Zweitgrößte deutsche Fluglinie Air Berlin geht in die Insolvenz

Air Berlin ist pleite. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hat am Dienstag für die Fluggesellschaft Air Berlin die Insolvenz in Eigenverwaltung angeordnet. Hauptaktionär Etihad hatte zuvor erklärt, keine weitere finanzielle Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Laut Airline sollen alle Tickets ihre Gültigkeit behalten und alle Flüge wie geplant stattfinden.

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Die arabische Fluggesellschaft Etihad hat das Ende ihrer Unterstützung von Air Berlin mit der schlechten Lage beim deutschen Partner begründet. Das Geschäft von Air Berlin habe sich zuletzt „rapide verschlechtert“, teilte Etihad am Dienstag mit. Deshalb hätten „entscheidende Herausforderungen nicht bewältigt und alternative strategische Optionen nicht umgesetzt werden“ können. „Unter diesen Gegebenheiten kann Etihad als Minderheitsgesellschafter keine weitere Finanzierung leisten, welche unsere Verbindlichkeiten erhöhen“, stellte der Staatskonzern aus Abu Dhabi fest. Man sei „weiterhin bereit dabei zu unterstützen, eine kommerziell gangbare Lösung für alle Beteiligten zu finden“. Quelle: REUTERS
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries Quelle: dpa
Der Berliner Senat hat „mit Bedauern“ auf den Insolvenzantrag der Fluggesellschaft Air Berlin reagiert Quelle: REUTERS
Air-Berlin-Insolvenz Quelle: dpa
VC zur Air-Berlin-Insolvenz Quelle: REUTERS
Verdi zur Air-Berlin-Insolvenz Quelle: REUTERS
Berliner Flughäfen zur Air-Berlin-Insolvenz Quelle: dpa

Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg hat am Dienstag für die Fluggesellschaft Air Berlin die Insolvenz in Eigenverwaltung angeordnet. Air Berlin hatte zuvor den Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt. Der Flugbetrieb werde fortgeführt, teilte Deutschlands zweitgrößte Fluggesellschaft mit. Nachdem Hauptaktionär Etihad erklärt habe, keine weitere finanzielle Unterstützung zur Verfügung zu stellen, sei man „zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Air Berlin PLC keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“, schrieb Air Berlin in der Mitteilung.

Der Insolvenzverwalter der Reiseportale fluege.de und ab-in-den-urlaub.de soll Air Berlin durch die Insolvenz begleiten. Das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg habe Lucas Flöther zum Sachwalter von Air Berlin bestellt, bestätigte ein Sprecher des Rechtsanwalts aus Halle an der Saale am Dienstag. Das hatte die "WirtschaftsWoche" zuvor bereits berichtet. Flöther war mit der Abwicklung der Leipziger Holding Unister bekannt geworden.

Für die Kunden soll der Insolvenzantrag vorerst keine Auswirkungen haben. Nach Angaben des Unternehmens bleiben alle gebuchten Tickets gültig. Auch die Flugpläne würden nicht geändert, hieß es am Dienstagnachmittag auf der Internet-Seite von Air Berlin. Alle Flüge von Air Berlin und ihrer Tochter Niki fänden wie geplant statt. Zudem seien auch alle vorgesehenen Flüge weiterhin buchbar, teilte die Fluggesellschaft mit.

Um den Flugbetrieb in der Urlaubszeit nicht zu gefährden, hat die Bundesregierung der Airline einen Übergangskredit in Höhe von 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Dienstag in Berlin, der Flugbetrieb könne vorerst aufrecht erhalten werden. „Air Berlin hat Eigenmittel, nach wie vor, und in Kombination der verfügbaren Mittel und dem Kredit des Bundes gehen wir davon aus, dass der Flugverkehr bis Ende November gesichert ist“, sagte er. Der Überbrückungskredit für Air Berlin sei in Brüssel bei der EU angemeldet worden, erklärte Dobrindt weiter. Die offizielle Genehmigung brauche aber einige Tage.

„Aufgrund der insolvenzrechtlichen Regelungen wäre Air Berlin verpflichtet gewesen, den Flugbetrieb unmittelbar nach Einreichung des Insolvenzantrags einzustellen. [...] Dieser Übergangskredit wird durch die KfW zur Verfügung gestellt und durch eine Bundesbürgschaft abgesichert“, hatten das Bundeswirtschafts- und Verkehrsministerium zuvor in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt. „Wir befinden uns in einer Zeit, in der sich mehrere Zehntausend Reisende sowie Urlauberinnen und Urlauber an verschiedenen internationalen Urlaubsorten und Destinationen aufhalten. Der Rückflug dieser Reisenden nach Deutschland mit Air Berlin wäre andernfalls nicht möglich gewesen. Kurzfristige Alternativen für einen Rückflug dieser Reisenden nach Deutschland waren nicht zu gewährleisten.“

Drei Millionen Euro Verlust pro Tag

Auslöser für den Insolvenzantrag war, dass Etihad die Geduld mit Air Berlin verloren hatte. „Diese Entwicklung ist äußerst enttäuschend für alle Beteiligten, vor allem da Etihad in den vergangenen sechs Jahren weitreichende finanzielle Unterstützung für Air Berlin während früherer Liquiditätskrisen und für deren Sanierungsbemühungen gewährt hat“, teilten die Araber inzwischen mit. Erst im April habe Etihad weitere 250 Millionen Euro zugeschossen. „Doch das Geschäft von Air Berlin hat sich in einer beispiellosen Geschwindigkeit verschlechtert.“ Als Minderheitsaktionär könne Etihad kein weiteres Geld zuschießen und das eigene Risiko erhöhen. Die Fluggesellschaft war 2011 bei Air Berlin eingestiegen und hält knapp 30 Prozent an der Airline.

Einem Bericht zufolge soll sich der Insolvenzantrag bereits in der vergangenen Woche abgezeichnet haben. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Unternehmenskreisen erfuhr, überwies der arabische Partner Etihad am Mittwoch eine vereinbarte Kredittranche in Höhe von 50 Millionen Euro nicht. Am Freitagabend habe Etihad dann mitgeteilt, Air Berlin künftig nicht mehr zu unterstützen, hieß es. Die 50 Millionen Euro wären Teil eines Darlehens über 350 Millionen Euro gewesen, den der Großaktionär Etihad Air Berlin Ende April zugesagt hatte.

Die neue Lage hat die börsennotierte Air Berlin nach Darstellung aus unternehmensnahen Kreisen nicht sofort per Ad-hoc-Mitteilung melden müssen, weil sie sich damit selbst geschadet hätte. Ohne weitere Gespräche etwa über einen Brückenkredit der Bundesregierung hätte das die sofortige Einstellung des Flugbetriebs bedeutet.

Die Chronik von Air Berlin

Air Berlin fliegt seit Jahren Defizite ein, 2016 lag der Verlust bei 780 Millionen Euro. Die Schulden und das negative Eigenkapital summieren sich auf gut drei Milliarden Euro. Bereits im ersten Quartal dieses Jahres hat die Linie jeden Tag rund drei Millionen Euro verloren. Und im zweiten Quartal dürfte es kaum besser gelaufen sein. Wegen der vielen organisatorischen Pannen durch verlorenes Gepäck und abgesagte Flüge hat die Linie so viele Passagiere verärgert, dass die Zahlen kaum besser sein dürften. Die Halbjahresbilanz wollte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann noch im August vorstellen.

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