Werner knallhart

Radisson Blu spendet stolz einen halben Cent für Kinder

"Handtücher auf den Haken bedeutet: Bitte nicht waschen, ich benutze sie weiter." Die Hotelkette Radisson Blu behauptet sogar, nicht gewaschene Handtücher retten Kindern das Leben. Wie ist das bloß möglich?

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Zehn Dinge, die Hotels Ihnen nicht verraten
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„Wissen Sie, wie viele Tonnen Handtücher weltweit jeden Tag sinnlos gewaschen werden und wie sehr Waschmittel unsere Umwelt belasten?“

Jedes Mal, wenn ich mir diese Bad-Schilder beim Zähneputzen im Hotelzimmer durchlese, denke ich: Na, wie viele Tonnen sind es denn? Aber offenbar weiß das die Hotelbranche selber nicht. Zumindest schreibt sie es nicht dazu.

Und wer hält schon nach, wann ein Handtuch vom Hotelgast wirklich sinnvollerweise zum Waschen auf den Boden geworfen wird? Müffelt es schon? Oder hat der Gast einen Infekt und möchte im Doppelzimmer verhindern, dass Gast Nummer 2 versehentlich zum kontaminierten Handtuch greift?

Diese Rechte haben Sie als Gast
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Wir kennen ja die Berichte vom abgehetzten Reinigungspersonal. Mit dem Wattestäbchen Abstriche zu machen und die ins Labor einzuschicken, das wäre beim besten Willen einfach nicht zu leisten in der Kürze der Zeit. Deshalb gibt es offenbar keine belastbare Statistik zu sinnlos gewaschenen Handtüchern in Hotels.

Und deshalb müssen wir uns die Berge an Handtüchern einfach nur vorstellen: Wow, sind die hoch! Hoch und weiß und klamm. Viel weißer als die Berge an Lebensmitteln, die wir täglich weltweit wegschmeißen. Und viel klammer als die Berge an Plastikmüll, den die Menschheit täglich produziert.

Aber die Vorwürfe bekommen wir Hotelgäste ausgerechnet bei den Handtüchern gemacht.

Warum steht am Frühstücksbüffet nicht ein Schild: „Wissen Sie, wie viel klimaschädliches Methan das Rind ausgestoßen hat, bevor wir Ihnen dieses Roastbeef anbieten konnten?“

Warum hängt an der Sauna-Tür in der Wellnesslandschaft kein Zettel: „Wissen Sie eigentlich, wie viel Kohlestrom wir gerade verschwenden, damit Sie im Sitzen schwitzen können statt beim Joggen?“

Oder warum sagt einem der freundliche Rezeptionist beim Einchecken nicht direkt ins Gesicht: „Wären Sie mit der ganzen Familie zuhause geblieben, statt mit dem Flugzeug anzureisen, das hätte Ihren persönlichen CO2-Fußabdruck 2017 aber deutlich verkleinert, Freundchen“?

Warum nicht? Antwort: Weil es den Hotelbetreibern, wenn sie ganz tief in ihr Herz hinein fragen, doch wohl eher auch ums Geld geht als allein um den Umweltschutz. Sag ich jetzt nicht einfach so, sondern ich habe mal gerechnet.

Die Hoteliers könnten den Gästen die Hand reichen: „Lassen Sie uns gemeinsam die Umwelt schonen. Wenn Sie Ihr Handtuch drei Tage lang verwenden, legen wir Ihnen einen Gutschein für ein Glas Sekt in der Hotelbar aufs Kopfkissen.“ Tun sie aber nicht. Weil das vielleicht umweltfreundlicher, aber nicht billiger wäre.

Stattdessen setzen die Hotels auf das schlechte Gewissen der Gäste. Und da drückt die Hotelkette Radisson Blu auf die Tränendrüse, dass einem regelrecht die Augen ausfallen, wenn man nämlich liest, was dort auf dem Anhänger im Badezimmer geschrieben steht:

„Mehrfach verwenden & helfen Leben zu retten. 250 mehrfach verwendete Handtücher versorgen ein Kind mit ausreichend sicherem Trinkwasser zum Leben. Wählen Sie `mehrfach verwenden` und helfen Sie, Leben zu retten.“

Besser als nichts

Vor Entsetzen ist mir als erstes mein Handtuch auf den Boden gefallen. Es wird auf den ersten Blick suggeriert, das ersparte Wasser komme Kindern direkt zugute. Dabei ist natürlich klar: Wir können hier in Deutschland so viel Wasser sparen, wie wir wollen. Davon hat in Afrika kein Kind auch nur einen Schluck sauberes Wasser mehr zur Verfügung.

Erst im Internet versucht Radisson Blu die Behauptung mit Zahlen zu untermauern, dass Handtuch sparen Leben retten heißt. Radisson Blu rechnet vor:

Anteil von trinkbarem Wasser von allem Wasser auf der Welt: 1 Prozent.

Einer von neun Menschen weltweit hat keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser.

Ein Bade-Handtuch zu waschen, verbraucht 15 Liter Wasser.

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250 mehrfach verwendete Handtücher versorgen 1 Kind mit sicherem Trinkwasser zum Leben.

Die Rechnung kapiere ich zwar nicht. Aber Fakt ist: Radisson Blu kooperiert mit der britischen Initiative „Just A Drop“. Die wiederum sagt: Mit einem einzigen Britischen Pfund kann man die Trinkwasserversorgung eines Kindes für zehn Jahre sicherstellen.

Demnach entsprechen 250 Badetücher mehrfach verwendet einem Pfund.

Pro mehrfach verwendetem Handtuch spendet Radisson Blu demnach 0,004 Pfund, das entspricht etwa 0,5 Eurocent. Ich wiederhole:

Wenn Sie das Handtuch mehrfach verwenden, spendet Radisson Blu demnach einen halben Cent!

Die Größenordnung räumt auch die Berliner Rezeption im Radisson Blu nach Rückfrage bei der Hausdame ein: „Ja, null Komma irgendwas Cent pro Handtuch.“

Für diesen halben Cent führt das Radisson Blu in Berlin nach eigenen Angaben tatsächlich Buch und leitet am Ende des Monats an die Zentrale weiter, dass das Handtuch mehrfach verwendet wurde, damit der halbe Cent zusammen mit den anderen halben Cents gespendet werden kann.

Und auch, wenn das jetzt sehr, sehr großzügig finden: Geht so. In Berlin etwa kostet ein Liter Leitungswasser einen halben Cent. Nach Angaben von Radisson Blu verbraucht ein Waschgang pro Handtuch aber ja 15 Liter, kostet also 7,5 Cent allein fürs Wasser. Dazu kommen Kosten für Arbeitszeit, Logistik, Strom und Waschmittel. All das wird eingespart, wenn Sie Ihr Handtuch noch einmal verwenden. Gespendet werden davon 0,5 Cent.

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Besser als nichts. Aber wenn es Radisson Blu wirklich allein um die Kinder ginge, wie es die Werbung suggeriert, dann könnte doch alles durch die Gäste Ersparte, ausgelöst durch den Spruch „Helfen Sie, Leben zu retten“, komplett an „Just A Drop“ weitergegeben werden.

Wenn man sich das klarmacht, bekommt man doch richtig Lust, jeden Morgen nach dem Duschen im Radisson Blu erstmal das Handtuch auf den Boden plumpsen zu lassen. Aber tun Sie es nicht. Legen Sie besser eine 1-Cent-Münze auf den Waschbeckenrand, daneben einen Zettel: "Ich verdreifache die Spende."

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