E-Learning Weiterbildung á la Günther Jauch

Einige Unternehmen scheuen noch immer den Einsatz von E-Learning. Dabei sind die Lernformen mittlerweile so vielfältig, dass jeder von ihnen profitieren kann, ohne nennenswert in Technik zu investieren. Und Spaß macht es auch noch.

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Quelle: handelsblatt.com

DÜSSELDORF. Bringen Sie die Punkte in die richtige Reihenfolge!" Beim E-Learning-Kurs "Gefahrenanalyse und HACCP" fühlt man sich zeitweise, als würde man Günther Jauch bei der Quizshow "Wer wird Millionär?" gegenübersitzen. "Obst in Saftpresse geben" kommt vor "Saftpresse betätigen" und nach "Obst zerkleinern". Was auf den ersten Blick leicht infantil wirkt, hat einen seriösen pädagogischen Sinn: Bevor Lebensmittelbetriebe die Gefahren im Produktionsprozess analysieren können, müssen zunächst die einzelnen Schritte klar sein. Erst dann kann man genau bestimmen, welcher Schritt mit welchem Risiko verbunden ist.

Durch solche kleinen Spielereien ist der Lerner mit einbezogen, sortiert die Schritte in seinem Kopf und macht sie sich bewusst. Die eBildung AG ist Dienstleister bei der Entwicklung dieses umfangreichen webbasierten Kurses. Alleinvorstand Marianne Schefczik- Dippel muss dabei noch immer gegen alte Vorurteile kämpfen. "E-Learning will nicht vorrangig einen Haufen Geld bei der Weiterbildung sparen, und man lernt damit auch nicht wie von selbst", sagt die Unternehmerin.

Es habe ein Jahr gedauert, bis dieser neue Kurs mit Hilfe mehrerer Partner entwickelt und einsatzbereit war. Die Teilnehmer müssten Zeit und Disziplin investieren, um von den Lerninhalten profitieren zu können. "Aber der Vorteil ist natürlich, dass sie sich das zeitlich und örtlich selbst einteilen können", so Schefczik-Dippel.

Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg. Unternehmen, die E-Learning zur Weiterbildung nutzen möchten, verlieren sich schnell im Dschungel der Anbieter, Zertifikate und Lernformen. "Der Markt ist total unübersichtlich", sagt Tim Schlotfeldt, der ein in der Branche anerkanntes E-Learning- Blog betreibt und sich als unabhängiger Berater selbstständig gemacht hat. Erwin Maier vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) kann das nur bestätigen: "Es kommen stetig neue Anbieter dazu, einige ziehen sich auch nach einigen Jahren vom Markt wieder zurück."

Das BIBB bietet die ausführlichste Anbieter-Datenbank ELDOC an. "Wir wollen die Qualität der E-Learning-Bildungsangebote durch Transparenz und Wettbewerb fördern und die Kontaktaufnahme von Interessierten zu Anbietern erleichtern." Wer bei all den Angeboten schnell den nächstbesten Kurs aussucht und seinen Mitarbeitern aufdrückt, habe schon verloren, so Tim Schlotfeldt. "E-Learning kann die komplette Lern- und Kommunikations-Kultur im Unternehmen verändern. Der Chef muss das Thema aber vorleben und mit einem kleinen engagierten Team testen", rät Schlotfeldt.

Dazu gehöre viel Vorarbeit, denn man müsse genau überlegen, welche computerbasierte Lernform für die eigenen Ziele nützlich sei. So sieht das auch Dr. Lutz Goertz vom Essener MMB-Institut für Medien- und Kompetenzforschung. Das Institut hat für das Bundeswirtschaftsministerium den Leitfaden "E-Learning in KMU - Markt, Trends, Empfehlungen" erstellt. "Wer Zeit in Auswahl und Planung investiert, profitiert sicher stärker von E-Learning." Die Hemmschwelle zum Ausprobieren sei mittlerweile eindeutig gesunken.

"Mit der Entscheidung für E-Learning sind keine großen technischen Investitionen mehr verbunden", sagt der Fachmann. Vieles sei mit einem simplen Internetzugang machbar. Denn die Lernformen sind vielfältig Viele Unternehmen setzen E-Learning noch immer mit formellem Lernen gleich. Dabei sind gerade für kleine und mittelständische Unternehmen Web-2.0-Tools vielversprechend. Vor allem unternehmenseigene Wikis, zu denen alle Mitarbeiter etwas beitragen. Beispiele: Wie bedanken wir uns, wenn Kunden Produktverbesserungen vorschlagen? Oder man gibt Tricks für Softwareprogramme oder sammelt empfehlenswerte Hotels für Besuche bei Stammkunden.

"So ein Wiki kann extrem wichtig sein, um Know-how im Unternehmen zu halten, wenn Fachkräfte die Firma verlassen oder es gar einen Wechsel an der Spitze gibt", sagt Berater Tim Schlotfeldt. Über Wikis können auch Protokolle für jeden zugänglich verwaltet werden.

Das MMB-Institut hat als weiteren wichtigen Trend für KMU Content Sharing ausgemacht. Aufwändig erstellte Lerninhalte können damit von anderen Unternehmen zweitverwertet werden. Die Web-Plattform Copendia hat diesen Trend bereits zum Geschäftsmodell gemacht. 80 Anbieter sind mittlerweile hier zu finden mit Kursen etwa zum effektiven Telefonieren am Arbeitsplatz, zu Preisdifferenzierung, Verhandlungstechnik und Business mit Stil.

"Technologisch sind die Kurse ausgereift, aber Unternehmer müssen natürlich ein Konzept für den Einsatz in ihrem Haus haben", sagt Antje Heinitz, Geschäftsführerin von Copendia. "Die Mitarbeiter müssen motiviert werden, damit sie den Kurs auch nutzen." Die Lizenzmodelle sind flexibel: "Eine Einzelplatzlizenz ist zum Beispiel schon für den Preis eines Lehrbuches erhältlich." Die Lerninhalte können auch mit eigenem Logo und eigenen Inhalten erweitert werden. Das MMB-Institut hat bei einer Befragung von E-Learning- Experten herausgefunden, dass in Zukunft vor allem solche Werkzeuge gefragt sind, die von vielen Beteiligten ohne großen Aufwand für gemeinsame Ergebnisse genutzt werden können. Der Trend geht also zu Web-2.0-Tools. Vor allem Firmen mit mehreren Zweigstellen und Dienstleistungsunternehmen könnten davon profitieren.

Der Erfolg von E-Learning steht und fällt mit den Mitarbeitern. Positiv überrascht sind nach Beobachtungen von Marianne Schefczik-Dippel vor allem ältere und weibliche Mitarbeiter, "die zum Teil das erste Mal intensiven Kontakt mit dem Computer haben". Denn sie hätten von Anfang an die Einstellung: Ich muss daran arbeiten, alles zu verstehen. "Wenn die Bereitschaft da ist, Neues auszuprobieren, ist der Lerneffekt enorm."

E-Learning - diese Formen gibt es

Computer-Based Training (CTB): Kurse werden per Computer absolviert, ohne zeitgleiche Betreuung durch einen Trainer. Meist per CD-Rom zu kaufen.

Web-Based Training (WTB): Kurse werden über das Internet oder Intranet angeboten. Hier kann direkt mit dem Tutor/ Dozenten über Chats, Foren, Audio und Video kommuniziert werden. Zum Beispiel der eingangs erwähnte Kurs "Gefahrenanalyse und HACCP".

Blended Learning: E-Learning und klassischer Präsenzunterricht werden kombiniert.

Simulationen: Simulationen bilden die Realität nach. Beispiel: Flugsimulationen für Piloten.

Informelles Lernen: jederzeit, an jedem Ort, mit flexiblen Lernmodulen über das Internet, kein abgeschlossener Kurs.

Web 2.0-Lernen: Nutzer stellen selbst Inhalte her und tauschen sich dazu aus (Wikis, Podcasts, Social Networks, Communitys, Videokonferenzen).

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