Wie hart Unternehmen auf Zechpreller reagieren Immer mehr Deutsche kaufen, ohne zu bezahlen

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Geldeintreiben ist Taktarbeit

Markus Krummen Quelle: David Klammer für WirtschaftsWoche

"Big Brother" nennen einige der rund 220 Sirius-Mitarbeiter die Wählmaschine ihres Arbeitgebers, die dem Callcenter mit unbestechlicher Präzision den Takt vorgibt. Die unsichtbare Hand der Telefonanlage lotst jeden Anrufer automatisch zu der Kollegin, die gerade einen Schuldner verabschiedet hat. Geldeintreiben ist bei Sirius Taktarbeit. 120 000 Telefonate gehen jeden Monat durch die Drähte, 120 Gespräche schafft eine geübte Mitarbeiterin täglich, bevor sie zum Feierabend erschöpft das Headset abstreift. "Trotz dieser Fließbandmethode treffen unsere Leute individuelle Absprachen mit den Schuldnern", sagt Produktionsleiter Markus Krummen.

Der Ton, mit dem die Callcenter-Mitarbeiterinnen – bei Sirius ausschließlich Frauen – säumige Schuldner ansprechen, ist höflich, aber bestimmt. Sie löchern den Anrufer nach seiner finanziellen Situation und nageln ihn auf Termine für die Raten fest, mit denen er seine offenen Rechnungen abstottern soll. Halten sich die Kandidaten nicht daran, haken die Sirius-Mitarbeiter nach. Das Callcenter fährt Schichten, um auch abends bei den Schuldnern durchläuten zu können, wenn diese mit großer Wahrscheinlichkeit zu Hause erreichbar sind.

Geld durch Prävention

Die Sirius-Briefe zu ignorieren bringt den Schuldnern nichts. "Big Brother" läutet dann automatisch bei denjenigen durch, die bislang nicht reagiert haben. Um keinen Mitarbeiter unausgelastet in der Warteschleife zu lassen, stellt das System erst die Verbindung her, wenn der angewählte Schuldner tatsächlich abhebt.

Längst hat die Inkasso-Branche erkannt, dass sie auch mit Prävention Geld verdienen kann, statt Zechpreller erst nach Platzen der Rechnung zu verfolgen. Universum Inkasso aus Frankfurt ist stark in diesem Geschäft. "Gerade Online-Shops mit Prestigeprodukten brauchen ein hohes Maß an Risikoabsicherung", sagt Geschäftsführer Hermann Heinze. Vor allem Smartphones oder Tablet-Rechner, aber auch Markenparfüm oder Designersonnenbrillen zögen Betrüger und säumige Zahler an.

Detaillierte Prüfungen im Hintergrund

Um diese von ihrem Unwesen abzuhalten, durchleuchtet Universum die Kunden, ohne dass der Komfort bei der Bestellung leidet. So verlangen die Händler in ihren Orderschablonen von den Kunden, dass diese bei der Bestellung im Internet den Abgleich ihrer Personalien zulassen. Dann prüft Universum über seine Datenbanken blitzschnell, ob es den Besteller überhaupt gibt, ob er zuvor immer brav bezahlt hat und ob er sich die Ware leisten kann. Passen Name und Adresse des Kunden nicht zusammen oder entpuppt sich dieser als notorischer Zechpreller, wird der Kauf per Rechnung gar nicht erst angeboten.

"Wenn Kunden im Netz einkaufen, laufen im Hintergrund detaillierte Prüfungen, von denen sie nichts mitbekommen", sagt Ulrich Zabel von der Unternehmensberatung Steria Mummert. So kann es passieren, dass ein langjähriger Kunde nach einem Umzug plötzlich bei seinem Lieblingsshop im Internet im Voraus zahlen muss, obwohl dies zuvor problemlos per Rechnung funktionierte. Grund sind dann Informationen der angeschlossenen Wirtschaftsauskunft, die unter der neuen Postleitzahl des Bestellers viele Zahlungsausfälle registrierte.

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