In diesen Tagen schauen sie einen wieder an, die Kinder, die mit großen Augen zum Spenden bewegen sollen. Wenn Weihnachten naht, sitzt bei vielen das Geld etwas lockerer, nicht nur beim Geschenkekaufen. Zahlreiche Organisationen buhlen um Unterstützung.
Das Geschäft läuft. So stieg die Summe der Spenden allein in den ersten acht Monaten 2014 um 4,6 Prozent auf rund 2,7 Milliarden Euro. Immer mehr NGOs drängen auf den Markt. Inzwischen gibt es 600.000 Vereine und Stiftungen, die sich dem Gemeinwohl verschrieben haben. Vor fünf Jahren waren es noch 570.000.
Die größten Spendensammler in Deutschland
Deutsche Welthungerhilfe
Spenden 2013: 38 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: +2,7 Prozent
Kindernothilfe
Spenden 2013: 53 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: +6,0 Prozent
Kindermissionswerk "Die Sternsinger"
Spenden 2013: 53 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: +1,9 Prozent
Deutsches Rotes Kreuz
Spenden 2013: 67 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: +157,7 Prozent
World Vision Deutschland (Geschäftsjahr endet zum 30.9.)
Spenden 2013: 69 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: -4,2 Prozent
Deutsches Komitee für Unicef
Spenden 2013: 82 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: +20,6 Prozent
Ärzte ohne Grenzen
Spenden 2013: 87 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: +29,9 Prozent
Johanniter-Unfall-Hilfe
Spenden 2013: 103 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: +8,4 Prozent
Plan International Deutschland (Geschäftsjahr endet zum 30.6.)
Spenden 2013: 116 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: +2,7 Prozent
SOS Kinderdörfer Weltweit und SOS Kinderdorf
Spenden 2013: 273 Millionen Euro
Veränderung zu 2012: +12,8 Prozent
Quelle: eigene Recherche auf Basis der Jahresberichte
Statistiken zeigen, dass es zwar immer wieder Schwankungen im Spendenaufkommen gibt, der Betrag aber insgesamt weitgehend auf dem gleichen Niveau verharrt – die gleiche Summe verteilt sich also auf mehr Organisationen. Durch den anhaltenden Boom der Wohltätigkeitsunternehmen wird der Wettbewerb härter und der ökomische Druck wächst. Denn bei dem Tempo, in dem die Anzahl der Organisationen wächst, hält die Entwicklung des Spenden- und Mitgliederaufkommens nicht mit.
„Die Zahl der NGOs in Deutschland wird weiter zunehmen“, schätzt Eckhard Priller vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Der Experte für Zivilengagement ist eigentlich bereits seit Herbst im Ruhestand. Der Wissenschaftler ist einer der wenigen, die überhaupt zu dem Thema geforscht haben. Das Wachstum der NGOs sei „nicht nur positiv“, sagt er, „denn die Zahl der verfügbaren ehrenamtlichen Mitarbeiter und die finanziellen Mittel werden ja nicht mehr. Vor allem kleine Organisationen werden Probleme haben, geeignetes ehrenamtliches Führungspersonal zu bekommen.“
Zahl der Spender sinkt
Und er sieht noch ein weiteres Problem: der steigende Druck zur Wirtschaftlichkeit. „Durch die Ökonomisierung der NGOs verändern sich auch deren Tätigkeitsfelder. Vor allem die Organisationen, die in weniger lukrativen Gebieten arbeiten, erweitern ihre Handlungsbereiche. Ein Beispiel sind Wohlfahrtsverbände, die in Privatschulen investieren“, erklärt Priller.
Was Sie beim Spenden beachten sollten
Es gibt kaum Kontrollstellen, die sich intensiv mit der Wirkung von Spendenorganisationen auseinander setzen. Eine der wenigen ist immerhin das Deutsche Institut für Soziale Fragen (DZI), das die Organisationen dahingehend überprüft, ob etwa ihr Verwaltungsaufwand angemessen ist. Wer als förderungswürdig gilt, bekommt ein Spendensiegel. Es gibt aber auch eine lange Liste von Organisationen, bei denen das DZI von einer Spende abrät, einzusehen auf der Homepage des Instituts.
Das DZI rät davon ab, zweckgebunden zu spenden. Das erhöht den Verwaltungsaufwand, weil das Geld klar abgetrennt werden muss. Zudem kann es vorkommen, dass zu einem Thema zu viel Spenden eintreffen und zu einem anderen zu wenig. Die Organisationen wissen selbst am besten, wo das Geld gebraucht wird.
„Stark Mitleid erweckende und gefühlsbetonte Werbung ist ein Kennzeichen unseriöser Organisationen“, schreibt das DZI in seinen Spendentipps.
Experten empfehlen, Spenden auf wenige Organisationen zu beschränken. So kann man sie besser überprüfen und reduziert zudem den Verwaltungsaufwand für die Organisationen.
Das ist natürlich nicht wörtlich zu nehmen. Geld ist aber meist besser als eine Sachspende, raten etwa Stiftung Warentest und das DZI. Es ist flexibler und letztlich kostengünstiger als Sachspenden, da viele Hilfsgüter billiger vor Ort gekauft werden können.
„Durch die zunehmende Ökonomisierung geht bei vielen immer mehr das Ideelle verloren. Die Organisationen erfüllen vor allem die Aufgaben, die Geld bringen“, sagt er. Das Geld komme nur zu 4 bis 6 Prozent von Spenden, der Rest seien staatliche Zuwendungen, selbst erwirtschaftete Mittel wie Gebühren und Mitgliedsbeiträge.
So kommen etwa bei der Umweltschutzorganisation Germanwatch 2013 bereits rund 37 Prozent der Einnahmen aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Im Jahr 2008 stammte aus diesem Bereich gerade einmal rund vier Prozent der Einnahmen, nahezu 100 Prozent stammten aus dem ideellen Bereich.
Diese Einschätzung bestätigen auch die jüngsten Zahlen des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Demnach generieren die gemeinnützigen Organisationen in Deutschland 41 Prozent ihrer Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge, 27 Prozent durch selbst erwirtschaftete Mittel, 10 Prozent durch öffentliche Mittel und nur 20 Prozent durch Spenden und Sponsorengelder.
In den vergangenen Jahren haben sich die Schwerpunkte der Spenden verschoben. „Vor allem im Umwelt- und Naturschutz sind die Spenden zurückgegangen“ erklärt Priller, „aber auch das ehrenamtliche Engagement in diesem Bereich ist gesunken.“
Das Deutsche Rote Kreuz schlug vergangene Woche Alarm. „Im Jahr 2013 lagen die Spendeneingänge des Roten Kreuzes bei 64,7 Millionen Euro. In diesem Jahr werden wir mit etwa 30 bis 35 Millionen Euro deutlich darunter liegen“, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters der „Welt am Sonntag“. Er begründet das mit Art der Katastrophen: Die Krankheit Ebola etwa sei nicht emotional genug bebildert worden. Zudem seien viele Katastrophen Menschen gemacht.
Laut den neuesten Zahlen des DZI sinkt die Zahl der Spender. Nur noch 42 Prozent der Deutschen spenden überhaupt – im Jahr 2012 waren es noch 47 Prozent. Doch die, die Geld geben, geben jeweils mehr.
Im internationalen Vergleich sind die Deutschen eher Spendenmuffel. In Großbritannien spenden 74 Prozent der Bevölkerung, in den Niederlanden sind es 71 Prozent, US-Amerikaner 68 Prozent, Dänemark immerhin noch 62 Prozent.