Zweitgrößte deutsche Fluglinie Air Berlin geht in die Insolvenz

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Air-Berlin-Insolvenz nicht überraschend

Die unabhängige DVAM Vermögensverwaltung GmbH aus Detmold analysiert Air Berlin seit dem Jahr 2009 regelmäßig. Geschäftsführer Markus Schön kommentiert die Insolvenz: „Für einen Billigflieger war Air Berlin zu teuer und konnte entsprechenden Wettbewerbern nichts entgegensetzen. Auf Premium war das Unternehmen nie ausgerichtet. Entsprechend ist die Insolvenz logisch. Es ist nur verwunderlich, dass es so lange gedauert hat.“ Schön lobte die Bürgschaft des Bundes, warnte aber zugleich vor einer staatlichen Rettung. „Vielmehr muss jetzt das Ziel einer Sanierung sein, ein wirklich unternehmerisches Konzept zu entwickeln oder die zukunftsfähigen Teile beispielsweise in die Deutsche Lufthansa zu integrieren“.

Nach dem Insolvenzantrag Air Berlins muss sich der weltgrößte Reisekonzern Tui wieder Gedanken um seine Tochter Tuifly machen. „Wir sind involviert in die aktuellen Planungen und begleiten sie konstruktiv“, sagte ein Tui-Sprecher am Dienstag. Tuifly hat 14 Boeing-Jets samt Personal an die Air-Berlin-Tochter Niki vermietet. Umgekehrt schickt der Tui-Konzern einen Teil seiner Kunden in Flugzeugen des Air-Berlin-Konzerns auf Reisen. Dieser Anteil ist aber dem Vernehmen nach in den vergangenen Jahren geschrumpft. „Drei Viertel der Kunden von Tui Deutschland fliegen mit unserer eigenen Airline in den Urlaub“, sagte der Sprecher.

Die Beförderung der Tui-Kunden bei Air Berlin sieht der Veranstalter derzeit nicht in Gefahr. Zum einen ist für Niki, die für Air Berlin die typischen Urlaubsziele anfliegt, derzeit kein Insolvenzantrag geplant. Zum anderen soll der Überbrückungskredit des Bundes dafür sorgen, dass der Flugbetrieb von Air Berlin vorerst weitergeht. Zu weiteren Überlegungen äußerte sich der Tui-Sprecher mit Verweis auf die laufenden Gespräche nicht.

Bund sichert Air-Berlin-Flugbetrieb mit Kredit

Tui hatte sich wegen der Schieflage von Air Berlin schon im vergangenen Herbst um eine Lösung bemüht. Dazu sollte die komplette Fluglinie Tuifly in einem neuen Ferienflieger-Bündnis mit Niki aufgehen. Der Deal, bei dem Air Berlin Großaktionärin Etihad eine zentrale Rolle spielen sollte, platzte jedoch Anfang Juni.

Mitte Juli hatte die Fluglinie noch mit der Ernennung eines neuen Verwaltungsratschef überrascht. Ex-Bahnvorstand Gerd Becht übernahm den Posten von Joachim Hunold. „Eigentlich dachten alle, der Achim macht das noch, bis die Lufthansa im Herbst die Reste unseres Ladens kauft“, so ein Mitarbeiter damals.

Becht fehlt zwar Erfahrung als Unternehmenslenker, doch der Volljurist gilt als Übernahmespezialist. „Er ist ausgewiesener Experte für Restrukturierungen und Mergers and Aquisitions. Er wird der Air Berlin mit seiner Erfahrung frische Impulse geben“, so die Botschaft von Air-Berlin-Vorstandschef Winkelmann. Soll heißen: Er sollte Air Berlin für einen Verkauf hübsch machen. Und dabei von seinem juristischen Sachverstand profitieren: keine Probleme mit dem Insolvenzrecht zu bekommen.

Mit ihren schlechten Zahlen balanciert Air Berlin schon seit Jahren am Rande des Konkurses. „Und da kann bereits ein kleiner Fehler zu großen juristischen Probleme führen“, so ein Insider. Das soll auch einer der Gründe gewesen sein, warum der langjährige Air-Berlin-Chefaufseher Hans-Joachim Körber im Mai überraschend den Job hinwarf.

Das ist Air Berlin

Besonders wichtig ist in dem Feld die Frage, wann welche Informationen veröffentlicht werden müssen und dass ein Unternehmen bei aller Ehrlichkeit nicht so viel rausgibt, dass es die Investoren beunruhigt oder die Kunden an der eigenen Kreditwürdigkeit zweifeln lässt.

Ob der Insolvenzantrag Kunden und Geldgeber beunruhigt, wird die Zukunft zeigen. Branchenkenner hatten aber viel Vertrauen in Becht und sein Fingerspitzengefühl bekundet, etwa nach seiner Zeit im Umkreis des notorisch klammen amerikanischen US-Autoherstellers General Motors.

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