Wöhrls Angebot für Air Berlin „Eine halbe Milliarde ist zu wenig“

Rudolf Wöhrl sorgt mit einer neuen Offerte für Air Berlin für Aufsehen. Nun erzählt der schillernde Investor, was er mit der notleidenden Linie vorhat. Was er plant und warum Insider das für weltfremd halten.

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Hans Rudolf Wöhrl bietet für Air Berlin bis zu 500 Millionen Euro. Quelle: dpa Picture-Alliance

Wer vor zwei Jahren mit Hans Rudolf Wöhrl sprach, erlebte einen Aussteiger, der abgeklärt Bilanz zieht. „Nach 35 Jahren habe ich genug“, blickte der heute 67-Jährige auf seine Engagements bei deutschen Luftfahrtunternehmen wie deutscher BA (DBA), GEXX, LTU oder Intersky zurück. Wer ihn damals nach Air Berlin fragte, erhielt eine fast mitleidige Reaktion: Die Linie sei eigentlich nicht zu retten. 

Das ist spätestens seit der Nacht zu Montag vorbei. Wöhrl, der bereits vor drei Wochen sein Interesse an Air Berlin verkündet und dann scheinbar zurückgezogen hatte, legte plötzlich nach. Eine Stunde vor Mitternacht schickte Wöhrls Beteiligungsgesellschaft Intro den Insolvenzverwaltern ein Angebot zum Kauf von Deutschlands zweitgrößte Fluglinie. Der Rest der Republik bekam eine recht detaillierte Pressemitteilung. Erarbeitet hat er das Konzept, mit dem er unter anderem der Lufthansa in die Parade fahren will, nicht allein. Hilfe kommt von anderen Investoren, deren Namen er noch geheim hält. Bestätigt hat Wöhrl hingegen die Mitarbeit der Münchner Insolvenzrechtskanzlei Gerloff und Liebler. 

Auf den ersten Blick ist das Angebot kaum zu schlagen. Wöhrl ist bereit, bis zu einer halben Milliarde auf den Tisch zu legen. Das ist ein Vielfaches von den bekannten Angeboten anderer Interessenten – und deutlich mehr als das, was Fachleute erwartet haben. Analysten wie Andrew Lobbenberg von der Investmentbank HSBC rechnen im günstigen Fall mit weniger als 200 Millionen Euro Erlös.

Zudem verspricht Wöhrl auch anderen Beteiligten bessere Konditionen. Er will als einziger bisher bekannter Bieter nicht nur Teile, sondern das ganze Unternehmen kaufen. Er verspricht, es nicht zu zerschlagen und will keine Leute entlassen. „Air Berlin wird bald wieder wachsen und braucht jeden Mitarbeiter“, so der Manager. Falls er Air Berlin weiter verkauft, wie zuvor DBA oder LTU, will er, so das Versprechen, der Belegschaft bis zu 100 Millionen Euro zusätzlich überweisen.

Gegenüber WirtschaftsWoche Online wirbt Wöhrl nun auch um die Gunst der Air-Berlin-Gläubiger. Während bei den anderen Investoren Schuldner und Anleihegläubiger wohl am Ende leer ausgingen, glaubt der Franke immerhin bis zu fünf Prozent, wenn nicht gar bis zu zehn Prozent der Außenstände in Höhe von 1,5 Milliarden Euro bedienen zu können. „Sonst stimmen die Gläubiger nicht zu“, so Wöhrl.

Die nötigen Erträge soll ein rascher Umbau der notleidenden Linie liefern. „Wir erwarten, dass wir bei Air Berlin bereits im Sommer 2018 keine Verluste mehr machen“, erklärt Wöhrl im Gespräch. Dafür sollen einerseits Kostensenkungen in Höhe von 500 Millionen Euro sorgen. Das sei in Verhandlungen mit Lieferanten leicht zu erreichen.

Die Chronik von Air Berlin

Gleichzeitig soll eine bessere Unternehmensführung die Einnahmen um 200 Millionen steigern. Denn, so Wöhrl, Air Berlin habe ja die vergangenen sechs Jahre kein wirkliches Management mehr gehabt, sondern sei aus Abu Dhabi vom Hauptaktionär Etihad in einen Schlingerkurs gesteuert worden.

Die nötige Sanierung will Wöhrl freilich bestenfalls in Teilen selbst machen. Stattdessen möchte er die Linie quasi besenrein übernehmen. Dafür hat er dem Insolvenzverwalter mit dem Kaufangebot eine Art To-Do-Liste geschickt, in der er seine Auflagen für einen Kauf formuliert. Hierzu zählt etwa, dass die Leasingraten für die Flugzeuge marktüblich sind. Damit müssten sie mindestens ein Drittel unter dem liegen, was Air Berlin heute für die Flugzeuge zahlt. 

Die spektakulärsten Airline-Pleiten
Mit Air Berlin hat die zweitgrößte Airline Deutschlands Insolvenz angemeldet. Die Pleite bahnte sich seit längerem an: Das Unternehmen mit rund 8.600 Beschäftigten schrieb seit Jahren Verluste und hielt sich hauptsächlich durch Finanzspritzen ihres Großaktionärs Etihad noch in der Luft. Am Freitag drehte die nationale Airline der Vereinigten Arabischen Emirate den Berlinern aber den Geldhahn zu. Mit dem Kredit von 150 Millionen Euro stellt nun der Bund den Flugbetrieb vorerst sicher. Quelle: dpa
Air Berlin ist kein Einzelfall. Die goldenen Zeiten der Luftfahrt sind seit der Liberalisierung des Marktes, die in den 1980er-Jahren einsetzte, vorbei. Seitdem regiert ein knallharter Wettbewerb die Lüfte. Auch die Branchenkrise nach den Anschlägen des 11. September 2001 und das Aufkommen der Billigflieger sorgen dafür, dass viele bekannte Airlines in die Pleite gerutscht sind. Quelle: dpa
Wie kein zweites Unternehmen stand „Pan Am“ für das glamouröse Jet-Zeitalter. 1927 flogen die ersten Postflugzeuge unter dem Namen zwischen Florida und Havanna. Schnell wurde das Unternehmen zu einer der größten US-Fluggesellschaften. Die Airline war eine der ersten, die Interkontinentalflüge anbot, und setzte zahlreiche Standards in der zivilen Luftfahrt. Das blau-weiße „meatball“-Logo von Pan American genießt bis heute Kultstatus. Quelle: imago images
In den 1980er-Jahren begann der Stern von Pan Am zu sinken. Durch die Deregulierung des US-Marktes kamen zahlreiche Konkurrenten auf. 1988 wurde über dem schottischen Lockerbie eine Maschine durch einen Terroranschlag zum Absturz gebracht, was das Vertrauen der Öffentlichkeit erschütterte. 1991 folgte die Übernahme durch Delta Air Lines. Quelle: imago images
Auch TWA gehörte zu den Pionieren der Luftfahrt. Gegründet 1930 als „Transcontinental and Western Air“, machte der exzentrische Milliardär Howard Hughes („The Aviator“) das Unternehmen zur zeitweise größten Airline der Welt. Hinter Pan Am war TWA die inoffiziell zweite Flaggschiff-Gesellschaft der USA. 1985 kaufte der Investor Carl Icahn TWA. Quelle: imago images
In den 1990er-Jahren musste TWA zwei Mal in kurzer Folge Gläubigerschutz beantragen. 1996 starben beim Absturz einer Boeing 747 über dem Atlantik 230 Menschen. Die stark geschrumpfte Airline kam 2001 wieder in finanzielle Schwierigkeiten und wurde von Konkurrent American Airlines übernommen. Quelle: picture alliance
1931 gegründet galt die Airline wegen ihrer finanziellen Stabilität lange als „fliegende Bank“. Aufgrund der politischen Neutralität der Schweiz konnte SwissAir zahlreiche lukrative Ziele in Afrika und im Nahen Osten anfliegen. Quelle: picture alliance

Wöhrls zweite Auflage an den Konkursverwalter sind niedrige Betriebskosten in anderen Bereichen. So erwartet er, dass Air Berlin pro Flugstunde deutlich weniger als 2000 Euro ausgibt. Dritter und letzter Wunsch ist, dass der Flugbetrieb keinen ungewöhnlichen Einschränkungen unterworfen ist wie etwa Zahlungsauflagen oder Grenzen bei der Zahl der Flüge und der Flugziele.

Dass die Insolvenzverwalter und ihre Helfer von der Beratung Roland Berger darüber nicht erfreut sind, ist Wöhrl offenbar klar. „Denen geht die Muffe, weil es nun schwerer wird, das Unternehmen zu zerteilen und die Stücke schnell der Lufthansa zuzuschustern“, heißt es in seinem Umfeld.

"Man merkt, Herr Wöhrl war bislang noch nicht im Datenraum"

Da unterschätzt Wöhrl freilich den Unmut der Sanierer. Denn aus dem Umfeld von Airline und der Insolvenzberater dringen deutlich sachlichere und beunruhigendere Töne. „Wöhrls Angebot kann am Ende nicht als seriös gelten“, so ein Insider. „Dazu ist es trotz der großen Ankündigung in der Presse am Ende einfach nicht detailliert und präzise genug.“ 

Die erste Hürde ist aus Sicht der Sanierer Wöhrls fehlende Kenntnis der Linie. „Man merkt, Herr Wöhrl war bislang noch nicht im Datenraum und kennt weder die Einnahmen noch Ausgaben oder die nötigen Details der Verträge mit Leasingfirmen, Gewerkschaften oder Flughäfen“, so der Insider. „Unter den Umständen kann keiner ein vernünftiges Angebot abgeben.“ 

Dabei bezweifeln Management und Insolvenzverwalter auch, ob Wöhrl ein Unternehmen mit 8000 Mitarbeitern und gut drei Milliarden Umsatz wirklich führen kann. „Er hat bei seinen bisherigen Engagements immer nur kleinere Linien gekauft und diese auch nicht wirklich grundsaniert, sondern bestenfalls halbgesund an andere verkauft“, kritisiert ein Branchenkenner. „Wo das nicht klappte, wie bei der Regionallinie Intersky, hat sie Wöhrl dann pleite gehen lassen.“ Für weiteren Druck sorge zudem, dass die Lage bei Air Berlin deutlich schwieriger sei als bei Wöhrls bisherigen Beteiligungen. 

Dazu gilt Wöhrl Angebot für ein Unternehmen, das es spätestens seit heute so gar nicht mehr gibt. Nachdem Lufthansa bereits 38 Maschinen mit Personal in einem Wet-Lease genannten Mietvertrag übernommen hat und sich dabei auch einen Teil der Mietverträge für die Jets sicherte, streicht Air Berlin zum Monatsende erneut weite Teile ihrer Langstreckenflüge, wie heute bekannt gegeben. Faktisch verschwindet der Bereich. 

Die Airline begründete den Schritt mit einer im Insolvenzverfahren "notwendig gewordenen Reduzierung der Langstreckenflotte“. Tatsächlich, so ein mit der Sache Vertrauter, hätten die Inhaber der Interkontinentalflotte einen Teil der Airbus-A330-Mietverträge sicherheitshalber gekündigt, um die gesuchten Jets ohne die bei einem möglichen Konkurs übliche Unterbrechung rasch an andere Airlines vermieten zu können. Hierzu wollte sich ein Air-Berlin-Sprecher nicht äußern. 

Schließlich erscheint den Verkäufern Wöhrls Angebot unzureichend, weil er zunächst nur 50 Millionen fest zugesagt habe und den Rest erst später bei einem Erfolg zahlen wolle. „Unter den Umständen gilt: Eine halbe Milliarde ist zu wenig“, erklärte der Insider. „Wir brauchen das ganze Geld – allein um den Überbrückungskredit der Bundesregierung schnell tilgen zu können.“ 

Das ist Air Berlin

Und zu guter Letzt bezweifeln die Sanierer, ob Wöhrls Betriebskonzept trägt. Er will Air Berlin aufteilen in ein auf Düsseldorf und Berlin beschränktes Liniengeschäft sowie einen Jetverleih, bei dem seine Maschinen für andere Linien fliegen. Das Liniengeschäft droht aus Sicht von Insidern zu klein zu sein und könnte wie zuvor Wöhrls DBA von größeren Wettbewerbern zerrieben werden. Sowohl in Düsseldorf als auch in der Bundeshauptstadt ist Air Berlin zuletzt geschrumpft und andere Linien haben die Lücken geschlossen. Auch das Mietgeschäft sehen Fachleute kritisch, weil hier enormer Preisdruck herrsche. 

Wöhrl selbst ficht das nicht an. Natürlich sei es schwer, in knapp vier Wochen ein Konzept zu erstellen. Und das „gegen einen monatelang schon im Vorfeld zwischen der Regierung und einem namhaften deutschen Konzern ausgearbeiteten Plan“, spielt Wöhrl auf das deutlich detailliertere Sanierungskonzept der Lufthansa an. Doch er verweist darauf, dass er bereits namhafte Investoren überzeugt habe. „Wie unsere Chance gegen mächtige Wettwerber aussehen? Keine Ahnung“, sagt der Manager und ergänzt: „Nur der Weg führt zum Ziel.“ 

Und wenn es am Ende nicht klappt mit Air Berlin, eine Sache ist Wöhrl sicher: Die Aufmerksamkeit der Flugbranche. „Und das war ihm ja auch nie so ganz unwichtig“, sagt einer, der ihn gut kennt.

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