Es soll ein „epochales Ereignis“ sein. Nicht weniger als „die dritte große Zäsur“ in der Unternehmensgeschichte: Nach der Privatisierung der Veba und der Fusion mit Viag will der E.On-Konzern auf der Hauptversammlung am Mittwoch seine Aufspaltung beschließen.
Mit einer Roadshow, wie sie vor einem Börsengang üblich ist, hat E.On-Chef Johannes Teyssen bei Investoren in London, New York, Frankfurt und Boston für den Neuanfang geworben. Dutzende Präsentationen hat er gehalten, Gespräche geführt, unzählige Hände geschüttelt.
Ob sich der Trip durch die halbe Welt gelohnt hat, wird sich nun zeigen. In der Essener Grugahalle steht Teyssen am Mittwoch vor seinen versammelten Aktionären, um ein letztes Mal für seinen Plan zu werben. 75 Prozent müssen der Aufspaltung eines der größten Energiekonzerne Deutschlands zustimmen. Das zukunftsträchtige Geschäft mit Erneuerbaren Energien und den Netzen bleibt bei der „neuen“ E.On, die Gas- und Kohlekraftwerke hingegen werden an die neue Gesellschaft Uniper ausgelagert.
Die wichtigsten Fragen zur E.On-Aufspaltung
Der Energieriese trennt seine konventionellen Gas-, Wasser- und Kohlekraftwerke sowie den Energiehandel ab vom Rest des Konzerns mit den Wind- und Sonnenenergieanlagen, den Stromnetzen sowie den modernen Energie-Dienstleistungsangeboten. Alte und neue Energie hätten sich so stark auseinanderentwickelt, dass beide Bereiche getrennt mehr Zukunft hätten, sagt E.On-Chef Johannes Teyssen. Das sei „Grundvoraussetzung für die Zukunftsfähigkeit von Eon und Uniper“, schrieb er vor kurzem an die Aktionäre. Aus der alten E.On werden zwei Unternehmen: Der Mutterkonzern schrumpft auf 40.000 Mitarbeiter, 14.000 Beschäftigte arbeiten bei Uniper.
Operativ arbeiten E.On und Uniper schon seit Jahresbeginn komplett getrennt. Im nächsten Schritt nutzt Uniper Kreditzusagen mehrerer Banken über rund 2,5 Milliarden Euro, um alte Kredite der E.On-Mutter abzulösen und sich so auch finanziell auf eigene Füße zustellen. Wenn die Hauptversammlung zustimmt, werden beide Konzernteile dann auch rechtlich getrennt. E.On legt seinen Aktionären gut 53 Prozent der Uniper-Aktien in ihre Depots. Für jeweils 10 E.On-Papiere gibt es einen Uniper-Anteilsschein. Später will sich E.On über die Börse auch vom Rest der Papiere trennen. Läuft alles reibungslos, könnte Uniper schon im dritten Quartal 2016 erstmals eine eigene Bilanz vorlegen.
Es gibt viel Zustimmung für Teyssens Plan. Allerdings haben die Aktionäre angesichts der Krise in der Branche auch das Gefühl, gar keine andere Wahl zu haben. „Wir begrüßen die Aufspaltung. Sie ist aus unserer Sicht alternativlos, um beide Unternehmensteile für die nächsten Jahre über Wasser zu halten“, sagt zum Beispiel der Fondsmanager Thomas Deser von Union Investment. Die Fondsgesellschaft zählt mit gut einem Prozent der E.On-Aktien zu den 20 größten Aktionären. Auch die Aktionärsvereinigung DSW will zustimmen – trotz Bedenken. „Unter der neuen Uniper-Flagge wird das Kohlekraftwerk auch nicht rentabler“, sagt DSW-Geschäftsführer Thomas Hechtfischer.
In der konventionellen Stromerzeugung vor allem mit Gaskraftwerken wird nichts mehr verdient. Die Gewinne schrumpfen immer weiter, weil subventionierter Ökostrom die Märkte flutet – zuletzt auch im ersten Quartal 2016. Wer soll vor diesem Hintergrund eigentlich künftig Aktien des Kraftwerksunternehmens Uniper kaufen, fragen die Aktionärsvertreter. Uniper hat ja selbst gleich zu Beginn ein Sparprogramm und den Verkauf von Firmenbeteiligungen angekündigt. Erst etwa ab 2018 erwartet Uniper wieder eine Belebung des Marktes für konventionelle Stromerzeugung.
Außerdem hat E.On auf Druck der Politik seine deutsche Atomsparte anders als geplant nicht der Erzeugungstochter Uniper zugeschlagen. Das ist unlogisch, denn für die Kernenergie des Konzerns in Schweden ist Uniper zuständig. Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Fonds, die immer beliebter werden, könnten E.On-Aktien wegen des Atomanteils meiden. „Ein schwerer Geburtsfehler“, sagt DSW-Mann Hechtfischer. Für 2016 haben beide Unternehmen Dividenden versprochen, aber die Analysten fürchten, dass sich das angesichts der schrumpfenden Erträge später ändern könnte.
Branchenweit müssen die Stromkunden mit weiteren Erhöhungen rechnen – allein schon, weil der teure Ausbau der Netze über den Strompreis mitfinanziert wird. Auch die EEG-Umlage dürfte weiter steigen. Angesichts der schlechten Ertragslage bei E.On ist dann kaum damit zu rechnen, dass der Konzern seine Strompreise für die Endverbraucher stabil hält. Allein 2015 habe der Energieriese seinen Kunden Strompreiserhöhungen zwischen drei und elf Prozent ins Haus geschickt, sagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. Der Großkonzern gehöre wie RWE regelmäßig zu den teuersten Stromanbietern im Vergleich – woran sich auch durch die Abspaltung nichts ändern dürfte.
„Mit der größten Transaktion in der jüngeren europäischen Industriegeschichte schaffen wir heute nichts weniger als eine neue E.On, die sich mit jeder Faser der Energiezukunft verschrieben hat“, wirbt Teyssen auf der Hauptversammlung. „Sie können künftig selbst entscheiden, ob Sie lieber in die neue oder die klassische Energiewelt oder in beide investieren wollen.“
Kohlekraftwerke bleiben unrentabel
Die Aktionäre sind sich uneins. „Die Aufspaltung ist eine Wette auf kommende Kapazitätsmärkte und steigende Strompreise, was ich aber beides nicht sehe“, sagt etwa Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) im Gespräch mit der WirtschaftsWoche . „Ein Kohlekraftwerk wird nicht rentabler, weil es plötzlich unter der Uniper-Flagge segelt.“
Die Fondsgesellschaft Union Investment hingegen begrüßt die Aufspaltung. Portfoliomanager Thomas Deser nennt sie „alternativlos, um beide Unternehmensteile für die nächsten Jahre über Wasser zu halten“. Die Aufspaltung sorge für „trennschärfere Geschäftsmodelle und mehr Transparenz, wodurch die Kapitalmarktfähigkeit erhalten bleibt.“ Alte und neue Energiewelt unter einem Dach erschwere E.On den Zugang zu Eigen- und Fremdkapital deutlich.
Eckpunkte aus E.Ons Bilanz 2015
781 Milliarden Kilowattstunden setzte E.On 2015 ab. Zum Vergleich: 2014 waren es 736 Milliarden Kilowattstunden
2015 waren es 1722 Milliarden Kilowattstunden, im Jahr zuvor 1161.
E.On machte 2015 116,2 Milliarden Euro Umsatz. (2014: 111,6)
7,6 Milliarden Euro in 2015, 8,3 Milliarden Euro in 2014.
2015 waren das -6,377 Milliarden Euro, im Jahr davor lag das Defizit bei 3,13 Milliarden Euro.
Nettoschulden zum 31.12.2014: 33,4 Milliarden Euro – ein Jahr später waren es noch 27,7 Milliarden Euro.
E.On hatte zum zum 31.12.2015 56.490 Beschäftigte. Im Vorjahr waren es noch 58.500 gewesen.
Doch genau an dieser Stelle sehen Kritiker den großen Geburtsfehler der „neuen“ E.On: Der 188 Seiten starke Spaltungsbericht, den das Unternehmen Anfang April vorgestellt hatte, führt aus, wie Assets und Schulden zwischen den beiden Gesellschaften aufgeteilt werden. Einer der Vermögenswerte der neuen E.On sind die deutschen Atomkraftwerke – obwohl sich E.On eigentlich auf die Erneuerbaren Energien konzentrieren soll. Sämtliche anderen konventionellen Kraftwerke werden an Uniper übertragen. Bis auf die Atommeiler eben – das hat die Politik verhindert.
Für Union Investment konterkariert der Verbleib der Atomkraftwerke „die grüne Wachstums- und Zukunftsstory“. „Die Atomausstiegskommission hat den Weg geebnet, dass man sich von der Ewigkeitshaftung freikaufen kann. Damit gehören die deutschen Kernkraftwerke nach einer umso zwingenderen Logik ins Uniper-Portfolio“, sagt Deser. „Sie sind der Klotz am Bein der neuen E.On“.
In Essen dreht sich alles um die Aufspaltung – doch es gibt auch reichlich Redebedarf über andere Themen. Unterm Strich musste Teyssen für 2015 einen Nettoverlust von fast sieben Milliarden Euro verbuchen – nach bereits 3,2 Milliarden Euro Miese im Vorjahr. Zudem werden wichtige Posten im Aufsichtsrat neu besetzt und über ein neues Vergütungssystem abgestimmt.
Milde Kritik am neuen Aufsichtsrat
Doch hier schien bereits im Vorfeld der Hauptversammlung Konsens zu herrschen. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, sind bei dem Konzern keinerlei Gegenanträge eingegangen. In den vergangenen zwei Jahren seien jeweils eine Handvoll Gegenanträge eingereicht worden. Darunter waren im vergangenen Jahr auch schon welche, die sich gegen die Aufspaltung gerichtet hatten, obwohl der Beschluss noch gar nicht anstand.
Dieses Jahr beschränkt sich die Kritik auf einige Wortbeiträge. So fordert Union-Investment-Redner Deser den neuen E.On-Aufsichtsratschef Karl Ludwig Kley dazu auf, weitere Mandate niederzulegen. „Die extrem fordernde Aufgabe bei E.On erfordert Ihre ganze Aufmerksamkeit, Herr Kley, deshalb sollten Sie die Zahl Ihrer anderweitigen Mandate künftig reduzieren.“ Bei einer Hauptversammlung inmitten der größten Krise der Konzerngeschichte noch eine sehr milde Form des Widerspruchs.
Soll sich E.On auch von den Netzen trennen?
In einem anderen Punkt sind sich die Aktionäre jedoch nicht einig. Der für sein aggressives Vorgehen bekannte Hedgefonds Knight Vinke hat in einem Brief an Investoren für einen noch tiefergreifenden Umbau geworben – indem E.On auch Gas-Pipelines und Energienetze abstoßen sollte. Ihr Wert als eigenständige Infrastruktur-Unternehmen sei weitaus größer als bei einem Energieversorger.
Der Fonds hält allerdings nur rund ein Prozent der E.On-Anteile. Wirklich Einfluss nehmen kann er damit nicht. Rein aus einem finanztechnischen Blickwinkel wäre eine solche Abtrennung von Pipelines und Netzen vielleicht sogar sinnvoll, heißt es aus Konzernkreisen. Unternehmerisch mache ein Verkauf der Infrastruktur aber keinen Sinn.
Die Aktionärsstruktur von E.On
2,43 Prozent
2,25 Prozent
2,02 Prozent
1,91 Prozent
1,84 Prozent
1,75 Prozent
1,65 Prozent
1,60 Prozent
1,03 Prozent
97,57 Prozent
Union-Investment-Manager Deser widerspricht selbst der finanztechnischen Ansicht: „Das regulierte Geschäft hat eine große Bedeutung für die Ratingeinstufung, somit ist auch das Netzgeschäft ein wichtiger Stabilitätsanker“, meint Deser. „Wir glauben nicht, dass man die anderen Geschäfte losgelöst von den Netzgeschäften voranbringen oder alleine aufstellen kann. Die Fähigkeit, Schulden zu bedienen, ist überlebenswichtig für E.On und Uniper, deshalb muss ein stabiles Investment-Grade-Rating oberstes Ziel für beide Gesellschaften sein.“
Das sieht auch Teyssen so. Nicht nur, dass die Netze ein wichtiges Wachstumsgeschäft für seine neue E.On sind. Auch die Schulden ist der E.On-Chef im vergangenen Jahr konsequent angegangen: Im Geschäftsbericht 2015 weist der Konzern eine Nettoverschuldung von 27,7 Milliarden Euro aus, rund sechs Milliarden Euro weniger als ein Jahr zuvor.
Bald wird sich Teyssen von weiteren 4,7 Milliarden Euro Schulden trennen können. Die muss Klaus Schäfer, ehemaliger E.On-Finanzchef und seit Januar 2016 Vorstandsvorsitzender von Uniper, in seine Bilanz aufnehmen. Anders als ursprünglich gedacht muss Uniper doch mit Schulden an den Start gehen.
Selbst ohne die Milliarden-Altlasten im Geschäftsbericht wird der Auftakt für Schäfer und seine 14.000 Mitarbeiter (bei E.On bleiben etwa 40.000 Angestellte) nicht einfach. Wegen der stetig wachsenden Produktion grüner Energie – die per Gesetz vorrangig ins Netz eingespeist werden muss – dümpeln die Großhandelspreise für Strom inzwischen bei 22 Euro je Megawattstunde. 2014 erlöste E.On noch 30 Euro, 2011 vor der Atomkatastrophe in Fukushima sogar 60 Euro. Strom, den Uniper auf Termin verkauft hat, also erst 2017 und 2018 liefern muss, bringt 20 Euro pro Megawattstunde.
Lohnen sich Großkraftwerke noch?
Die Grenzkosten, also die Preise, ab denen sich die Produktion überhaupt lohnt, liegen bei den Kohlemeilern zwischen 25 und 55 Euro pro Megawattstunde und bei Gaskraftwerken sogar zwischen 45 und 55 Euro. Wirtschaftlich betreiben lassen sich die Kraftwerke nicht mehr.
„Wenn dieser Preisverfall nicht durch politische Stützungsmaßnahmen gestoppt wird und keine Kapazitätsmärkte eingeführt werden, ist nicht nur Uniper in Gefahr, sondern auch die Versorgungssicherheit in Deutschland!“ Das sagt kein Lobbyist oder E.On-Chef Teyssen, sondern Thomas Deser. „Andere Länder haben bereits erkannt, dass Versorgungssicherheit nicht zum Nulltarif zu haben ist“, betont der Portfoliomanager. „Nur mit einem tragfähigen Strommarktdesign kann die Energiewende gelingen, ganz ohne konventionelle Großkraftwerke wird es auch künftig nicht gehen!“
Eine Aussage, der auf der Hauptversammlung wohl nur Wenige widersprechen werden. Ob die Großkraftwerke aber auch für Kleinaktionäre interessant bleiben, bezweifelt DSW-Geschäftsführer Hechtfischer. „Bezeichnend ist, was die beiden Chefs machen: Sowohl Herr Terium bei RWE als auch Herr Teyssen gehen zu den Erneuerbaren. Als Aktionär würde ich das auch tun.“