Energie Stadtwerke verbünden sich gegen Stromkonzerne

Die Energiewende schwächt die großen Versorger – in die Lücke wollen Regionalversorger stoßen

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Morgenstimmung in Wesseling Quelle: dpa

Früher duckten sich die Stadtwerke an den Rand der Energiebranche. Tonangebend und wortgewaltig dagegen waren die großen Stromkonzerne wie E.On, RWE, Vattenfall und EnBW. Die Chefs dieser stromproduzierenden Großkampfschiffe der Versorgerbranche lehnten sich stets weit aus dem Fenster.

RWE-Chef Jürgen Großmann war im Herbst 2010 Wortführer der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke bis ins Jahr 2040 hinein, die E.On-Chefs begnügten sich schon lange nicht mehr mit dem deutschen Markt, sie wollten über 40 Milliarden Euro ausgeben für die feindliche Übernahme eines spanischen Energieunternehmens – was dann am Widerstand der Spanier scheiterte. Und der in Baden-Württemberg agierende Chef von EnBW träumte von baden-württembergischen Flüssiggastankern, die an die Gestaden Europas im Auftrag der Schwaben neue Energie ins Netz pumpen. Daraus ist – wie so vieles – nichts geworden, seitdem die Bundesregierung im Frühjahr den nationalen Atomausstieg beschloss und die ganze Branche nun nach Ersatz für den Atomstrom sucht, aber nicht findet.

Nun wittern die Stadtwerke Morgenluft. Sie sind die kleinen Einheiten auf Stadt- und Regionalebene, die einst treue Kunden der Großversorger waren. Doch seitdem die Stadtwerke ihre Energie selbst einkaufen, wie beim Gas zum Teil billiger auf den Spotmärkten, fühlen sie sich stark und lassen die Muskeln spielen. Viele Stadtwerke, die über eine solide regionale Kundenbasis verfügen, weil ihre Kundenzentren zwischen Rathaus, Kirche und Sparkasse einer Stadt bürgernah ihre Kunden umwerben, haben sich in der Vergangenheit zusammengeschlossen, um noch näher an die ganz Großen aufzuschließen.

Zu den Stadtwerke-Großverbünden gehört die Aachener Trianal mit über 50 Stadtwerken, die Thüga mit über 100 Regionalversorgern und die 8KU. Dort sind acht Stadtwerke von Großstädten gebündelt: Darunter Hannover, Frankfurt, Mannheim, Köln.

Nun wollen diese acht Regional-Kleinriesen zusammen ein Investitionsprogramm in Höhe von zehn Milliarden Euro stemmen, um Kraftwerke zu bauen. Bisher hat man mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf Basis von Gas oder Kohle bereits gute Erfahrungen gemacht. Nun sollen solche Kraftwerke verstärkt geplant werden – auf dem Reissbrett. Denn zur Zeit sind die meisten Fragen offen: Woher stammt der preiswerte Gasbezug? Wie sehen die Lastprofile in Deutschland aus, wenn die Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee ans noch nicht vorhandene Netz gehen? Gaskraftwerke dienen nämlich als technische Mittler zwischen Erneuerbaren Energien und konventionellen Kohlekraftwerken. Sie können schnell hochgefahren werden, wenn zwischen Kohlekraft und Windkraft ein plötzlicher Spannungsabfall – zum Beispiel bei Windstille und hohem Strombedarf im Winter – über das Netz hereinbricht und die Lichter ausgehen lässt. Von daher haben die Stadtwerke eine überaus wichtige Funktion.

Bisher sind es nur Ankündigungen. Konkrete Planungen gibt es fast überhaupt nicht. Auch darin machen es die Stadtwerke den einst großsprecherischen Konzernen, die aufgrund der Planungs-Unsicherheit, mittlerweile mucksmäuschenstill geworden sind, ihren Vorbildern nach. Sie sprechen erst und planen dann. Ob es dann zum Bau kommt, ist fast Nebensache. Hauptsache, die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich auf die einst im Stillen wirkenden Mauerblümchen der Energiewirtschaft in der Region.

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