Zukunft der Mobilität Maschinen können besser steuern

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In einer App - alles vereint

In den USA haben Experten im vergangenen Jahr ­einen Jeep gehackt und ferngesteuert. Ersetzen wir beim selbstfahrenden Auto das Unfallrisiko durch das Datenrisiko?
Justus: Wir werden uns mit der Datensicherheit beschäftigen müssen. Unsere Philosophie bei Google lautet: Der Betrieb des Autos, die Sicherheit, genießt höchste Priorität und darf nicht mit anderen Bereichen wie dem Entertainment konkurrieren. Datensicherheit wird immer wichtiger, das ist uns sehr bewusst.

Das Auto ist einer der letzten privaten Rückzugsorte des Menschen. In Zukunft wird das ein überwachter Ort. Unternehmen sammeln Daten und fertigen Bewegungsprofile an. Wo fängt der Datenschutz an, wo hört er auf?
Justus: Die Daten des Nutzers gehören dem Nutzer. Nutzer müssen selbst bestimmen können, was mit ihren personenbezogenen Daten passiert. Das Prinzip gilt bei uns schon heute. Aber: Verkehrsmitteldaten wie Fahrplaninfos, kombiniert mit Echtzeitdaten, sind die Grundlage, bessere Dienstleistungen zu entwickeln.

Weltweit laufen die Bemühungen beim autonomen Fahren auf Hochtouren. Auch Google mischt mit und sucht schon lange nach Autobauern, die die eigene Technologie nutzen könnten. Jetzt ist das Unternehmen fündig geworden.

Deutsche Bahn und Google investieren in digitale Start-ups. Wie viel Geld haben Sie dafür reserviert?
Grube: Bei uns gilt: Jede Idee von Mitarbeitern oder von außen, die Sinn ergibt, werden wir prüfen. Wir werden künftig auch einen Fonds für Investitionen in Start-ups zur Verfügung stellen, allein um administrative Hürden eines großen Unternehmens zu umgehen. Über die Höhe diskutieren wir gerade.
Justus: Wir erleben derzeit, dass die Nutzer auf ihrer Reise durchgehend informiert werden wollen. Wann müssen sie aufbrechen? Gibt es einen Stau auf der Straße? Welches Verkehrsmittel ist das günstigste? Wir nehmen deshalb viele Mobilitätsdienste bei Google Now und Google Maps auf. Unser Kartendienst Maps ist wahrscheinlich das größte Mobilitätsprodukt überhaupt. Informationen etwa zum Nahverkehr haben wir schon integriert.

Dann weiß ich, wo und wie ich umsteigen muss, aber ich muss immer noch überall unterschiedlich bezahlen – den Bus, das Elektrofahrrad, den Zug, das Taxi …
Grube: Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Es wird dann nur noch ein Ticket oder eine App geben, die alle Verkehrsmittel vereinen. Das ist einer der größten Wünsche unseres Kunden. Er möchte ein einziges Ticket haben, um alle Buchungen zu bezahlen, und damit einen Dienstleiter, der alles für ihn erledigt.

Warum gibt es das heute noch nicht?
Grube: Das Problem ist, dass wir in Deutschland eine sehr fragmentierte Mobilitätsverantwortung haben. Die Kommunen und die Länder sind für den Regionalverkehr zuständig, und viele verteidigen ihre Königreiche, indem jeder seine eigene Mobilitätskarte hat. Wir sagen, dass wir eine übergreifende nationale Mobilitätskarte brauchen, mit der der Kunde alles machen kann: Zug fahren, Räder ausleihen, Busse und Taxis nutzen und bezahlen. Am Monatsende gibt es dann eine Rechnung wie fürs Telefon. Und der Kunde hat die Garantie, dass das System stets den günstigsten Tarif abrechnet.
Justus: Die Karte hätte ich gerne …
Grube: Daran arbeiten wir gerade mit Hochdruck ...
Justus: Können wir Sie da unterstützen?

Grube: Gerne. Das passt ja auch strategisch zur Google-Philosophie. Bei unserem ersten Treffen sagten Sie mir mal, alles müsse den „Zahnbürsten-Test“ bestehen. Erinnern Sie sich?
Justus: Natürlich. Die Idee für ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung ist dann interessant für uns, wenn es Millionen von Menschen mindestens zwei Mal am Tag in die Hand nehmen.
Grube: Deshalb sind digitale Mobilitätsdienste so bedeutend. Die Leute sind jeden Tag unterwegs. Sie wollen informiert und digital begleitet werden. Es wird deswegen neue Mobilitätsdienstleister geben. Für uns ist die Digitalisierung ein Wachmacher: Deshalb haben wir das Thema in Angriff genommen, bevor es andere tun – je schneller, desto besser.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, der auch für die digitale Infrastruktur zuständig ist, prophezeit Deutschland einen neuen digitalen Wohlstand in den kommenden Jahren. Spüren Sie den Fortschritt?
Justus: Es gibt einen bemerkenswerten Satz der Bundeskanzlerin: „Es wird alles digitalisiert werden, was digitalisiert werden kann.“ Frau Merkel gibt die Richtung vor. Ich finde es großartig, dass sich die Bundesregierung fortschrittsorientiert zeigt. Die Digitalisierung wird positive Beschäftigungseffekte haben. Da habe ich gar keine Zweifel.
Grube: Der Bundesverkehrsminister ist ja nicht nur für den Verkehr, sondern auch für digitale Infrastruktur zuständig. Deshalb kümmert er sich auch sehr engagiert um Themen wie WLAN im Fern- und Regionalverkehr. Bei digitalen Themen ist er positiv ungeduldig. Und das ist auch gut so.

Mal Schnecke, mal Windhund
Die Tabellen zeigen die schnellsten Verbindungen im Stundentakt (auf einzelnen Strecken verkehren dazwischen noch andere Fernzüge, die aber in der Regel langsamer sind).Quelle: Deutsche Bahn; Stand: 9.10.2013 Quelle: obs
Entfernung bis 100 km.
Entfernung bis 200 km. * Durchschnittswert
Entfernung bis 300 km. ** wegen Hochwasserschäden bis 4. November 2:09 Std.
Mehr als 300 km.

Aber es gibt kein Gesetz zum autonomen Fahren, keine klaren Regeln für WLAN-Hotspots, keinen flächendeckenden Breitbandausbau. Wir können nicht erkennen, dass die Regierung auf der Höhe der Zeit agiert.
Grube: Richtig ist, dass in Deutschland manches zu lange dauert. Das kann auch damit zu tun haben, dass die Verantwortung innerhalb der Regierung bei unterschiedlichen Ressorts liegt.
Justus: Herr Grube hat recht. Auch bei der Infrastruktur müssen wir weiter denken. 50 Megabit pro Sekunde bis 2018 kann nur ein Zwischenschritt sein. Die Politik muss jetzt einen Plan für ein Gigabit pro Sekunde entwickeln. Die Politik muss die Digitalisierung viel größer denken. Sonst wird der Takt des Fortschritts woanders vorgegeben. Auch bei der digitalen Bildung etwa an Schulen sind andere Länder schneller als Deutschland. Wir brauchen mehr digitale Fachleute.

Wie bleiben Sie selbst eigentlich psychisch mobil?
Grube: Vor allem durch Austausch, intern wie extern. Ich treffe mich beispielsweise öfter mit jungen Mitarbeitern. Da gibt es eine Art Thinktank der „Generation Y“. Die sagen mir, was sie stört und was sich verbessern lässt. Das sind oft ganz konkrete Dinge. Zum Beispiel identifizieren wir so die größten bürokratischen Hemmnisse. So haben wir etwa die Reisekostenabrechnung und einiges mehr verändert.
Justus: Ich treffe mich regelmäßig mit Start-ups und versuche, herauszufinden, woran die nächste Generation der Gründer arbeitet. Für mich sind diese Treffen eine große Quelle von Inspiration.

Was ist das „next big thing“, das die Welt verändert?
Grube: Ich bin gespannt, wann es möglich sein wird, seine Gesprächspartner per Videokonferenz quasi in den Besprechungsraum zu „beamen“. Sie erscheinen als Hologramme. Das wird die Berufswelt verändern.
Justus: Die physische Mobilität des Menschen wächst mit den mobilen Anwendungen auf dem Endgerät noch enger zusammen. Da stehen wir noch am Anfang. Und selbstfahrende Fahrräder. Das war zunächst ein Aprilscherz von Google, den sich über 2,5 Millionen Besucher auf YouTube angeschaut haben. Vielleicht wird das ja irgendwann einmal real (lacht).

Unsere Hoffnung ist, dass die umgekehrte Wagenreihung ein Ende hat. Wann ist es so weit, Herr Grube?
Grube: Probleme mit der umgekehrten Wagenreihung wollen wir bis zum Jahresende in den Griff bekommen. Wir statten die Strecken zurzeit mit Sensoren aus, die dann die Leitzentrale informieren, wie der Zug gereiht ist. Der Kunde wird dann rechtzeitig und gut informiert. Hier arbeiten wir im Rahmen des Programms „Zukunft Bahn“ an vielen Lösungen. Die Welt der Bahn wird einfacher!

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