Werner knallhart

Was die Deutsche Bahn von Amtrak lernen kann

Wer glaubt, die Deutsche Bahn sei mit ihrem legendären Service-Chaos im Bordrestaurant oder bei Verspätungen etwas Besonderes, der sollte mal mit Amtrak durch die USA reisen. Selbst die Durchsagen sind viel lustiger.

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Ein Zug der US-Bahn Amtrak passiert die Küste in Del Mar, Kalifornien Quelle: REUTERS

Eins vorab: Unsere 34-Stunden-Reise zu zweit mit dem Langstreckenzug Coast Starlight von Amtrak ab Los Angeles bis hoch nach Seattle war ein Traum. Der Blick auf vorbeiziehende Palmen-Strände, in der Sonne glitzernde Sümpfe, auf von Schnee bedeckte Berge, Seen, Flüsse, Ölfelder und Farmen lohnt die lange Reise mit Übernachtung an Bord ohne Frage. Aber genauso beeindruckend wie der Blick aus den Panorama-Fenstern des Salonwagens von weich gepolsterten Drehsesseln aus ist der Blick auf das Brimborium an Bord. Da kann sich die Deutsche Bahn noch eine dicke Scheibe von abschneiden.

Die Mitarbeiter der Deutschen Bahn widmen ihre Durchsagen im Wesentlichen der Begrüßung und Verabschiedung von ein- und aussteigenden Fahrgästen und den Hinweisen darauf, welche Anschlusszüge leider nicht warten können. Dem Restaurant widmen sie nur zwei Arten von Ansagen:

1. "Meine Damen und Herren, wir möchten Sie noch auf unseren gastronomischen Service an Bord hinweisen. Wie wäre es jetzt mit einem zweiten Frühstück..."

2. "Meine Damen und Herren, bitte beachten Sie: Aus technischen Gründen gilt heute im Bordrestaurant nur ein eingeschränktes Angebot."

Bei Amtrak ist das gerade umgekehrt. Zu Anschlusszügen gab es trotz einer 80-minütigen Verspätung zwischendrin in 34 Stunden nicht eine einzige Ansage. Denn es gibt in den USA schlicht keine Anschlusszüge. Dafür dröhnt über die anderthalb Tage lange Reise tagsüber alle fünf Minuten eine wichtige Durchsage zum Thema Essenfassen durch die silbernen Waggons. Das System mit dem Essen soll eigentlich wie folgt funktionieren:

Gäste der Schlafwagen-Abteile haben im stattlichen Fahrkarten-Preis von rund 600 Dollar sämtliche fünf Mahlzeiten inklusive (mit Getränken. Außer Alkohol. Und außer Trinkgeldern, wie das Personal immer wieder fleißig betonte). Frühstück, Lunch und Dinner können Sie entweder im Salonwagen (dem Parlour Car) oder dem Diner Car einnehmen. Der Parlour Car ist optisch exklusiver, bietet dafür aber ein etwas abgespecktes Angebot auf der Menü-Karte. Dann gibt es noch ein Café an Bord und ein Kino.

Bezieht man im Bahnhof von Los Angeles morgens um 10 Uhr seine Kabine, geht es los mit der Beschallung:

"Ladies and Gentlemen, Ihr Steward kommt gleich durch die Schlafwagen und nimmt Ihre Reservierungszeit für das Mittagessen auf. Bitte verlassen Sie deshalb nicht Ihre Kabinen und halten Sie die Vorhänge vor der Tür geöffnet. Wollen Sie Ihre Mahlzeit im Parlour Car einnehmen, legen Sie sich bitte vorab auf ein Essen fest. Im Diner Car bestellen Sie hingegen direkt am Tisch. Eine Reservierung ist aber trotzdem erforderlich."

Soweit der Plan. Ich ging also durch die Gänge der rumpelnden Waggons Richtung Abteil. Ach, da kam mir der Steward gerade entgegen. Ich fragte: "Darf ich eben schnell die Reservierung loswerden?"

"Sorry, Reservierungen nur im Abteil. Ich bin in zwei Minuten da."

Ich saß also Gewehr bei Fuß im weit aufgerissenen Schlafabteil und wartete auf unseren Steward. Nachdem der mich zwanzig Minuten später schließlich zunächst unter schallendem Gelächter für meinen schönen Vornamen lobte (er hieß übrigens selber Marcus mit c), fragte er mich nach unserer Wunschzeit. Wir wollten gerne schon um 12 Uhr essen - und zwar im eleganten Parlour. Das ging aber nicht mehr. 13 Uhr 30 war noch frei. Also gut, wir hatten ja noch ein paar Erdnüsse dabei. Wir setzten uns in die Plüschsessel im Salonwagen, tranken Kaffee und guckten verträumt aus dem Fenster.

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