WPP übernimmt Thjnk "Es gibt keine Daumenschrauben"

Die Nachricht ging wie ein Lauffeuer durch die Branche – die Hamburger Agentur Thjnk gehört künftig zur weltgrößten Werbeholding WPP. Mitgründerin und Vorstandssprecherin Karen Heumann über die Gründe für den Verkauf, die Frage, ob Größe Kreativität tötet und das Alter von Sir Martin.

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Thjnk-Gründerin Karen Heumann Quelle: Felix Krueger

Frau Heumann, sind Sie jetzt reich?
Karen Heumann: Das war ich doch immer schon – im Ernst: zum Kaufpreis dürfen Sie von mir keine Antwort erwarten, dazu haben wir Stillschweigen vereinbart. Und ganz ehrlich: Das war nicht der ausschlaggebende Faktor für den Verkauf an WPP, da können Sie sicher sein.

Was sprach dann für den Verkauf von Thjnk an WPP? Immerhin geben Sie Ihre Unabhängigkeit auf?
Das Gegenteil von Unabhängigkeit ist ja Abhängigkeit, das scheint die allgemeine Wahrnehmung zu sein. Als wäre man komplett frei, wenn man nicht zu einem Konzern gehört. Gibt man das auf, so die Lesart, ist man gefangen. Diese Sicht übersieht, dass man in gewisser Weise auch gefangen ist als Unabhängiger. Das ist zunächst mal ganz toll, beinhaltet aber auch eine gewisse Form von Alleinsein und Nicht-Anbindung an Möglichkeiten, die gerade in unserer Branche und vor allem auch für unsere Kunden kriegsentscheidend sind.

Woran denken Sie?
Nehmen Sie allein Themen wie Consumer Insights, also das tiefe Wissen um Motivlagen von Kunden, oder auch das Großthema Daten – alles, was durch Menge besser wird. Was nützt mir Big Data, wenn mir die Kapazitäten fehlen, diese Informationen auch auszuwerten? Da können unabhängige Agenturen nur sehr schwer mithalten mit großen Verbünden, denn Daten-Sammlung und Analyse erfordern sehr hohe Investitionen. Das hätten wir allein nicht stemmen können. Es war ohnehin schon längere Zeit ein großer Wunsch von uns, bei Leuten anzudocken, die in Bereichen super sind, in denen wir selbst es schlicht nicht sind. Wir wollen zusammen mit den besten Köpfen das beste Produkt abliefern...

Zur Person

...das war jetzt der Werbeblock...
Ja, ich weiß, aber tatsächlich war es auch in der Vergangenheit so, dass wir mit Partnern zusammen gearbeitet und uns eng vernetzt haben, um neues Wissen für uns zu erschließen. Aber das alles ist Arbeit und kostet viel Zeit. Wenn man etwa das Mandat eines großen Kunden bekommt und der von allen Gewerken, die er braucht, das Beste erwartet, dann haben wir ihm das in der Vergangenheit auch stets zur Zufriedenheit zusammengebaut. Aber: Das ist immer wieder neu und aufs Neue anstrengend. Daher war nun die Möglichkeit, innerhalb des riesigen Netzwerkes von WPP mit Partnern zusammen arbeiten zu können - das, was neudeutsch Horizontalisierung genannt wird - für uns der Hauptgrund, nun an WPP zu verkaufen.

Wo fehlte Ihnen denn bisher Kompetenz?
Nehmen wir das Thema politische PR – kommt das auf uns zu, kann ich jetzt morgen innerhalb des großen Netzwerkes von WPP auf Spezialisten zurückgreifen. Deshalb werde ich jetzt auch direkt losrennen, um möglichst viele dieser hoch spezialisierten Dienstleister kennenzulernen, die sind ja ab jetzt alle meine Kollegen. Damit hat uns nicht zuletzt Sir Martin auch gelockt. Er hat schlicht viele tolle Angebote in seinem Portfolio. Und das haben wir uns sehr genau angesehen, als wir uns kennengelernt haben.

"Es geht kein einziger von der Fahne"

Bringt Ihnen die Übernahme direkt neue Kunden ein?
Nein, das war auch nicht das Thema in den Gesprächen mit WPP: Für uns ging es immer darum: Was ist für unsere bestehenden Kunden drin, wie können wir für sie noch bessere Arbeit leisten? Und auch da profitieren wir enorm von dem tiefen Wissen allein schon von Sir Martin selbst, der die Märkte extrem gut kennt. Deshalb haben uns auch unsere Kunden, mit denen wir gestern noch vor der Unterschrift unter die Verträge gesprochen haben, gesagt, dass sie diesen Schritt unterstützen - wenn denn diese Mannschaft bei Thjnk an Bord bleibt.

Und keiner von denen fürchtet jetzt, dass mit zunehmender Größe bei Thjnk die Kreativität leiden könnte?
Nein, warum auch? Im Gegenteil: Ein Zuwenig an kreativen Leuten bedeutet einen Verlust an Kreativität. Wer ist denn kreativ – doch nur die Köpfe. Solange daher alle mitziehen, habe ich überhaupt keine Sorge. Aus unserem Netz von 26 Partnern geht kein einziger von der Fahne, alle gehen mit, alle sind überzeugt von dem Schritt, denn so können wir noch besser und schneller werden. Wobei wir eh schon sehr schnell unterwegs sind: Wir sind heute schon doppelt so groß wie vor drei Jahren.

Haben Sie Wachstumsvorgaben von Sir Martin?
Nein, es geht uns nicht um Wachstum. Es geht um Anbindung an zusätzliche Exzellenz. Die Anforderungen von Kunden differenzieren sich immer weiter aus – nehmen Sie wie gesagt Politik und PR. Das können Sie nicht einer klassischen Werbeagentur geben. Da muss die Agentur mit Leuten reden, die in dem Feld komplett austrainiert sind. Und WPP hat diese Leute.

Heißt, Thjnk will demnächst auch in das Thema Parteienwerbung einsteigen?
Man sollte nie nie sagen. Nehmen Sie die aktuelle Kampagne von Heimat für die FDP. Die finde ich wirklich toll, die macht richtig Lust darauf, so etwas auch einmal zu versuchen.

WPP ist an der Börse notiert mit dem entsprechenden Druck auf Zahlen und Margen – wie strikt sind die Vorgaben, die Sir Martin Thjnk gemacht hat? Wird es härter?
Nein, das wirkt doch eher anspornend: Je besser wir sind, desto besser für uns. Es gibt keine Daumenschrauben, sonst hätten wir es auch nicht gemacht. Sir Martin vertraut den Leuten, die hier arbeiten; wir sind ja auch alle nicht erst seit gestern in dieser Branche. Natürlich ist Sir Martin ehrgeizig – aber auch nicht mehr als wir.

Immer wieder ein Thema ist, wie lange Sir Martin denn noch an der Spitze von WPP bleibt? Immerhin ist er inzwischen auch schon 72?
So fit wie Sir Martin ist, kann er auch noch 120 Jahre alt werden. Und ganz ehrlich: Ich habe ihn tatsächlich in vielem als jünger im Kopf empfunden also so manchen Neuanfänger in der Agenturszene.

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