Zugunglück nahe Bad Aibling Ursache für Zugunglück weiter unklar

Bei einem schweren Zugunglück in Oberbayern sind mehrere Menschen ums Leben gekommen, rund 80 Fahrgäste wurden verletzt. Bei dem Unfall bei Bad Aibling waren zwei Nahverkehrszüge kollidiert.

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Ein Zugführer der Rettungskräfte steht an der Unfallstelle eines Zugunglücks in der Nähe von Bad Aibling (Bayern). Quelle: dpa

Bei einem der schwersten Zugunglücke in Deutschland seit vielen Jahren sind in Oberbayern mindestens zehn Menschen getötet worden. Aus zunächst ungeklärter Ursache krachten am Dienstagmorgen zwei Nahverkehrszüge auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim frontal ineinander.

18 Menschen wurden schwer, 63 Reisende leicht verletzt. Außerdem wurde noch eine Person vermisst, wie die Polizei mitteilte. Wir haben wenig Hoffnung, diese lebend zu bergen“, sagte ein Polizeisprecher. Unter den Toten seien wahrscheinlich auch die beiden Lokführer, sagte ein Polizeisprecher. Die Katastrophe von Bad Aibling ist das schwerste Zugunglück in Bayern seit mehr als 40 Jahren.

Trauer herrscht nicht nur in der Region, bis in die Politik hinein sendet das Unglück seine Schockwellen: Am Nachmittag entschieden sich die Parteien, auf den traditionsreichen Politischen Aschermittwoch in Bayern zu verzichten. Auch der Politische Aschermittwoch der CDU mit Kanzlerin Angela Merkel in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern wurde wegen des Unglücks abgesagt. Das Parteiorgan „Bayernkurier“ zitiert CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mit den Worten: „Aus Respekt vor den Opfern des tragischen Zugunglücks findet der morgige Politische Aschermittwoch der CSU nicht statt.“ SPD, Grüne und Linke folgten dem Beispiel und sagten ihre traditionellen Aschermittwochs-Veranstaltungen in Niederbayern ebenfalls ab. Der bayerische SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold sagte: „Der Politische Aschermittwoch lebt von der Auseinandersetzung und dem Schlagabtausch der Parteien. Dafür ist heute und morgen kein Raum. Wir empfehlen unseren Parteigliederungen, diesem Beispiel zu folgen.“

Die beiden Nahverkehrszüge sind nach Erkenntnissen der Ermittler praktisch ungebremst ineinander gefahren. Die Unfallstelle liege in einer Kurve, so dass die Fahrer wohl keinen Sichtkontakt gehabt hätten, sagte Bundesverkehrminister Alexander Dobrindt in Bad Aibling. "Die Züge müssen mit sehr hoher Geschwindigkeit aufeinandergeprallt sein." Vor Ort habe sich ein erschreckendes Bild geboten. Ein Zug habe sich in den anderen hineingebohrt und ihn auseinandergerissen, sagte der Minister. Die Höchstgeschwindigkeit der Strecke liege bei 100 Kilometern in der Stunde. Nach wie vor sei unklar, ob es sich um menschliches Versagen oder ein technisches Problem gehandelt habe. Zwei von insgesamt drei Fahrtschreibern seien gefunden.

Gegen 6.50 Uhr waren auf der eingleisigen Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim zwei Züge frontal zusammengestoßen. Dabei verkeilten sich die Triebwagen. Ein Zug entgleiste, mehrere Waggons stürzten um.

Die Bergungsarbeiten gestalteten sich extrem schwierig, weil die Unglücksstelle in einem Waldstück an einer Hangkante neben dem Flüsschen Mangfall liegt. Ein Großaufgebot an Rettungskräften mit zahlreichen Hubschraubern und Krankenwagen kümmerte sich um die Verletzten.

Hubschrauber brachten die Schwerverletzten in Krankenhäuser, während die zahlreichen Leichtverletzten zunächst in einer Sammelstelle versorgt wurden. Dabei half auch die Wasserwacht, die die Verletzten auf das gegenüberliegende Ufer brachte. Die Bergwacht war ebenfalls im Einsatz. Zum Teil wurden die Opfer auch in Bergungssäcken von den Hubschraubern hochgezogen und an das andere Ufer geflogen. Die Bevölkerung wurde zum Blutspenden aufgerufen.

Die Züge des privaten „Meridian“ werden von der zur Transdev gehörenden Bayerischen Oberlandbahn (BOB) betrieben. In den Zügen sitzen um diese Uhrzeit üblicherweise zahlreiche Pendler, von denen viele weiter nach München fahren. Zum Glück seien am Unglückstag keine Schüler in den Zügen gewesen, sagte ein Polizeisprecher - in Bayern sind derzeit Faschingsferien.

„Der Unfall ist ein Riesenschock für uns“, sagte BOB-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch. „Wir tun alles, um den Reisenden, Angehörigen und Mitarbeitern zu helfen.“ Auch Christian Schreyer vom Mutterkonzern Transdev sprach den Opfern und ihren Angehörigen sein Mitgefühl aus. „Wir sind zutiefst erschüttert und fassungslos, dass so etwas passieren konnte.“ Deutsche Bahn-Chef Rüdiger Grube schloss sich den Beileidsbekundungen an.

Die 37 Kilometer lange Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim wurde nach dem Unglück komplett gesperrt. Die Züge waren in einer Kurve auf dem vier Kilometer langen Abschnitt zwischen den Bahnhöfen Kolbermoor und Bad Aibling-Kurpark in der Nähe des Klärwerks von Bad Aibling zusammengestoßen. Wann die Strecke wieder geöffnet wird, blieb zunächst unklar. Der Betreiber richtete einen Ersatzverkehr mit Bussen ein.

Wie genau es zu dem schweren Unglück gekommen ist, war zunächst unklar. Bislang habe es auf der Strecke keine Störungen gegeben, erläuterte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Das den Bahnverkehr in Deutschland sichernde System „Punktförmige Zugbeeinflussung“ (PZB) war im Fall des Zugunglücks von Bad Aibling erst vor rund einer Woche technisch überprüft worden. Dabei habe es keine Probleme gegeben, sagte der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn (DB) für Bayern, Klaus-Dieter Josel.

Bei den Ermittlungen geht es unter anderem darum, warum die Triebzüge trotz des modernen Sicherungssystems PZB 90 gleichzeitig im selben Streckenabschnitt unterwegs waren. Dobrindt sagte, es werde geprüft, ob es sich um menschliches Versagen oder ein technisches Problem handele. Die PZB sorgt eigentlich dafür, dass Züge zwangsgebremst werden, wenn sie ein Haltesignal überfahren. Außerdem wird die Geschwindigkeit überprüft. Zur Aufklärung beitragen sollen auch die Fahrtenschreiber der beiden Elektrotriebzüge.

Das Unglück ist eines der schwersten der vergangenen Jahre in Deutschland. In Hordorf in Sachsen-Anhalt prallten vor fünf Jahren ein Regionalzug und ein Güterzug ebenfalls auf einer eingleisigen Strecke aufeinander. Damals kamen zehn Menschen ums Leben. Danach wurde die PZB auf den Haupt- und Nebenstrecken Pflicht.

Die Bayerische Oberlandbahn gehört zum französischen Verkehrskonzern Transdev. In Deutschland ist Transdev mit mehr als 5000 Mitarbeitern und einem Umsatz von knapp 850 Millionen Euro einer der größten privaten Nahverkehrsanbieter. Entlang der Mangfalltalbahn werden die Züge oft von Pendlern genutzt, die in München arbeiten.

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