Die Solarindustrie galt als Zukunftsbranche, Deutschlands Unternehmen standen für Innovation und Fortschritt bei der Energiewende. Doch vom Staat stets mit üppigen Subventionen unterstützt haben die deutschen Branchengrößen den selbst gepriesenen Fortschritt verschlafen. Inzwischen boomt die Solarenergie weltweit – doch das große Geschäft machen die Chinesen. Statt üppiger Gewinne gab es in der deutschen Solarbranche eine Pleite nach der anderen. Ein Überblick.
Conergy: Die Resteverwerter
Conergy, ja, die gibt es noch. Doch mit dem strahlenden Solarunternehmen von einst, immerhin Europas Branchenprimus, hat das Unternehmen kaum noch etwas zu tun. In den späten 1990er- und bis Mitte der 2000er-Jahre gehörte Conergy zu den Vorzeigeunternehmen der deutschen Solarwirtschaft.
Es produzierte so ziemlich alles was irgendwie mit der Nutzung von Sonnenstrom zu tun hatte, vom Wafer über die Zelle bis zum Modul. Sogar Wechselrichter und Gestelle für Module wurden in Tochterfirmen zusammengeschraubt. Und natürlich große Solarparks geplant und gebaut.
Kennzahlen zu Solarstrom
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kommen allein 2017 dazu.
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Stromkosten sparen Solarstromerzeuger im Jahr 2020.
kostet dann die Kilowattstunde.
Hohe Subventionen in Deutschland durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), die einst bei 43 Cent pro Kilowattstunde lagen, sicherten Conergy und anderen Konzernen Aufträge, ohne dass sie sich dafür viel Mühe machen mussten. In Deutschland herrschte Goldgräberstimmung. Die Gewinne flossen, und die Solarfirmen nutzten dies, um in neue Bereiche wie Biomasse oder Windkraft einzusteigen. Auch Conergy hat sich damals in weiteren Sparten der erneuerbaren Energien getummelt.
Dabei haben nicht nur die Hamburger ihr Kerngeschäft aus den Augen verloren. Branchenweit kamen immer mehr Produktionsstätten hinzu, so dass am deutschen Solarmarkt Überkapazitäten entstanden. Als dann auch noch die asiatischen Anbieter mit niedrigeren Preisen für Module und Zellen auf den Markt kamen, um ebenfalls die hohen Subventionen und üppigen Vergütungen abzugreifen, war schon alles zu spät. 2013 rauschte Conergy in die Insolvenz und wurde anschließend gnadenlos zerlegt.
Schon vorher war die Wechselrichter-Produktion Voltwerk an Bosch verkauft worden. Aus der Insolvenzmasse heraus ging dann die Zentrale in Hamburg sowie der Vertrieb mit dem Projektgeschäft und dem Betrieb von Solarkraftwerken an den US-Finanzinvestor Kawa Capital. Das Modulwerk in Ostdeutschland wurde abgespalten und an die asiatische Astronergy verkauft. Neben der Modulfabrik wechselte im Dezember 2013 auch der Conergy-Gestellproduzent Mounting Systems aus dem brandenburgischen Rangsdorf den Besitzer. Neuer Eigentümer wurde die Beteiligungsgesellschaft Nordwest Industrie in Frankfurt.
Damit ist Conergy inzwischen als reiner Dienstleister und Projektentwickler unterwegs. Seit wenigen Wochen ist auch ein neuer Junior-Partner an Bord: ein ebenfalls schwer angeschlagenes Unternehmen namens RWE. Deutschlands zweitgrößter Energieversorger steigt mit einer Minderheitsbeteiligung bei Conergy ein. Wie Kawa seinerzeit mitteilte, beteiligt sich der Essener Energiekonzern über seine Tochtergesellschaft RWE Supply & Trading GmbH an einer Kapitalerhöhung, durch die Conergy insgesamt 45 Millionen Dollar zufließen sollen.
Solarworld: Die Glücksritter
Als einer der wenigen großen Solarkonzerne in Europa hat die Bonner Solarworld die Branchenkrise überlebt – bisher, und mit einer gehörigen Portion Glück. Vor rund anderthalb Jahren war es Solarworld-Chef Frank Asbeck auf den letzten Drücker und nach monatelangem Ringen gelungen, ein Restrukturierungskonzept durchzusetzen und das Geschäft mit Hilfe eines tiefen Kapital- und Schuldenschnitts wieder auf eine solide finanzielle Basis zu stellen. Nur dieser radikale Eingriff sowie der Einstieg Qatars als Großaktionär konnten die Pleite verhindern.
Fast gleichzeitig übernahm Solarworld die deutsche Zell- und Modulfertigung von Bosch Solar Energy im thüringischen Arnstadt. Ein Fast-Pleitier legt sich also ein gigantisches Werk für Solarzellen und Module mit einer Gebäudefläche von gut 100.000 Quadratmetern zu, dass Bosch für mehr als eine halbe Milliarde Euro zwischen 2009 und 2011 in Ostdeutschland hochgezogen hatte. Wie das möglich ist? Ganz einfach: Asbeck musste nichts zahlen. Ganz im Gegenteil. Bosch nahm viel Geld in die Hand, um Asbeck seine Solarfabriken anzudrehen. Die Mitgift belief sich auf 130 Millionen Euro.
Asbeck inszeniert sich als "last man standing"
Inzwischen steht Solarworld einigermaßen stabil da, der Start ins Jahr lieft gut. Das Unternehmen habe seine Absatzmenge im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als 30 Prozent gesteigert, teilte der Konzern am Donnerstag mit. Für das Gesamtjahr erwartet der Konzern ein Umsatzplus von mindestens 25 Prozent auf mehr als 700 Millionen Euro.
Mehr als 50 Prozent des Konzernabsatzes sollen 2015 im stark wachsenden US-Solarmarkt erreicht werden. Doch auch in Europa will der Konzern Absatz und Marktanteil steigern. Größter europäischer Absatzmarkt bleibe voraussichtlich Deutschland, hieß es. Für das geplante Absatzwachstum will der Konzern seine Produktionskapazitäten in Deutschland und den USA weiter steigern.
Im vergangenen Jahr steigerte der Konzern seinen Umsatz um 26 Prozent auf 573 Millionen Euro. Unter dem Strich wies das Unternehmen einen Gewinn von 464 Millionen Euro aus. Dies war allerdings zu einem großen Teil auf Sondereffekte und Bilanzgewinne aus der Übernahme der Solaraktivitäten von Bosch zurückzuführen. Operativ will das Unternehmen erst in diesem Jahr wieder ein positives Ergebnis erreichen.
Lichtblick bei Solarworld wird gefeiert
Die Verluste von rund 190 Millionen Euro in 2013 konnten im vergangenen Jahr auf minus 43 Millionen eingedampft werden. Den operativen Verlust will das Unternehmen schon im laufenden Geschäftsjahr ins Positive drehen. Für 2015 erwartet Solarworld-Chef Asbeck ein weiteres starkes Wachstum des Konzerns mit einer Steigerung der weltweiten Absatzmenge auf mehr als ein Gigawatt.
Sogar einen Teil der Verbindlichkeiten will Solarworld früher zurückzahlen als vorgesehen. Von diesen Plänen profitieren nun die Anleiheinhaber. Ende März 2015 dürfen sie mit der Zahlung einer Sondertilgung rechnen. Kein Wunder also, dass der ungekrönte Sonnenkönig Asbeck gleich mal wieder mächtig ins Horn stößt. Er feiert sich als „last man standing“ in der europäischen Solarindustrie mit ernstzunehmenden Produktionskapazitäten. Und als Kämpfer gegen die Fernost-Übermacht: „Wir überlassen die Sonne nicht den Chinesen.“
SMA: Die Hilflosen
Was hat der Weltmarktführer für Wechselrichter aus dem Örtchen Niestetal bei Kassel nicht schon alles versucht: neue Produkte, strikte Kostenkontrolle, verbesserte Logistikkonzepte, verstärkte Internationalisierung, eine Billigmarke für China und nicht zuletzt die Kooperation mit dem dänischen Wärme- und Kältetechnikkonzern Danfoss. Ein Bündel an Maßnahmen, dass den angeschlagenen Riesen wieder in die Spur bringen sollte. Alles verpufft. Zum zweiten Mal in Folge schreibt das frühere Vorzeigeunternehmen SMA Solar rote Zahlen.
Und auch die Aussichten für das laufende Jahr sind düster. 2015 geht das Unternehmen von weiter rückläufigen Umsätzen aus. Im kommenden Jahr soll die Talfahrt aber ein Ende finden. 2016 wolle das Unternehmen zur Profitabilität zurückkehren, schrieb Vorstandssprecher Pierre-Pascal Urbon in dem am Donnerstag veröffentlichten Geschäftsbericht. Im vergangenen Jahr war das Unternehmen angesichts einbrechender Nachfrage auf wichtigen Märkten noch tiefer in die roten Zahlen gerutscht. Unter dem Strich stand ein Fehlbetrag von 179 Millionen Euro. 2013 hatte das Minus fast 67 Millionen Euro betragen.
Der Umsatzrückgang der Vorjahre setzte sich 2014 fort. Die Erlöse sackten um knapp 14 Prozent auf 805,4 Millionen Euro ab. SMA reagiert mit einem harten Sparprogramm. Ziel ist es, die Kosten so weit zu senken, dass das Unternehmen schon bei einem Umsatz von 700 Millionen Euro Gewinne erzielt. Dazu sollen 1600 der gut 5000 Arbeitsplätze weltweit gestrichen werden.
SMA fühlte sich zu sicher
An der im Januar veröffentlichten Prognose für dieses Jahr hielt SMA fest. Der Vorstand stellt sich demnach auf einen weiteren Umsatzrückgang auf 730 bis 770 Millionen Euro ein. Vor Steuern und Zinsen (Ebit) dürfte nach einem Minus von fast 165 Millionen im vergangenen Jahr nun noch ein Verlust von 30 bis 60 Millionen Euro zusammenkommen.
Ähnlich wie die Branchenkollegen aus der Modul- und Zellfertigung fühlte sich SMA zu lange zu sicher. Der Zeitpunkt, rechtzeitig interne Prozesse zu verbessern, etwa bei den Materialkosten, wurde verpasst. „Aber in Zeiten rasanten Wachstums, steigender Nachfrage und Verkäufermärkten war es wichtiger, immer genügend Rohstoffe und Komponenten für die Produktion vorrätig zu haben, anstatt sich Gedanken darüber zu machen, ob das ein oder andere Bauteil vielleicht zwei Tage zu lange auf Lager liegt oder einen Cent preiswerter produziert werden könnte“, suchte Vorstandschef Pierre-Pascal Urbon vor Jahresfrist im Interview mit der WirtschaftsWoche eine Begründung für die Versäumnisse.
Kein glückliches Händchen bewies Urbon auch in China. SMA kaufte vor gut zwei Jahren den chinesischen Wechselrichterhersteller Zeversolar. Doch das Unternehmen erfüllte bislang nicht die Erwartungen an den riesigen Wachstumsmarkt.
Urbon kürzt bei Forschung
Das passierte allerdings mit Ansage: „Ich kann aber hier und heute nicht sagen, ob wir nachhaltig in China erfolgreich sein werden. Der Solarmarkt dort wird nun mal stark von politischen Entscheidungen getrieben. Niemand kann uns garantieren, das Zeversolar tatsächlich bei den Ausschreibungsverfahren für die großen Solarparks zum Zug kommt. Das ist wie bei den chinesischen Modulherstellern. Da gab es plötzlich eine Liste mit Herstellern, die für den Solarausbau in China zertifiziert wurden. Und viele andere Unternehmen eben nicht. Auch chinesische Unternehmen werden bewusst vom Wettbewerb ausgeschlossen. Das ist für uns leider weder kontrollier- noch beeinflussbar“, erklärte Urbon vor Jahresfrist.
Lange Zeit war bei SMA klar, dass zwar die Kosten sinken müssen, aber die wichtigen Ausgaben für Forschung und Entwicklung hochgehalten werden. Doch dieses Tabu hat Urbon inzwischen gebrochen und auch dafür das Geld gekürzt. Damit beschneidet er ausgerechnet den Bereich, der den Vorsprung von SMA im weltweiten Technologiewettbewerb sichern könnte.
Als Beobachter wird man den Eindruck nicht los, dass die Verantwortlichen in Niestetal so langsam aber sicher mit ihrem Latein am Ende sind.