatte. Aber naja).

Mit Apps wie MyTaxi oder taxi.eu ist offen ausgelebter Hass Geschichte. Ich erlebe keine frechen Fahrer mehr.

Die Apps bieten vordergründig eine einfache Möglichkeit für Fahrgäste, sich ein Taxi an einen über die Landkarte definierten Ort zu rufen und die Fahrt im Auto bargeldlos per Fingerabdruck auf das eigene Handy zu bezahlen. Mittlerweile hat sich das System in vielen größeren deutschen Städten als Alternative zum Anruf bei der Taxizentrale etabliert. Und wie auf wundersame Weise haben die Apps die Fröhlichkeit und die Nächstenliebe ins Taxigewerbe einziehen lassen. Zumindest die Liebe zwischen Fahrer und Fahrgast. Ich bin mir sicher, das hatten die Erfinder solcher Apps am Anfang gar nicht im Blick.

Das Taxi-Wunder funktioniert chronologisch betrachtet so:

1. Der Taxi-Ruf

Der Fahrgast bestellt ein Taxi per Knopfdruck und sieht sofort, wie lange das Auto noch bis zum Abholort brauchen wird. Außerdem kann der Kunde das Auto auf der Landkarte verfolgen und erkennt, wenn es Verzögerungen gibt.

Taxibranche vs. myTaxi – die Fakten

Vorteil für den Gast: Er steht nicht blöd an der Straße herum. Wie bestellt und abgeholt. Eine Demütigung weniger im Leben.

Vorteil für den Fahrer: Er steht nicht blöd auf der Straße herum. Fahrer berichten: Die Wartezeiten sind kürzer geworden, weil die Kunden pünktlich rauskommen. Was für ein Team!

Dazu kommt, dass sowohl Fahrgast als auch Fahrer beim Vermittler wie MyTaxi erfasst sind. Der Fahrer kennt den Namen des Kunden, der Kunde neben Namen sogar die Autonummer des Fahrers in spe. Sich in der Sicherheit der Anonymität daneben zu benehmen und den anderen zu versetzen, ist also für beide nicht möglich. Einziger Knackpunkt: Kunden können Anfragen wieder kostenlos stornieren, während der Fahrer auf dem Weg zur Abholung ist. "Das nutzen ein paar Idioten aus für Späße und stornieren, wenn sie auf der Karte sehen, dass wir kurz vor der Ankunft sind", klagte mir noch vorgestern ein Fahrer sein Leid. Aber das seien Ausnahmen. Das darf sich halt nur nicht als Volkssport rumsprechen. Sonst ist die neue Lebensfreude in der Branche schnell wieder flöten.

So funktioniert Taxifahren heute

2. Die Fahrt

Meist gehen die Fahrten schon gut gelaunt los. Alles andere wäre seit Neuestem nämlich geschäftsschädigend.

Denn Fahrer, die pampig sind, saumäßig rasen, herumbummeln, Umwege fahren, zum Gepäck einladen nicht aussteigen, nach Rauch oder Zwiebeln stinken, mit einem gammeligen Auto anrücken oder die ganze Zeit mit dem Handy am Ohr herum gurken, müssen mit der Rache des Kunden rechnen. Und diese Rache per App hat zwei Stufen.

Stufe 1: Das Trinkgeld. Das kann bei MyTaxi per Knopfdruck gnadenlos verweigert werden. Das sieht der Fahrer dann noch, bevor der Fahrgast aussteigt. Bäng!

Stufe 2: Die Bewertung des Fahrers und des Autos. Das kann auch erledigt werden, wenn der Fahrer schon wieder weg ist. Für das Nachtreten aus sicherer Distanz.

Vorteil für den Kunden: Liegt auf der Hand. Denn aus dieser frisst einem jeder Fahrer, der weiß, wie wichtig ein guter Ruf mit vielen Sternen im Internet ist. Mehrere negative Bewertungen bedeuten faktisch eine Berufsunfähigkeit in der MyTaxi-Welt. Deshalb das neue MyTaxi-Lächeln.

Vorteil für den Fahrer: Mit einem sympathischen Auftreten und einem schicken Auto hat man endlich einen Vorsprung vor der Konkurrenz. Es zählt nicht mehr nur allein, wer zufällig in der Nähe ist. Die Kunden können gnadenlos sieben. Fahrer mit Dienstleistungsbewusstsein erleben hier eine Goldgräberstimmung.

In diesen Städten fahren die besten Taxis
BerlinFehlende Hinweise auf die Fahrtarife, schlecht ausgefüllte Quittungen und zu lange Fahrtstrecken sind die größten Mängel, die der ADAC beim Taxi-Vergleich in acht deutschen Großstädten festgestellt hat. In der deutschen Taxilandschaft gibt es mehr als 800 Tarife, die von Stadt zu Stadt unterschiedlich und für Verbraucher nur schwer zu durchschauen sind. So variierte der Fahrpreis beim ADAC-Test für eine sieben Kilometer lange Fahrt inklusive fünf Minuten Wartezeit und ein Gepäckstück von 16,10 Euro in Dresden bis zu 19,90 Euro in Hamburg. Berlin schloss bei drei der fünf Fahrten „gut“ und bei zweien „ausreichend“ ab – ein „befriedigend“ analog zum Schulnotensystem gab es allerdings nicht. Quelle: dpa
DresdenAlle Testrouten wurden im März und April von zwei verschiedenen Testern unter der Woche zweimal nachts und zweimal tagsüber befahren. Start- und Zielpunkte waren dabei stets identisch. Die Tester waren mit Trolley und Business-Kleidung unterwegs, um den Eindruck eines ortsfremden Geschäftsreisenden zu erwecken. Mit einem mitgeführten GPS-Gerät zeichneten sie die jeweils gefahrenen Strecken auf, die im Nachhinein mit den von den Taxizentralen eingeholten Idealstrecken abgeglichen wurden. Dresden kann in diesem Punkt als Vorbild gelten, bei der Routentreue gab es bei allen Fahrten ein „sehr gut“. Zum Teil kräftige Abzüge gab es allerdings teilweise bei Fahrer und Fahrzeug. In vier Fällen reicht es in der Endabrechnung noch für ein „gut“, ein einem aber nur ein „mangelhaft“. Quelle: dpa
Frankfurt am MainIn jeder Stadt waren die ADAC-Tester auf fünf typischen und vergleichbaren Routen unterwegs: Flughafen – Hauptbahnhof, Hauptbahnhof – Hotel (1 bis 2 Kilometer), Zentrum – Stadtrand (3 bis 5 Kilometer), Stadtrand – Sehenswürdigkeit im Zentrum (5 bis 7 Kilometer) und Oper – Restaurant (3 bis 5 Kilometer). Jede der genau definierten Teststrecken wurde von zwei verschiedenen Testern unter der Woche jeweils einmal tagsüber zwischen 6 und 22 Uhr außerhalb der Hauptverkehrszeit (7.30 bis 9 Uhr, 16.30 bis 19 Uhr) und einmal nachts zwischen 22 und 6 Uhr getestet. Start- und Zielpunkt waren dabei immer identisch. Jede der fünf Routen in jeder der acht Städte wurde also vier Mal befahren – macht 160 Einzelfahrten.  In Frankfurt war das Bild sehr geteilt: Zwei Fahrten (Innenstadt – Bornheim und Flughafen – Hauptbahnhof) bekamen sein „sehr gut“, zwei Fahrten fielen mit „sehr mangelhaft“ komplett durch. Auf den Strecken vom Hauptbahnhof zu einem Hotel und von der Alten Oper zu einem Restaurant bekamen sowohl die Fahrer als auch die Routentreue die schlechtmöglichste Note. Die Routentreue fließt zu 50 Prozent in die Bewertung ein, der Fahrer zu 30 und das Fahrzeug zu 20 Prozent. Auszüge aus den Testnotizen: „Unpassend gekleidet und leicht angegammelt fährt er den ADAC-Tester in Frankfurt am Main von der Alten Oper zum Restaurant Carmelo Greco. Die eigentlich rund drei Kilometer lange Strecke dehnt er auf mehr als fünf Kilometer aus und macht damit einen Umweg von satten 73 Prozent. Kein Wunder: er kennt das Fahrziel nicht. Dennoch fährt er los – und hantiert während der Fahrt am Navi. Dabei überfährt er prompt eine rote Ampel.“ Quelle: dpa
HamburgIn Hamburg bekamen alle Fahrtstrecken bei der Routentreue eine „sehr gute“ Bewertung. Insgesamt reicht es aber nur zu „guten“ oder „ausreichenden“ Gesamtnoten. Auch die Fahrzeuge waren größtenteils in Ordnung. Abzüge gab es allerdings, weil sich Fahrer auf der 1,6 Kilometer langen Strecke vom Hauptbahnhof zum Hotel „Alte Wache“ weigerten, die Fahrt anzunehmen: „Die kurze Strecke lohnt sich nicht.“ Auch bei anderen Fahrten war die Kommunikation mangels ausreichender Deutschkenntnisse schwierig oder es lag – nicht wie vorgeschrieben – die Betriebserlaubnis des Taxifahrers aus. Quelle: dpa
HannoverDie vier Kilometer lange Strecke von der Staatsoper zum Restaurant „Die Insel“ bringt Hannover die beste aller Bewertungen ein: Fahrer „ausreichend“, Fahrzeug und Routentreue jeweils „sehr gut“. Besser schneidet keine andere Stecke ab. Zu der erwähnten „sehr guten“ Fahrt kommen drei „gute“ und eine „ausreichende“ Strecke – ergibt das beste Resultat aller bis jetzt aufgeführten Städte. Quelle: dpa
KölnIn Köln lässt es sich gut Taxi fahren. Vier Mal „gut“ und ein „ausreichend“ notiert der ADAC für die Domstadt. Der Grund für das „ausreichend“: Wieder weigerte sich ein Fahrer, die Kurzstrecke vom Hauptbahnhof zum Hotel „Savoy“ (1,3 Kilometer) anzunehmen. Quelle: dpa
MünchenDie bayerische Landeshauptstadt ist – neben Dresden – die einzige Stadt, in der ein Fahrer als „gut“ bewertet wurde, und zwar auf der Strecke von der Bayerischen Staatsoper zum Restaurant „Tantris“. Abgesehen von diesen beiden Ausnahmen gab es bundesweit nur die drei schlechtmöglischten Noten für die Fahrer, ein „sehr gut“ fehlt komplett. Allerdings gab es auch in München bei der Kurzstrecke Fahrer, die die Gäste abwiesen, was mit „sehr mangelhaft“ bewertet wurden. Dafür hielten sich die Fahrer, die den Auftrag annahmen, ausnahmslos perfekt an die kürzeste Route. Insgesamt gab es in München drei „gut“ und zwei „ausreichend“. Quelle: dpa

3. Die Bezahlung

MyTaxi bietet dem Kunden voreingestellt als Vorschlag drei Trinkgeld-Buttons: 10 Prozent, 15 Prozent, 20 Prozent.

Vorteil für den Fahrer: Während 20 Prozent ja schon einem Heiratsantrag gleichkommen, ist auch 15 Prozent noch ganz ordentlich. Eine Fahrt von 18 Euro 70 wird so nicht etwa auf 20 Euro aufgerundet, sondern auf satte 21 Euro 50. Die über Jahre hinweg eher üblichen 7 bis 10 Prozent sind hier schon auf 10 Prozent angehoben - der niedrigste Geiz-Button. Wenn man bedenkt, dass MyTaxi mittlerweile nur noch 7 Prozent fixe Provision von den Fahrern verlangt, kann eine Fahrt mit solchen Trinkgeldern durchaus attraktiv werden. Ganz davon abgesehen, dass die App den teilnehmenden Fahrern ohnehin zusätzliche Fahrten vermittelt, zum großen Teil solche mit Geschäftsreisenden.

Vorteil für den Kunden: Kein Wechselgeld-Theater ("Kleiner hammses nich?") Wer die Quittung einreichen kann und nicht auf den Cent achten muss, ist mit zwei Klicks und einem Wisch schnell wieder raus aus dem Auto. Die Quittung kommt per E-Mail und kann direkt an die Buchhaltung weitergeleitet werden. Ohne Zettelkram. Wer die Trinkgeldsumme unter 10 Prozent senken möchte, muss allerdings null Prozent geben.

Das Faszinierendste jedoch hat Vorteile für Fahrer und Kunden: Das Taxi-Fahrvergnügen. Das ist zwar ganz eigennützig motiviert. Das Tolle ist aber der psychologische Kniff: Ist der Fahrer netter (egal warum), ist auch der Kunde besser drauf. Und ein gut gelaunter Kunde hebt die Stimmung beim Fahrer. Eine wahre Aufwärtsspirale der guten Laune. Wegen einer popeligen App!

Neulich fuhr ich in einem MyTaxi-Wagen durch Berlin. Der Fahrer roch nach Schweiß, dass es mir fast die Tränen in die Augen trieb. Sollte ich was sagen? Nein, lieber nicht. Nicht, dass er vor peinlicher Berührung die Kontrolle verlor. Ich öffnete das Fenster. Am Ende der Fahrt poppte in der App ein Feld auf: "Nachricht an den Fahrer". Sollte ich ihm von seinem Hygieneproblem schreiben? Aber wäre es persönlich nicht anständiger gewesen? Ich Feigling. Ich verachtete mich für mein fehlendes Rückgrat und gab dem armen, arglosen Fahrer zum Ausgleich fünf von fünf Sternen. Ich wollte nicht nur ein schwacher, sondern dann auch ein milder Richter sein.

So funktioniert Taxifahren heute.

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