Werner knallhart
Lufthansas Geiz-Sandwich: Essen an Bord ist eh überbewertet Quelle: imago images

Lufthansas Geiz-Sandwich: Essen an Bord ist eh überbewertet

Da zahlen Lufthansa-Passagiere hunderte von Euro für einen Langstreckenflug und dann wird ihnen künftig ein Menü gestrichen, das die Airline fünf Euro kostet. Na und? Die Essensschlacht im Himmel ist sowieso ein verschwenderisches Relikt aus Zeiten als ein Flug noch Luxus war.

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Lufthansa ist und bleibt Premium. Der Beweis: Das neue Sandwich wird ein „wertiges“ Sandwich. Gut, „hochwertig“ wird es leider nicht. Aber eine Flugreise ist eben kein Wunschkonzert.

Lufthansa – Your Wertiges Sandwich Airline.

Hat was.

Und das ist wichtig, denn ich frage mich schon seit langem, wie ich die Fluggesellschaften noch auseinander halten soll außer am Zuschnitt und der Farbe der Stewardessen-Hüte.

Die bequemsten Sitzpolster, die am rabiatesten verbiegbaren Kopfstützen oder die neuesten Monitore in der Lehne vor einem – all das geht bei all den ganzen Flugzeugtypen pro Airline doch total durcheinander. Da ist die eine Airline gerade am Umstellen, da ist die andere gerade innenarchitektonisch ganz vorne, plötzlich schon wieder veraltet und eine andere lässt den Flug über einen Partner einer anderen Fluggesellschaft „operaten“. Ein undurchschaubares Glücksspiel. Den beständigsten Wiedererkennungswert hat da tatsächlich das Essen an Bord. Ist das nicht verrückt? So als würde man eine Opernpremiere danach beurteilen, wie lange man an der Garderobe warten musste.

Das mit dem Flug-Catering als Maßstab ist letztendlich die Schuld von uns Passagieren. Weil wir uns im Bestreben, dem langweiligen Flug irgendetwas Besonderes abzugewinnen, an jede einzelne Kalorie klammern, die wir in der Kabine abfangen können. Das Schokoladenherz beim Aussteigen wird am Ende der Grund sein, warum wir Air Berlin niemals vergessen werden. Ein Cent-Artikel.

Ich habe mal einen Freund gefragt: „Wie war der Flug mit Emirates?“ Und er sagte: „Die hauen da diese teuren Butterkekse von Walkers raus.“ Ein Keks für einen Supermarkt-Stückpreis von rund 45 Cent veredelt den 1000-Euro-Flug.

Und ich ticke da ja genauso. Air France hat jüngst in der Economy keinen Champagner ausgegeben. Und ich denke: Toll, wozu soll ich dann noch mit den Franzosen fliegen?

In zehn Kilometer Höhe sticht der Blick auf den Trolley im Mittelgang den Blick aus dem Fenster.

Und da wagt es die Lufthansa und posaunt mutig in die Welt: Ab Ende November wird auf der Fernstrecke in der Economy die zweite der beiden warmen Mahlzeiten auf ein „wertiges Sandwich“ umgestellt. Ich stelle mir die Lufthansa-internen Diskussionen im Vorfeld vor: „Leute, wir brauchen eine Entscheidung zu diesem dämlichen Sandwich. Soll es ein popliges werden oder ein wertiges? Los, Meinungen!“

Lufthansa nennt die Umstellung auf kalte Küche nicht Sparmaßnahme, sondern „Weiterentwicklung“. Das ist schon eine grenzwertige Kommunikationsstrategie, weil sie hart an Kundenverhöhnung entlang schrappt. Es wäre doch für die Airline jenes Landes, dessen wertvollster Rohstoff die schlauen Köpfe sind, redlich gewesen, etwas zu sagen wie: „Laut Marktforschung können wir uns diese neue Service-Kerbe erlauben, weil den Kunden die zweite warme Mahlzeit kurz vor der Landung offenbar nicht sooo wichtig ist, dass sie uns deswegen in Massen den Rücken kehren.“

Stattdessen sagt Lufthansa, viele Fluggäste wollen die zweite Mahlzeit gerne mit aus dem Flugzeug nehmen. Und da sei das Sandwich eben praktischer. Ach Gottchen. Was für ein glücklicher Zufall, dass dieser Kundenwunsch, von seiner Airline auch noch mit Snacks fürs Taxi versorgt zu werden, die Lufthansa billiger kommt!

Hätte die Lufthansa gesagt: „Kinners, lasst uns zusammen dieses alberne Minimenü-Aluschalen-Joghurtbecher-Gemetzel kurz vor der Landung einsparen. Putzt euch lieber in Ruhe die Zähne“, ich wäre sofort auf deren Seite gewesen.

Denn: Es heißt, über den Daumen gepeilt kostet eine Mahlzeit die Fluggesellschaft in der Economy fünf Euro. Ein Flug von Frankfurt nach Los Angeles und zurück Mitte Dezember kostet auf dem Lufthansa-Buchungsportal in der Economy zurzeit rund 900 Euro. Wird nun in der Economy vom zweiten warmen Menü auf „wertiges Sandwich“ umgestellt (was mag das kosten? Vielleicht ein Euro?), dann entgeht uns bei einem Flugpreis von 900 Euro Essen im Wert von rund vier Euro. Grund zum Ausflippen oder Umbuchen?

Gucken wir mal an, was uns da entgeht: eine Einwegschale mit einem Stück „Chicken“ in der Größe eines halb leeren Päckchens Tempos, ein Viertel geschmortes Karöttchen und ein Knubbel Brokkoli, ein Löffel Krautsalat mit einem Ministräußchen Petersilie, ein trockenes Brötchen in der Größe einen Golfballs und knallharte Butter, ein streichholz-schachtelgroßes Stück Sahnetorte Typ Tiramisu oder ein Mikro-Obstsalat mit zwei Stücken grüner Melone, zwei Trauben und einer Scheibe Orange in Form eines Stoppschilds.

Für Ikea-Family-Mitglieder gibt es sowas in unseren Gewerbegebieten für 1,50 Euro inklusive Kaffee-Refill.

Das Flugzeug-Essen ist zwar gut genießbar und diese Puppenstuben-Menüs sind witzig gemacht. Ich staune immer über die feingliedrige Logistik. Und vor allem darüber, dass sich dieser enorme Aufwand in der Luft lohnt. Und lerne nun: Er lohnt sich eben nicht.

Können wir nicht drauf verzichten? Seien wir ehrlich zu uns selber. Mit Hunger hat das nicht viel zu tun. Es geht um das Ritual „Essen über den Wolken“. Das letzte bisschen Economy-Extravaganz schlägt so herrlich die Zeit tot. Sobald die Trolleys im Gang auftauchen, beginnt die persönliche Wann-krieg-ich-mein-Tablett-Phase von bis zu zwanzig Minuten. Dann kommt die Verzehrphase von rund zehn Minuten mit Folien-Gefummel, Gestocher, Aluminium-Gefalte, direkt gefolgt von der Warum-bekomm-ich-das-Getränk-nicht-zum-Essen-Frust-Phase von weiteren zehn Minuten. Dann schließlich das Tablett-kann-weg-und-ich-komm-hier-nicht-raus-Intervall von bis zu 45 Minuten. Damit sind mit einer Mahlzeit rund anderthalb Stunden totgeschlagen. Da kann ein Sandwich nicht mithalten, so wertig es auch sein mag.

Aber Zeitvertreib mit einem solchen Brimborium? So können wir doch im 21. Jahrhundert nicht mit Lebensmitteln umgehen. Was da an Essen und Verpackungen weggeschmissen wird.

Mein Vorschlag: Wem in der Luft langweilig ist, der lädt sich vorher ein paar Netflix-Episoden mehr aufs Tablett. Wer Hunger hat, isst das Sandwich. Wer das Alu-Gefummel braucht, der ordert 48 Stunden vorher online ein Spezialmenü und zahlt zehn oder zwanzig Euro drauf. Und als herzliche Geste an alle, die einfach nur etwas Warmes im Bauch brauchen: Liebe Lufthansa, haltet doch abends ein paar Becher Fünf-Minuten-Terrine (Nudeln und Kartoffelbrei) und morgens Frühstücks-Haferbrei bereit. Für faire ein, zwei Euro. Heißes Wasser drauf, umrühren und fertig. Airlines wie Easyjet machen es vor.

Ein Lufthansa-Flug von Deutschland nach Los Angeles dauert knapp zwölfeinhalb Stunden und gehört zu den längsten Flügen. Im normalen Leben am Boden essen wir doch auch nicht immer innerhalb eines halben Tages zweimal warm. Da tut es doch auch mal ein wertiges Sandwich. Stichwort: Abendbrot.

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