E.On, RWE und EnBw Was vom Oettinger-Vorschlag zu halten ist

EU-Kommissar Günther Oettinger schlägt die Fusion von E.On und RWE vor. Passen die beiden deutschen Energiekonzerne überhaupt zusammen? Oettingers Vorschlag wurde vielerorts nicht ganz ernst genommen, entfachte aber eine seit Liberalisierungszeiten nie gekannte Fusionsphantasie für die Energiebranche. Eine Analyse von Positiv- und Negativpunkten von Fusionen von E.On, RWE und EnBW.

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Strommast Quelle: dapd

Das Jahr ist gerade zehn Tage alt und schon kommt der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg und EU-Energiekommissar Günther Oettinger mit einem verspäteten Knaller um die Ecke. Oder ist er beim Bleigießen ins Sinnieren gekommen? Der Ruhrgebietsversorger RWE aus Essen und das Düsseldorfer Energieunternehmen E.On sollten doch fusionieren, sagte er der Düsseldorfer Regionalzeitung „Rheinische Post“. Nur so könnten sich beide Unternehmen aus der Regionalliga, in der sie sich zur Zeit noch befinden, heraus katapultieren und sich auf Augenhöhe mit dem russischen Gasriesen Gazprom und dem US-Platzhirschen Exxon hieven – Exxon, dem Unternehmen aus der Gründerzeit des legendären Rockefeller, das älteste und größte Energieunternehmen der Welt.

Auf vielen Feldern würden E.On und RWE zusammenpassen, auf einigen aber auch nicht, in wesentlichen Geschäftsbereichen würden sie sich als Einheit sogar behindern. Doch Denkverbote sollte man nicht aussprechen. Ein Gedankenspiel nach Oettinger-Art:

Pluspunkte einer E.On-RWE-Fusion

  • Beide Energieriesen haben zur Zeit mächtige Probleme mit dem Vorlieferanten Gazprom. Sie beziehen ihr Gas aus Russland, das sie hier in Deutschland an Stadtwerke weiterverkaufen. Der Erdgaspreis ist zu hoch. Die Langfristverträge will Gazprom nicht aufbrechen. Gerade sind Verhandlungen von RWE mit Gazprom gescheitert, sie sollten preiswertes Erdgas ermöglichen, auch um neue Gaskraftwerke als Ersatz für stillgelegte Atommeiler nach der Energiewende zu schaffen. Viele RWE-Manager erkannten, dass RWE als Abnahmemacht zu klein ist für Gazprom. Druck könnte man nur im ganz engen Schulterschluss mit E.On hinbekommen, die ihrerseits mit den Russen verhandeln und auch nicht weiterkommen. Ein E.On-RWE-Konzern könnte mehr Gewicht auf die Waage bringen und die Russen verhandlungswillig an den Tisch zwingen
  • E.On und RWE könnten ganz gewaltig die Kosten senken, wenn sie ihre Verwaltungsstandorte zusammenlegen. Essen, Dortmund, München und Hannover könnten ganz in Düsseldorf konzentriert werden. Verwaltungskosten in Höhe von 50 Prozent könnten laut Insiderschätzung eingespart werden. Der RWE-Turm in Essen, bisher die Zentrale des Versorgers, könnte „schnell vermietet oder verkauft werden“, sagen Immobilienexperten schon jetzt.
  • Der Abriss von Atomkraftwerken könnte billiger ausgeführt werden, wenn beide Konzerne zusammen als Auftraggeber auftreten
  • Beide Konzerne könnten ihr Versorgungsgebiet zusammenführen, das heißt die Gebiete von Westdeutschland (RWE), Nord-(E.On) und Süddeutschland (E.On) können vereinheitlicht werden. Das spart Kosten.
  • RWE-Strom könnte unter der bundesweit bekannten Marke E.On mehr Bekanntheit bekommen. Der Name RWE ist außerhalb von Nordrhein-Westfalen kaum bekannt, wird außerhalb des Stammlandes beispielsweise oft mit „Rewe“ verwechselt.
    E.On hat bisher eine überzeugende Werbestrategie durchgezogen, wird im TV beworben, RWE nicht.
  • E.On-Chef Johannes Teyssen ist schon mal als RWE-Chef gehandelt worden, wäre also beim kommunal beeinflussten Versorger akzeptiert. Bei RWE dagegen steht im Sommer gerade ein Chefwechsel an, der umstrittene Jürgen Großmann geht, der Niederländer Peter Terium soll kommen, ist aber noch ein unbeschriebenes Blatt. Noch ist der Wechsel nicht vollzogen. In das Vakuum könnte Teyssen ohne große Widerstände bei RWE stoßen.
  • Mit der Annahme der E.On-Kultur könnte im zerstrittenen RWE-Management endlich Ruhe einkehren.
  • Wenn die Kommunen, die 25 Prozent an RWE halten, verkaufen, könnte der neue Konzern vollständig privatisiert werden
  • E.On und RWE wollen in Großbritannien Atomkraftwerke bauen. Das Großprojekt könnten sie demnächst nicht nur in einer Partnerschaft, sondern als einheitliches Unternehmen betreiben.
  • Der Name RWE könnte ganz und exklusiv vom Essener Fußballclub Rot-Weiß Essen (ebenfalls RWE) beansprucht werden.

Die Negativ-Punkte des Oettinger-Vorschlages

  • E.On und RWE verdoppeln ihre Schwächen, in dem sie auslaufende Atomkraftwerke zusammenlegen.
  • Ein Einheitskonzern würde deutscher sein, als es ein Energieunternehmen in Deutschland je war. Das läuft den Internationalisierungsbemühungen bei E.On stark entgegen, die Strategie in Schwellenländern wie Indien und Brasilien zu investieren würde hintangestellt. E.On und RWE könnten sich mit ihren addierten Schwierigkeiten als Riesen-Problem-Bär erweisen.

Fusion von E.On und EnBW

Wahrscheinlicher als die Fusion von E.On und RWE, wäre E.Ons Vereinigung mit EnBW. Quelle: dpa
  • Mit der Fusion mit RWE würde sich E.On ein stark regional denkendes, wenig weltläufiges Management aufhalsen.
  • In Verhandlungen mit Gazprom würde ein E.On-RWE-Konzern erst recht Objekt der Begierde sein. Gazprom verlangte bisher nach Beteiligungen an deutschen Energiekonzernen, ein künftiger E.On-RWE-Konzern wäre da noch attraktiver. Beteiligungsverkäufe ganz oder in Teilen an Gazprom wollen beide Unternehmen aber bisher verhindern.
  • Die kommunalen Aufsichtsräte würden ihre Jobs verlieren, ein Hemmschuh der Fusion
  • E.On würde sich mit den Braunkohlekraftwerken von RWE beladen, die ab 2013 die Verschmutzungszertifikate voll bezahlen müssen und die Bilanz verschlechtern.
  • Das Bundeskartellamt in Bonn würde sich sperren, wenn nicht ein ausländischer Partner rasch dazukäme.

Wahrscheinlichkeit: Eine Fusion wäre möglich, jedoch nur im Verbund mit einem dritten Großpartner, der aus dem Ausland stammen müsste. RWE-Chef Jürgen Großmann könnte die Fusion einfädeln. Die Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning (E.On) und Manfred Schneider (RWE) könnten sich vom Naturell und von der Herkunft her schnell einig werden, da beide Chefs von Bayer waren.

Die zweite Fusionsphantasie

Eine andere Fusionsphantasie wäre das Zusammengehen von E.On und EnBW, auf die bisher noch niemand gekommen ist, die aber wahrscheinlicher wäre als die von E.On und RWE:

Pluspunkte der Idee E.On-EnBW

  • Die grün-rote Landesregierung in Stuttgart steht unter dem Druck das „Problem EnBW“ zu lösen. Das Konzern, der zu 46 Prozent dem Land gehört und zu 46 den schwäbischen Kommunen, schaffte bisher die grüne, atomfreie Wende nicht, auch nicht den Einstieg in das Erdgasgeschäft. Das könnte mit E.On leichter funktionieren. E.On und EnBW könnten über Nacht zum weltgrößten Anbieter von Windkraftstrom werden, Wasser auf die Mühlen von Grünrot in Stuttgart, die beim Bahnprojekt Stuttgart 21 gerade eine herbe Niederlage einstecken mussten
  • Mit der Fusion von E.On und EnBW würden sich die schwäbischen Kommunen und das Land aus EnBW zurückziehen. Die Entscheidungsezentrale der baden-württembergischen Energiepolitik läge weitab von den Stuttgarter Politikern, die sich bei allen Erfolgen in ihrer eigenen Fusionsidee sonnen könnten, bei Pannen aber mit dem Finger auf das ferne Düsseldorf zeigen können.
  • E.On würde wieder in Besitz von Wasserkraftwerken kommen, die es aus Gründen einer scharfen Auflage aus Brüssel an die österreichische Verbund verkaufen musste.
  • Bei EnBW läuft der Vertrag von EnBW-Chef Hans-Peter Villis aus. Es gäbe also keine Machtkämpfe. Villis ist ehemaliger E.On-Manager. Er könnte kampflos an Teyssen übergeben.

Minuspunkte der Idee

  • E.On würde sich das zum Teil sehr regionale Geschäft in Baden-Württemberg aufbürden, dessen Integration den Gesamtkonzern auf Jahre hinaus lähmen würde.
  • Die aus Synergiegründen unausweichliche Schließung des badischen EnBW-Standortes Karlsruhe würde zu erheblichen Protesten und Negativschlagzeilen in der baden-württembergischen Regionalpresse führen.
  • Die innovativste deutsche Strommarke Yello würde dem E.On-Nachzügler E wie einfach geopfert.
  • Das Amphibienschutz-Programm von EnBW „Frosch & Co“, das die Fauna in schwäbischen Gewässern schützen soll, würde von E.On wahrscheinlich aus Kostengründen ausgetrocknet werden. Teyssen fährt einen strikten Sparkurs und hängt mit dem Herzen eher an der Hildesheimer Börde als an schwäbischen Biotopen.
  • Das Bundeskartellamt in Bonn würde sich bei einer derartigen Angebots-Zusammenballung auf nationaler Ebene im süddeutschen Raum sperren, wenn nicht ein ausländischer Partner als Dritter im Bunde dazukäme

Wahrscheinlichkeit: E.On und EnBW könnte eher kommen als E.On und RWE. Es gibt handfeste Gründe, dass die EnBW-Eigentümer daraus politische Vorteile ziehen könnten. Für das Land und die schwäbischen Kommunen fast ein goldener Exit aus dem Problem EnbW, das aus alleiniger Kraft die Energiewende nur sehr schwer schaffen kann. Oettingers Botschaft: Es bleibt spannend in der Energiewirtschaft.

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