EM-Einwurf Danke, Kroatien!

Haben Sie am Montag auch was über Fußball dazu gelernt, so wie Günter Netzer und ich? Oder wussten Sie etwa schon vor dem fantastischen Sieg der Holländer über Italien, dass bei der Abseitsregel auch Verteidiger mitgerechnet werden, die sich - aus welchem Grund auch immer - hinter der Auslinie aufhalten?

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WirtschaftsWoche-Redakteur Hans Jakob Ginsburg

Wenn ja, sind Sie wahrscheinlich Fernsehreporter oder Besitzer der DFB-Schiedsrichterlizenz und müssen hier nicht weiter lesen.

So, jetzt sind wir fußballbegeisterten Laien unter uns und können in Erwartung weiterer deutscher Erfolge gemütlich weiter plaudern. Denn der holländische Erfolg war auch unserer.

Erstens ganz objektiv: Wenn Holland gemeinsam mit Frankreich oder Rumänien die Italiener in der Vorrunde scheitern lässt, fährt die einzige Spitzenmannschaft nach Hause, gegen die Deutschland regelmäßig verliert. Zweitens subjektiv: Es soll uns keiner erzählen, dass Angela Merkel sich in der Tagesschau einfach nur zufällig vor dem holländischen Spiel an der Seite von Nicolas Sarkozy im orangenfarbigen Gewand zeigte, fast als ob sie Harpe Kerkeling nachmachen wollte, wie der Königin Beatrix imitierte.

Das ist Staatsklugheit, das ist vorausschauend, und jetzt müssen wir noch die harmlosen Vorrundenspiele gegen Kroatien und Österreich abhaken, bevor die Tschechen oder die Portugiesen und anschließend dann eben doch die Holländer dran glauben müssen.

4. Juli 1998 in Lyon: Quelle: AP

Das klingt nach Hochmut vor dem Fall, aber die WirtschaftsWoche ist jetzt optimistisch: Bei der deutschen Konjunktur geht das momentan nicht mehr sehr gut, dafür aber beim Fußball umso besser.

Alle spielen für uns: Portugiesen und Tschechen sind – noch – kein Thema, und das war’s eigentlich schon mit den Spitzenteams. Denn dass die Spanier jedes internationale Turnier glanzvoll beginnen und dann auf halber Strecke gegen irgendwelche Langweiler ausscheiden, ist eine bekanntere Regel des internationalen Fußballs als die Hinter-dem-Tor-Abseits-Bestimmung. Und – beim Rehakles: Nach Außenseitertriumphen sieht es nach den ersten zehn Spielen dieser EM nicht aus.

So, jetzt wird der Kroate bei mir um die Ecke wahrscheinlich böse, wenn ich den nächsten Gruppengegner der deutschen Elf hier ignoriere. Ich esse da zwar nie was, aber die wenigen Kroaten, die ich kenne, sind nette Leute (Politiker in der Kriegszeit der Neunzigerjahre und ihre noch übleren Vorgänger im 20. Jahrhundert ausdrücklich ausgenommen). Also folgt hier der späte, aber ausdrückliche Dank des deutschen Fußballfans für die bisher zwei Spiele unserer Elf gegen Kroatien bei internationalen Turnieren.

Erster Dank für ein Spiel, das wenig kollektive Erinnerung hinterlassen hat. 1996 in Manchester auf dem Weg zur Europameisterschaft (!) gab’s im Viertelfinale ein 2:1 für Deutschland, Torschützen in deutscher Einigkeit der Schwabe Klinsmann und der Sachse Sammer. Und der zweite, viel tiefer empfundene Dank erfolgt für das 3:0 am 4. Juli 1998 in Lyon.

Nein, nicht 3:0, richtig ist 0:3, die Kroaten gewannen das Spiel, aber das war es ja gerade: Eine unmodern spielende und langweilige deutsche Spielertruppe, in Frankreich begleitet von den ekelhaftesten Fußballrowdies der DFB-Geschichte, hatte es durch Losglück und Siege über Fußballgiganten wie Iran und Mexiko bis ins Viertelfinale gebracht. Wo der Verteidiger Christian Wörns fand, er könne auf dem Platz schon lange, was die Rabauken draußen machten, und zu Recht vom Platz flog.

Danach konnte man von einer deutschen Abwehrkette nicht mehr sprechen, und die drei Spanien-Legionäre im kroatischen Team – Robert Jarni von Betis Sevilla, Goran Vlaović vom FC Valencia und Davor Šuker von Real Madrid – sorgten mit ihren Torschüssen für das völlig verdiente Endergebnis. Nur der Bundestrainer sah das anders, nur Berti Vogts, der nach dem Spiel den bösen norwegischen Schiedsrichter und die unfairen Kroaten für das Debakel verantwortlich machte. Gut so, denn diese Peinlichkeit war der Anfang vom Ende der Ära Berti. Danke, Kroatien!

Trotzdem wäre eine Wiederholung des Ergebnisses von 1998 nicht in unserem Sinn. Es spricht aber auch nichts dafür: Im kroatischen Aufgebot von 2008 versammeln sich Spieler aus halb Europa – mit einem gewissen Schwerpunkt in der Bundesliga – aber kein einziger aus Spanien.

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