Zwischen Stehplatz und Luxusbett Der Wahnwitz der neuen Flugzeugsitze

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Der Trick mit der zweistöckigen Armlehne

Doch das ist erst der Anfang. Paperclip aus Hongkong hat eine einfache und für Passagiere sicher nicht mit einem Aufpreis verbundene zweistöckige Armlehne. Statt um den Raum in der Mitte zu raufen, müssen Sitznachbarn sich nur noch einigen, wer die oberen Eben bekommt und wer die untere.

Ähnlich simpel ist die Schachbrett genannte Idee einer flexiblen Rückenlehne, die die Flugbegleiter einfach flach herunter klappen können, wenn ein Sitz leer bleibt. Das vermittelt ein Business-Class-verdächtiges deutlich großzügigeres Raumgefühl. Aber es kann der Fluglinie auch mehr Geld bringen, wenn sie einen Platz neben oder hinter einem freien umgeklappten Sitz verkauft.

Skycouch Quelle: Presse

Morph-Sitz

Mehr Flexibilität verspricht der Morph-Sitz der britischen Firma Seymour Powell. Hier können die Passagiere die Breite des Mittelsitzes verändern und so die meist kaum 1,40 Meter weite Dreierbank beliebig aufteilen: in schmalere Plätze für Kinder und breitere für die Eltern zum Beispiel. Ein ähnliches Prinzip versucht die deutsche Sii Group aus Schwäbisch Hall. Ihr Santo Sitz lässt sich eine schmalere und eine breitere Hälfte teilen.

Schiebe-Trick

Dazu nehmen sich immer mehr Designer Dingen an, die Passgieren besonders lästig sind. Hilfe gegen die Staus in der Kabine beim Ein- und Aussteigen verspricht der Side-Slip-Sitz von Molon Labe Design aus den USA. Hier schiebt die Besatzung den Mittelsitz nach unten und den Gangplatz zur Seite. Dadurch wird aus dem sonst so engen Mittelgang fast ein Laufsteg, wo keiner mehr warten muss, weil andere Passagiere ihre Koffer nicht aus dem Gepäckfach bekommen oder im Winter mühsam den Mantel anziehen.

Keine lästigen Kniestöße vom Hintersitz verspricht der AirGo des Design-Studenten Alireza Yaghoubia. Denn bei seiner Idee sind alle Sitze bereits zurückgeklappt. Doch weil das Polster dünner ist und Dinge wie Klapptische oder Unterhaltungsbildschirme an der Decke hängen, braucht der Sitz trotz einer deutlich größeren Beinfreiheit nur wenig mehr Abstand zum Vordersitz. 

Was Flugreisende am meisten nervt
VerspätungenDie Reise-Webseite Trip-Advisor hat mehr als 1200 Reisende gefragt, was sie auf dem Flug in den Urlaub gar nicht mögen. Überraschend: Anders als bei der Bahn scheinen verspätete Flüge für gar nicht so viel Frust zu sorgen. Sie finden sich eher unten in der Liste der Nervtöter. Rund ein Drittel der Gäste (30 Prozent) ärgert sich, wenn die Maschine unpünktlich losfliegt oder landet. Quelle: dpa
Der Kampf um die ArmlehneFür mehr Unmut sorgen da die lieben Nachbarn. 32 Prozent der Befragten fühlen sich gestört, sobald ein Mitreisender versucht, die Armlehne in Beschlag zu nehmen. Quelle: dpa
Nervige SteuernAirline-Steuern und zu teure Tickets finden 33 Prozent der Reisenden gar nicht gut. Schließlich macht die Flugverkehrssteuer, die auf Mittelstreckenflügen 25 Euro beträgt, auch die Flüge von günstigen Airlines teurer. Quelle: dpa
Lange WarteschlangenGeduld mag zwar im Arbeitsalltag eine Tugend sein. Wenn es jedoch in den Urlaub geht, können viele Fluggäste den Trip ans Meer kaum abwarten. Deshalb finden wohl 49 Prozent von ihnen lange Warteschlangen an den Sicherheitsschleusen am Flughafen besonders frustrierend. Quelle: dpa
Zu wenig Platz für die HandtascheEs kann schon Mal verlockend sein, das Handgepäck-Limit der Airline so richtig auszuschöpfen – der Urlaub dauert ja seine Zeit. Blöd nur für die anderen Fluggäste, die ihr Gepäck neben den prall gefüllten Handtaschen und Rucksäcken ihrer Mitreisenden in den Ablagefächern über den Sitzen verstauen müssen. 51 Prozent finden das unmöglich. Quelle: dpa
Die rückende RückenlehneEbenso viele Befragte bringt es auf die Palme, wenn der Nachbar die Rückenlehne seines Flugsitzes mehrmals verstellt. Die eigene Bequemlichkeit geht eben vor. Quelle: DAPD
Die lieben KleinenEine Mehrheit der Fluggäste empfindet Kinder von Mitreisenden als Störenfriede. 52 Prozent fühlen sich von den Kleinen belästigt und können es gar nicht verstehen, wenn die Eltern den Nachwuchs nicht unter Kontrolle haben. Besonders ätzend finden sie, wenn Kinder aus Langeweile gegen den Sitz treten. Dabei sind die Kinder nur Teil des Problems. Ginge es nach den Zahlen der Umfrage, so würden die meisten Fluggäste am liebsten ein Privatflugzeug chartern – 69 Prozent von ihnen fühlen sich in irgendeiner Weise von den Nachbarn gestört. Quelle: REUTERS

Neue Maßanahmen in der Business-Class

Der wachsende Wettbewerb und die zunehmende Sparsamkeit der Geschäftsreisenden sorgt auch in der Business Class für neue Ideen. Noch in den Kinderschuhen stecken neue Designs, bei denen die Sitze mehr oder weniger schräg übereinander gestapelt werden. Am ansprechendsten für Reisende ohne Platzangst ist der Air Lair von Factorydesign aus London. Die leicht violette Wabe ist im Inneren besonders leise, hat eine Art Sternenhimmel und einen großen Bildschirm.

Mehr Flexibilität verspricht den Airlines der Butterfly von Paperclip. Er besteht aus zwei leicht versetzten Sitzen. Sie können beide als Sitz für eine Art Premium Economy genutzt werden. Dazu lassen sich bei beiden Sitzen die Rückenlehnen umklappen, sodass aus dem Ensemble dann ein Business-Class Bett für einen Reisenden wird.

Wann die neuen Sitze ihre Erstflüge machen, ist derzeit noch nicht absehbar. Zum einen sind trotz aller Kritik nur wenige Passagiere „offen für radikale Neuerungen“, glaubt Paperclip-Designer Lee. An einige wie das besonders karge Hexagon-Konzept mit Sesseln in zwei Sitzrichtungen werden sich nach der teilweise ätzenden Kritik nur wenige Airlines trauen.

Dazu kommen neben den technischen Anforderungen die hohen Kosten. Die Lufthansa hat ihre jüngste Version der Business Class mit flachen Betten erst seit dem Jahresende auf allen Flugzeugen – fast zwölf Jahre nach dem Start der vorigen Generation. Denn auch wenn die Sitze am Ende mehr Umsatz versprechen, sind sie mit bis zu 50.000 Euro pro Sitz zu teuer, um sie häufig auszutauschen.

Doch das wird am Ende nicht alle Airlines abschrecken. Wenn ein neues Design mehr Geld verspricht, so die Erfahrung, kann auf Dauer keine Airline widerstehen.

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