dena-Studie Fossile Kraftwerke auch 2050 unverzichtbar

Ein Deutschland ohne konventionelle Kraftwerke wird es auf lange Sicht nicht geben. Eine Studie der Deutschen Energie-Agentur beschreibt wie die Energieversorgung 2050 aussehen wird.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Ohne konventionelle Kraftwerke wird Deutschland auch 2050 nicht auskommen, schreibt die Deutsche Energie-Agentur in einer neuer Studie. Allerdings werden 80 Prozent des Stroms mittels Windkraft und Solaranlagen erzeugt. Quelle: dpa

2050 werden Gas- und Kohlekraftwerke voraussichtlich rund 60 Prozent der gesicherten Leistung stellen müssen – das heißt der Leistung, die zu jeder Zeit sicher zur Deckung der Nachfrage verfügbar ist. Das ist das Ergebnis einer Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena). Die Strommenge, die Windkraft- und Solaranlagen liefern, wird zunehmen, doch es wird vorerst schwierig bleiben, sie ins Stromsystem zu integrieren und gleichzeitig die Versorgungssicherheit bei stark schwankender Stromproduktion - abhängig von Wind und Sonnenschein - zu gewährleisten.

Die dena fasst zusammen: "Deutschland wird auch längerfristig einen ausgewogenen Technologiemix zwischen erneuerbaren Energien und konventionellen Kraftwerken benötigen." Untersucht wurde die Entwicklung des Stromsystems bis 2050 bei einem Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien auf über 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs gemäß Leitszenario 2009 des Bundesumweltministeriums unter Fortführung der heutigen Rahmenbedingungen.

Hintergründe zur dena-Studie

Der Ausbau der erneuerbaren Energien laut dena-Studie viele Problemen mit sich: So kann bei weiter ungesteuertem Ausbau der erneuerbaren Energien ein immer größerer Teil des erzeugten Stroms gar nicht genutzt werden. Gleichzeit decken die deutschen Anlangen nicht den Bedarf an der so genannten gesicherten Leistung. "Deutschland wird bis 2050 zum Netto-Stromimporteur, wobei dafür die grenzüberschreitenden Netze erheblich ausgebaut werden müssen", schreibt die dena.

„Der Atomausstieg und der Ausbau der erneuerbaren Energien sind erst der Anfang“, sagte Stephan Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, bei der Präsentation der Studienergebnisse in Berlin. „Energiewende heißt auch: neue effiziente fossile Kraftwerke, mehr Netze, mehr Speicher, mehr Flexibilisierung bei Erzeugung und Nachfrage – und Energiesparen wo immer wirtschaftlich möglich. Die Rahmenbedingungen dafür müssen jetzt geschaffen werden. Unsere Studie zeigt, mit welchen grundsätzlichen Herausforderungen wir es zu tun haben.“

Konventionelle Kraftwerke

Um eine sichere Versorgung zu gewährleisten, so die dena, kann die installierte Leistung der konventionellen Kraftwerke bis 2030 nur um rund 14 Prozent auf 83 Gigawatt und bis 2050 nur um 37 Prozent auf 61 Gigawatt im Vergleich zu 2010 zurückgehen. Die erneuerbaren Energien werden zwar 2050 über 80 Prozent des Stroms liefern, aber nur knapp 24 Prozent der gesicherten Leistung stellen, Speichertechnologien stellen rund 9 Prozent der gesicherten Leistung. 7 Prozent des Bedarfs an gesicherter Leistung müssten nach dem berechneten Szenario durch weitere Kraftwerke, die Modernisierung älterer Anlagen oder auf Basis von verbindlichen Verträgen aus dem Ausland bereitgestellt werden.

Bis 2050 werden neben den Atomkraftwerken auch die meisten derzeit noch aktiven Kohle-, Gas- und Ölkraftwerke stillgelegt sein. Die neuen fossilen Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 49 Gigawatt müssen gemäß Modellergebnis zum größten Teil bis 2020, spätestens bis 2030 gebaut werden. Hinzu kommen 12 Gigawatt konventionell befeuerte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK). "Ob diese Kapazitäten tatsächlich gebaut werden, ist fraglich", zweifelt die dena, "weil die Kraftwerke, mit Ausnahme der KWK-Anlagen, aufgrund des Vorrangs der erneuerbaren Energien immer weniger Betriebsstunden haben und sich unter den derzeitigen Rahmenbedingungen kaum noch wirtschaftlich rechnen."

Deutschland wird zum Stromimporteur


Die Stromproduktion aus Windkraft- und Solaranlagen ist kaum kalkulierbar. Die bestehenden Netze sind mit den starken Schwankungen überfordert. Quelle: dpa

Zu den größten Problemen zählt die Überproduktion aus Windkraft- und Solaranlagen sowie der Netzausbau. Ab 2020 werde es zunehmend zu Situationen kommen, in denen die Stromerzeugung die Nachfrage übersteigt, zum Beispiel bei gleichzeitig starkem Wind, starker Sonneneinstrahlung und niedrigem Verbrauch. Bis 2050 können rund 66 Terawattstunden beziehungsweise 15 Prozent des im Inland produzierten Stroms aus erneuerbaren Quellen weder im Inland noch im Ausland genutzt werden. Um die Anlagen in diesen Zeiten nicht abregeln zu müssen, wurden in der Studie drei Maßnahmen untersucht, die diesen Verlust insgesamt senken können:

  • flexiblere Gestaltung der Einspeisung aus KWK-Anlagen,
  • Errichtung zusätzlicher Speicherkapazitäten
  • stärkere Anpassung des Verbrauchs an die Erzeugung (Demand-Side-Management).

Trotz dieser temporären Überschüsse werde sich Deutschland langfristig vom Netto-Stromexporteur zum Netto-Stromimporteur wandeln. Die Studienleiter kommen zu dem Schluss: "2050 wird Deutschland im Jahressaldo etwa 134 Terawattstunden – rund 22 Prozent des inländischen Stromverbrauchs – aus dem Ausland importieren müssen, wenn nicht zusätzliche Kraftwerke im Inland gebaut werden." Um die Importe, insbesondere von Strom aus erneuerbaren Energien, handhaben zu können, müsse neben dem bestehenden europäischen Verbundnetz zusätzlich ein sogenanntes Overlaynetz eingerichtet werden, das große Strommengen mit wenig Verlust über große Entfernungen transportieren kann. Zusätzlich müssen die Übertragungs- und Verteilnetze in Deutschland erheblich ausgebaut und weiterentwickelt werden.

Erneuerbare Energien brauchen neues Marktmodell

Die Stromversorgung wird 2050 auf Grundlage des Szenarios deutlich mehr kosten als heute. Ursache hierfür sind hohe Kosten für die deutlich höheren Stromerzeugungskapazitäten, den Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur, für Reserve- und Regelenergie, Anbindung der Offshore-Windparks und Flexibilisierungsmaßnahmen wie Stromspeicher. Die erneuerbaren Energien würden unter dem heutigen Marktdesign auch im Jahr 2050 nicht marktfähig sein. Das bedeutet, dass die Stromgestehungskosten erneuerbarer Energien nicht komplett über den Verkaufspreis an der Strombörse gedeckt werden und daher die Differenzkosten auch weiterhin auf den Endverbraucher umgelegt werden müssten.

„Wir brauchen ein neues Strommarktdesign“, sagte Kohler. „Dazu gehören ein europäischer Kapazitätsmarkt, damit sich das Bereithalten von gesicherter Kraftwerksleistung lohnt, und ein grundlegend reformiertes Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Erneuerbaren besser in den Markt und das Stromsystem integriert. Als Industrienation müssen wir uns allerdings auch fragen, wie sehr wir uns von Stromimporten abhängig machen wollen; und wie sehr andere Länder bereit sind, jederzeit Kapazitäten für den deutschen Energiebedarf zur Verfügung zu stellen."

Die Selbstverständlichkeit, mit der manche davon ausgingen, dass Leistungsdefizite im deutschen Energiesystem durch Kraftwerke aus dem Ausland gedeckt werden können, sei verwunderlich, sagte Kohler. "Das Ziel sollte sein, die Stromversorgung in Deutschland auch durch den bevorstehenden Wandlungsprozess hindurch möglichst aus eigener Kraft und zu vertretbaren Kosten zu sichern – mit einem ausgewogenen Mix aus erneuerbaren Energien, konventionellen Kraftwerken, Speichern, Netzausbau, Demand-Side-Management und einer maßgeblichen Steigerung der Energieeffizienz.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%