Werner knallhart

Lufthansa-Piloten haben Komplexe

Früher galten Lufthansa-Piloten als Könige der Lüfte, heute sprechen sie Streiks mit der Lokführer-Gewerkschaft ab. Der Ruf des Piloten ist verblasst - zurecht.

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Viel Geld und Ansehen. Früher konnten sich Piloten sicher sein, das zu bekommen und zu bedienen. Heutzutage sind sie die Lokomotivführer der Lüfte Quelle: dpa

Man muss sich das mal vorstellen: Die Lufthansa will das Mindestalter für die Frührente ihrer Piloten steigern. Schrittweise. Von 55 auf 60. Im Durchschnitt sollen die Piloten mit 61 Jahren aufhören. Derzeit liegt der Schnitt bei gerade einmal bei knapp 59 Jahren. Arbeiten bis über 60? Das können aus Sicht der Lufthansa-Piloten ja gerne die Weicheier anderer Branchen machen: Krankenpfleger und Kindergärtnerinnen zum Beispiel. Die sind ja bei der Arbeit keiner tödlichen Strahlung aus dem Weltall ausgesetzt.

Dauernd mit Streik zu drohen, kann also nichts schaden. Nicht, dass noch die traumhaften Regelungen aus den goldenen Zeiten der Fliegerei aus der Mitte des verstrichenen Jahrhunderts verschwinden.

Kaum Ansprüche an Piloten

Ist es ihr überdurchschnittlicher Intellekt, weshalb man den Piloten die Welt zu Füßen legen sollte? Die Lufthansa wirbt im Internet wie folgt um den Pilotennachwuchs:

"Es ist leichter als Sie vermuten! Sie haben Spaß an Mathe, Englisch, Physik auf dem Level der achten bis elften Klasse? Prima. Wir erwarten nicht, dass Sie in diesen Fächern Leistungskurse belegt haben. Ganz gleich, ob es um Raumorientierung, Merkfähigkeit, Wahrnehmungsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeitskapazität, Psychomotorik oder Mehrfacharbeit geht. Sie müssen in allen Bereichen auf einem gut durchschnittlichen Level fit sein." Immerhin: Die Lufthansa setzt auf eine "ausgeprägte emotionale Stabilität".

Mit anderen Worten: Wer weiß, dass "Mayday, Mayday" kein Jauchzer über einen herrlichen Frühlingstag ist, wer sich noch erinnert, dass eine negative Zahl nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeutet, wer sich merken kann, dass man besser keinen Kontakt zum Fußboden haben sollte, wenn man eine Stricknadel in die Steckdose steckt, wer nicht gleich einen Tobsuchtsanfall bekommt, wenn der Kollege beim Zuprosten über dem Atlantik keinen Augenkontakt hält, der kann gerne Pilot werden. Mit einem satten Gehalt. 

Schon ein Ko-Pilot verdient in den ersten Berufsjahren 8500 Euro brutto pro Monat. Ein Lokführer kommt nach 25 Berufsjahren auf rund 3000 Euro Monat plus Zuschlägen.

Was Piloten bei Lufthansa, Condor & Co. verdienen
Pilot müsste man sein: Die ganze Welt sehen und dafür noch ordentlich Geld bekommen. Doch Pilot ist nicht gleich Pilot. Zwischen den einzelnen Fluggesellschaften gibt es ein deutliches Preisgefälle. Laut Pilotenvereinigung Cockpit bekommt ein Erster Offizier oder Kopilot anfangs ein Monatsgehalt zwischen 1500 Euro und 5000 Euro brutto. „Ein Kapitän – das wird man nach etwa 3 bis 20 Jahren als Erster Offizier – erhält je nach Luftverkehrsgesellschaft ein Anfangsgehalt zwischen 3000 Euro und 10.000 Euro“, so die Gewerkschaft. Quelle: dpa, Handelsblatt, Unternehmen Quelle: dpa
RyanairDie Piloten des irischen Billigfliegers gehören im Vergleich eher zu den Niedrigverdienern der Branche. 25.000 Euro bezahlt Ryanair seinen Kopiloten zu Beginn. Flugkapitäne ab dem 12. Berufsjahr erhalten anfangs 53.000 Euro. Ihr Maximalgehalt beläuft sich auf 85.000 Euro. Quelle: dpa
Air BerlinDie zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft zahlt seinen Kopiloten zum Einstieg 45.000 Euro. Piloten bekommen bei Air Berlin zu Beginn 80.000 und in der Spitze bis zu 115.000 Euro. Quelle: dpa
Condor5050 Euro bekommt ein Condor-Kopilot zum Einstieg im Monat. Das macht eine jährliche Gesamtvergütung von 60.600 Euro. Ein Kapitän verdient zunächst 8700 Euro im Monat beziehungsweise 104.400 Euro im Jahr. In der Spitze kann sein Gehalt auf 135.600 Euro klettern. Quelle: dpa
British AirwaysDas Einstiegsgehalt der BA-Co-Piloten liegt bei 61.000 Euro. Piloten ab dem 12. Berufsjahr erhalten zunächst 77.000 Euro im Jahr. Im Laufe der Zeit kann ihr Gehalt auf bis zu 181.000 Euro steigen. Quelle: REUTERS
LufthansaLufthansa-Kapitäne gehören zu den Bestverdienern und können in der Spitze ein Jahresgehalt von bis zu 255.000 Euro bekommen – Zulagen inklusive. Schon zum Einstieg verdient ein Erster Offizier / Kopilot rund 55.500 Euro, mit Zulagen bis zu 73.000 Euro. Das Einstiegsgehalt eines Flugkapitäns ab dem 12. Berufsjahr beträgt 120.000 Euro. Quelle: dpa

Eine Friseurlehre dauert drei Jahre - und am Ende winkt der Mindestlohn. Die Pilotenausbildung dauert gut zweieinhalb Jahre. Und da geht vermutlich die meiste Zeit damit drauf, mit sonorer Dandy-Stimme nuschelnde Ansagen zur Wettervorhersage am Ankunftsort zu üben.

Langeweile über den Wolken

Dein Pilot, der gut durchschnittliche Normalo ohne Psychotick und mit extra viel Sitzfleisch, möchte gerne schon mit 55 aufs Altenteil. Liegt es womöglich an der ungewöhnlichen Arbeitsbelastung?

Ein 31-jähriger Ko-Pilot gestand jüngst gegenüber "Spiegel Online" anonym seinen Arbeitsalltag: "Nach dem Start schalten wir in den Vollautomatikmodus und damit, bei gutem Wetter und ruhiger Luft, in die Langeweile. Und wenn wir über dem Atlantik sind, senden wir einmal pro Stunde eine Nachricht. Das war's." Ein durchschnittlicher Teenager sendet heute pro Minute schätzungsweise vier Nachrichten.

Das soll sich bei der Lufthansa verändern

Während sich in anderen Berufen die Menschen ihre Rücken krumm rackern, scheint das Problem bei den Piloten vor allem der Kampf gegen die Müdigkeit zu sein: "Irgendwann hat man alle Zeitschriften an Bord durch oder ist zu müde zum Weiterlesen. Klar haben wir auf dem Flug Ruhepausen. Aber richtig schlafen kann ich dann nicht, es ist laut, die Luft ist mies." 

Ist das nicht die gleiche Luft und der gleiche Lärm, der den zahlenden Passagieren zugemutet wird? Und zwar bei Lufthansa meist mehr als bei anderen Fluggesellschaften. Und was sollen da erst die Flugbegleiter sagen, die zwischen im Schlaf pupsenden Kunden leergesoffene Bierdosen einsammeln müssen?

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