Ich habe erst einmal in meinem Leben etwas bei einem Preisausschreiben gewonnen. Und das waren Restaurant-Gutscheine für Nordsee. Das muss so 1985 gewesen sein. Wir wohnten damals im ostfriesischen Aurich. Meine Mutter erstickte meine Glückseligkeit direkt am Briefkasten: "Das nächste Nordsee ist in Wilhelmshaven, glaube ich. Da kommen wir so schnell leider nicht hin."
Sie hatte Recht. Und die Gutscheine verfielen. Nordsee blieb für mich ein ferner Traum. So wie McDonald's und BurgerKing. Sowas gab es damals in Aurich einfach nicht.
Das beklemmend Faszinierende ist: Wenn ich wollte, könnte ich meine Sehnsüchte aus der Kindheit heute jederzeit in praktisch jedem Gewerbegebiet auf der grünen Wiese stillen. Und das mit annähernd den gleichen Produkten wie früher. Die Fastfood-Ketten haben zwar expandiert, aber den Sprung ins 21. Jahrhundert haben sie verschlafen.
Die größten Fast-Food-Ketten nach Umsatz 2013
Umsatz: 174,3 Millionen Euro
Umsatz: 180 Millionen Euro
Umsatz: 192 Millionen Euro
Umsatz: 192,2 Millionen Euro
Umsatz: 233 Millionen Euro
Umsatz: 291,6 Millionen Euro
Umsatz: 600 Millionen Euro
Pachtbetriebe der Tank & Rast
Umsatz: 753 Millionen Euro
keine gastronomietypische Absatzsituation
Umsatz: 880 Millionen Euro
Umsatz: 3,1 Milliarden Euro
Food-Service. Untersucht wurden die größten Unternehmen der Systemgastronomie in Deutschland anhand des Umsatzes.
Und so übernehmen etwa in Deutschland coole junge Fastfood-Start-ups die Deutungshoheit über alles, was mal Fastfood war. Und die Riesenketten hinken blamiert hinterher. Wenn es bei denen auch mal was Neues gibt, dann gibt es das bei denen eben nur "auch".
Nordsee könnte es da einfacher haben. Fisch ist für die meisten Restaurant-Konkurrenten offenbar ein zu heißes Eisen. Denen fällt höchstens mal ein Filet-o-Fish ein. Ein viel zu teurer McDonald's-Fischburger, der wirkt wie ein ungeliebtes Hammwa-auch-Nischenprodukt.
Aber anstatt dass Nordsee auf exklusiven Genuss mit Fisch setzt, auf den anderen Lifestyle für Kenner, haben sie sich vor vielen Jahren entschlossen so zu sein, wie eine amerikanische Burgerbude - nur mit Fisch. Bei Nordsee gibt es Kindermenüs mit Spielsachen wir bei McDonald's und der Fisch kommt mit Beilage und einem billigen Softdrink.
Frittierter Fisch mit Cola. Das ist das, was man sonst auf der Kirmes mühsam bei sich zu behalten versucht, wenn man den Looping nicht vertragen hat. Aber zum gemütlichen Lunch mit Kollegen in der Mittagspause will man das im Jahr 2015 eher nicht.
Das hat man bei Nordsee auch verstanden. Und versucht sich mit einem Markenwandel. Zitat Nordsee: "Im Fokus steht die neue Markenpositionierung zwischen Tradition, Natürlichkeit und Innovation". Das knallt rein, da geh ich hin, da will ich essen.
In der Praxis heißt das: Nordsee läuft dem Trend nach. Weniger Frittiertes, mehr Gesundes. Sogar mehr Veganes, also ohne Fisch. Man reagiert halt.
Aber einem vertraut man bei Nordsee offenbar nicht mit ganzem Herzen: dem eigenen Fisch. Schon vor Jahren hat Nordsee nachgedacht und dann lag plötzlich in Plastik abgepacktes Sushi im Kühlregal. Das wirkt, als hätte eine Marktforschung ergeben: Kunden denken bei Nordsee an Japan. Deshalb Sushi.
Aber ich glaube, das war anders. Nordsee glaubt, dass Fisch ein Imageproblem hat, außer Sushi. Also her damit.