Werner knallhart

John Reed Fitness Clubs: Die Schickimicki-Muckibude

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Nur eine Illusion

Während McFit bisher alles dem Sport untergeordnet hat, scheint John Reed mit allen Mitteln davon ablenken zu wollen, dass der Laden ein Gym ist. Und das Sammelsurium an Deko-Artikeln wirkt irgendwie nicht verschmolzen, sondern wahllos zusammengekauft.

Nehmen wir die neueste Filiale am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg. Da stehen Regale voller Bücherattrappen aus Kunststoff so nah an den Langhanteln, dass man Angst bekommt, sie bei einem Ausfallschritt mit der Stange umzureißen. Aber zum Glück ist die Requisite fest angeklebt oder angeschraubt.

Das, was da Individualität verströmen soll, ist offenbar im Multi-Pack eingekauft. Das Vasenmodell aus dem einen Regal findet sich auf dem Raumtrenner einige Meter weiter fest montiert wieder.

Da dienen Buddha-Statuen als Buchstützen. Die Statuen für solche Zwecke auszuführen, wäre Touristen im buddhistischen Thailand als Respektlosigkeit mittlerweile verboten. Über einem Buddha thront bei John Reed dann ein Plastikosterhase, der mit neongrünem Filz überzogen ist. Dieser wiederum stützt mit seinem Rücken Band 9, 4, 7 und 10 eines altertümlichen Nachschlagewerkes - eines unechten, zusammengeklebten, versteht sich.

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Die einst recht weitläufigen Umkleidekabinen sind nun regelrecht verrammelt mit kitschigen Möbeln. Auf alt getrimmte Kommoden im Ich-war-schon-mal-auf-Sri-Lanka-Design vor knalligen Tapeten mit kaleidoskopischen Motiven, die man am besten erst betrachtet, nachdem man sich festen Halt gesucht hat. Puffige Ledersofas in Hochglanzoptik verengen die Gänge. Und unter einem auf barock gemachten Spiegel steht ein Schrank, der auf einen meiner Freunde wirkt „als wenn die da drin frisch gebügelte Unterhosen für einen bereit legen.“ Aber das ist natürlich nur eine Illusion.

Antike Schränke und Wände sind mit Graffiti aufgepeppt. Weil wir ja hier in Kreuzberg sind. Man hört förmlich noch den Chef zum Sprayer sagen: „Sprüh da mal noch irgendwas hin.“

Im Foyer haben die Innenarchitekten sich dazu hinreißen lassen, eine Reihe von Butzenfenstern aufzubauen, die wohl aussehen sollten, als hätte man sie aus einem alten Strandhaus bei Long Island gerissen. Die versperren nun den Blick auf die Berge an prall gepolsterten Sofas im Stil einer Grand-Hotel-Lobby-Parodie im Eingangsbereich und wirken wie verschenkt, aber noch nicht abgeholt.

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Und über einer Sitzecke im Obergeschoss an der auf Safari-Lodge getrimmten Bretterwand hängen wie Trophäen die Schädel zweier Nashörner. Allerdings im kantigen Design einer Computerzeichnung aus den Siebzigerjahren. Und aus schwarzem Hochglanz-Kunststoff. Und dann diese Kronleuchter überall!

Das Irritierendste aber: Die Fake-Uhren. Einige sollen wohl Bahnhofs-Uhren aus der britischen Kolonialzeit in Indien sein. Sie sehen aber aus wie Laubsägearbeiten und zeigen irgendwelche Uhrzeiten an. Aber nur zweimal am Tag zufällig für je eine Minute die wahre. Ohne Uhrwerk ist offenbar exotischer/historischer/urbaner. Das muss man sich merken, sonst guckt man immer wieder drauf.

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