Discounter Das strategische Dilemma des Aldi-Imperiums

Wachstumsgrenzen, Preisschlachten, neue Konkurrenz – wohin treibt das Billigimperium Aldi nach dem Tod des Mitgründers Theo Albrecht?

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Aldi-Gründer Theo Albrecht Quelle: WirtschaftsWoche

Um die unternehmerischen Prinzipien des Theo Albrecht zu verstehen, genügte im Grunde ein Blick in sein Büro. Ein altes Siemens-Tastentelefon stand auf dem Sechzigerjahre-Schreibtisch. Der Blick aus dem Fenster fiel auf eine triste Lagerhalle neben der Aldi-Nord-Zentrale in Essen-Kray. Einzig eine Sammlung alter Schreibmaschinen in Vitrinen schmückte den Raum, den der Multimilliardär bis ins hohe Alter fast täglich aufsuchte.

Keine Frage, Theo Albrecht, der am 24. Juli verstorbene Herr über Aldi Nord, lebte den Discount. "Sein Büro war spartanisch", erinnert sich Marc Sachon. Im Dezember 2005 durfte der Professor der spanischen Business School IESE -Albrecht treffen.

Die Sekretärin servierte eine Tasse hauseigenen Markus-Kaffee, Albrecht griff zum Tee – ebenfalls aus dem Stammsortiment des Discounters. Danach gingen die beiden eine Fallstudie des Professors zu Aldi durch – Zeile für Zeile, drei Stunden lang, und Sachon wurde klarer als je zuvor, wie viel von Theo Albrechts Philosophie in Aldi steckt.

Aldisierung Deutschlands stößt an Grenzen

Tatsächlich dürfte der Tod des Aldi-Mitgründers zwar kaum direkte Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Im reifen Alter von 88 Jahren steuerte Theo Albrecht längst nicht mehr die Geschicke des Unternehmens. Sein Erbe ist geregelt, und auch im operativen Geschäft wird sich auf absehbare Zeit wenig ändern, zumal die Unternehmensstruktur per Stiftungskonstruktion in Stein gemeißelt scheint.

Dennoch markiert der Tod des Patriarchen eine Zäsur. Sein Ableben fällt mit einem Wendepunkt in der Unternehmensentwicklung zusammen: Die Aldisierung Deutschlands scheint an ihre Grenzen zu stoßen, die Ära stürmischen Wachstums ist vorbei. Zudem attackiert jetzt auch noch der Edeka-Billigableger Netto mit der 2009 übernommenen Kette Plus die Platzhirsche Aldi und Lidl. Selbst Supermärkte wie Rewe erleben ein Comeback. Höchste Zeit also für eine Inventur beim deutschen Discountprimus. Wohin steuert der Billigriese?

Aldi pflastert das Land zu

Jahrelang stellte sich die Frage nicht. Konsumkrise hin, Verbraucherfrust her – das Billigimperium der Gebrüder Albrecht kannte nur eine Richtung: aufwärts. Seit Beginn der Sechzigerjahre pflasterten Karl und Theo das Land zu. Rund 2500 Läden gibt es heute im Norden, der Süden bringt es auf 1800.

Dabei war das Erfolgskonzept anfangs eine reine Notlösung, erinnert sich Walther Vieth. Der Handelsveteran hatte im Januar 1961 eine Zeitungsannonce des "Lebensmittel-Filialbetriebs" Albrecht gelesen und sich als Filial-Revisor beworben. Die Stellung verlangte einen "fleißigen, charakterfesten Mann". Geboten wurden "Dauerstellung, gutes Gehalt" und ein Volkswagen. Vieth hatte Erfolg und bekam den Vertrag von Karl Albrecht, dem Älteren der Brüder. Schon damals hatten die beiden das Lebensmittelgeschäft ihrer Mutter Anna zu einer kleinen Kette ausgebaut. "In den 330 Albrecht-Läden zwischen Aachen und Dortmund", so hieß es in einer Werbeanzeige von 1961, würde "ausgesuchte Qualitätsware" zu günstigen Preisen "den ungeteilten Beifall von Tausenden treuen Albrecht-Kunden finden".

Die Albrechts entdecken den Discount

Aldi-Anzeige von 1961

Doch allzu stürmisch war der Applaus nicht. Im Gegenteil: Die Gebrüder Albrecht betrieben damals Kleinfilialen in Wohngebieten, Stubenläden mit oft nur 25 bis 30 Quadratmeter Verkaufsfläche. Ein, maximal zwei Mitarbeiter hätten dort die Kundschaft bedient und von Salz bis Reis rund 200 Waren des täglichen Bedarfs verkauft, berichtet Vieth.

Mit dem Erstarken der Supermärkte wurden die Nachbarschaftsläden jedoch zum Auslaufmodell. Kaiser’s und Deutscher Supermarkt machten sich breit, setzten auf Selbstbedienung und bauten ihre Fleisch- und Gemüseabteilungen aus. Die Albrecht-Kundschaft wanderte ab. Die Handelsbrüder scheiterten mit dem Versuch, eigene SB-Supermärkte zu betreiben. Die Konkurrenz war enteilt.

Auch die Idee, Großmärkte für Gewerbetreibende aufzumachen – das spätere Geschäftsmodell der Metro –, verfolgten die Albrechts. Unter dem Namen Alio wagten sie den Aufbau eines Cash & Carry-Marktes – und scheiterten erneut.

Der dritte Anlauf erwies sich schließlich als Volltreffer. Statt üppig bestückter Regale gab es in den Läden fortan ein karges Produktangebot, allerdings zu unschlagbar günstigen Preisen. Die Albrechts hatten den Discount entdeckt. Von der ersten Filiale in Dinslaken aus revolutionierte das neue Verkaufsformat ab Ende 1961 im Sturm die Handelswelt.

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