Energie RWE und die Russen

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In der Kostenklemme

Aktien-Info RWE

RWE und E.On ächzen unter Lasten, die sie bisher nicht kannten. Der Atomausstieg frisst Umsatz und Gewinn, das seit Jahrzehnten gesicherte Geschäftsmodell, mit Kernkraftwerken Strom billig zu erzeugen und teuer zu verkaufen, läuft aus. Das Ende des Atomzeitalters erfordert neue Strategien, an denen es in den Konzernzentralen noch mangelt. Denn nicht nur der Atomausstieg zehrt an den bisherigen hohen Jahresgewinnen in Milliardenhöhe, auf geschätzte 500 Millionen Euro müssen beide Konzerne hier künftig verzichten.

Bei RWE schlägt zusätzlich die volle Anrechnung der Verschmutzungszertifikate vom Jahr 2013 an zu Buche. Dass die Essener mit ihren Braunkohlekraftwerken größte Luftverschmutzer Europas sind, kostet sie künftig zusätzlich eine Milliarde Euro Gewinn. Das wirkt sich fatal auf die Profitabilität aus: Denn mehrere Milliarden Euro muss RWE in die erneuerbaren Energien künftig investieren, um die wegfallenden Kraftwerkskapazitäten zu ersetzen. Doch RWE fehlt das Geld, der Konzern kann die Investitionspläne für Ökostromprojekte vorerst nicht ausweiten. „Die nächsten drei Jahre kann man nicht viel ändern“, sagt der Finanzchef der Erneuerbare-Energien-Tochter Innogy, Hans Bünting.

Auch Gaskraftwerke kann RWE nicht bauen. Denn Gas aus Russland, woher der Essener Versorger bisher seinen Rohstoffbedarf deckte, ist viel zu teuer. Die Essener leiden, ähnlich wie E.On mit Ruhrgas, unter kostspieligen Langfristverträgen, die über den Spotmärkten liegen. RWE könnte in der dreimonatigen Verhandlungsphase mit Gazprom vereinbaren, diese Langfristpreise zu senken. „Dafür wird aber Gazprom eine Gegenleistung verlangen“, sagt ein Vertreter der kommunalen Aktionäre. In Gazprom-Kreisen wird unumwunden eine Beteiligung des russischen Energieriesen an RWE gefordert. Gerade das würde sowohl bei den kommunalen Aktionären als auch den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat an die Substanz gehen. Denn beide Gruppen interessiert letztlich nur eines: die Sicherung von Standorten und Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland – Dinge, die Gazprom abgehen.

Wenn in drei Wochen der RWE-Aufsichtsrat tage, werde es genau darum zuvorderst gehen, sagt ein Kontrolleur: Wie viel Einfluss soll Gazprom erhalten, ohne die vitalen Interessen von Kommunen und Arbeitnehmern zu verletzen. Vor allem von den Arbeitnehmervertretern, die bisher im Schulterschluss mit den meist SPD-regierten Kommunen als Großaktionäre agierten, schlägt Großmann offene Ablehnung entgegen. Sie ärgern sich über den forschen Stil des großen Vorsitzenden und dass dieser sie bei der Verhandlungsanbahnung mit Gazprom lange im Dunklen ließ.

Undurchsichtige Absichten

Denkbar ist deshalb, dass Großmann und Gazprom-Chef Miller in den kommenden Wochen einen Einstieg der Russen unterhalb des RWE-Konzerns ausloten. Das könnte in einer Beteiligung von Gazprom an RWE-Ablegern wie der tschechischen Gastochter Transgas und dem Energiehandelsableger Supply&Trading münden. Offiziell sagt RWE dazu nichts: „Kein Kommentar“, heißt es.

Vor allem der bisherige Stil der Großmann’schen Vorverhandlungen mit Miller macht die Arbeitnehmerbank bei RWE argwöhnisch. Heinz Büchel, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von RWE Deutschland und Aufsichtsratsmitglied, macht daraus keinen Hehl.

„Keiner hat mit uns bisher darüber gesprochen“, sagte der mächtige Arbeiterführer gegenüber der WirtschaftsWoche. „Natürlich lösen solche Gespräche in der Belegschaft Unruhe aus, weil die Absichten von Gazprom bisher nicht ganz durchsichtig waren.“

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