Bleibt die Frage, ob der Solarstrom dann komplett mit chinesischen Modulen produziert wird, weil die deutschen Hersteller vom Markt gefegt wurden?
Die Gefahr ist real. Die Regierungen in China und Malaysia sehen in der Fotovoltaik eine Schlüsseltechnologie für die künftige Energieversorgung und bauen daher eine starke Solarindustrie auf. Allein China hat 40 Milliarden Dollar an billigen Krediten bereitgestellt. Die chinesischen Hersteller können mit dem Geld die neuesten Anlagen kaufen. Das ermöglicht es ihnen, heute weltweit am preisgünstigsten zu produzieren. Nicht wegen der niedrigen Löhne, sondern wegen der Größe und Modernität der Anlagen.
Die hiesige Solarindustrie hätte in den wirtschaftlich guten Zeiten selbst in Wachstum und moderne Maschinen investieren können.
Da wurden ohne Zweifel große strategische Fehler gemacht. Allerdings waren die Systempreise vor 18 Monaten noch auf einem Niveau, das jedem Anbieter ein profitables Geschäftsmodell erlaubte. Jeder wusste zwar, ich muss nächstes Jahr kostengünstiger produzieren können, aber es ging um Raten von 10 oder 20 Prozent und nicht um eine glatte Halbierung der Fertigungskosten wie nach dem jetzigen extremen Preisrutsch.
Alle haben sich verkalkuliert?
Es gibt ja keine internationale Meldestelle für neue Solarfabriken. Und so ahnte niemand, wie gigantisch vor allem das Angebot aus China wuchs. Die 40 Milliarden bedeuten umgesetzt etwa 30 bis 40 Gigawatt Produktionskapazität. Solche Mengen kann selbst der schnell wachsende Fotovoltaikmarkt nicht aufnehmen.
Sind die deutschen Hersteller aus dem Rennen?
Deutschland und Europa müssen jetzt die Frage beantworten: Wollen wir die Fotovoltaik wegschenken oder hier halten? Für Zweites gibt es einen einfachen Rettungsmechanismus, nämlich Kreditgarantien. Sie würden helfen, dass die Banken den Solarunternehmen Geld zu Zinsen leihen, die diese sich leisten können. Und dann wäre diese Zukunftsindustrie von den Kosten her absolut konkurrenzfähig und könnte vom riesigen Wachstum profitieren. Schon 2020 erwarten wir eine jährliche globale Nachfrage von 100 Gigawatt.
Auch die asiatischen Anbieter werden ihre Kosten weiter senken. Zieht Deutschland in diesem Wettlauf nicht zwangläufig den Kürzeren?
Die asiatischen Hersteller realisieren ihre Kostenvorteile weitgehend mit deutscher Anlagentechnik. Das bedeutet: Wenn wir hier ein ähnliches Investitionsklima schaffen wie dort, können sich unsere Unternehmen ebenfalls die neuesten Maschinen leisten und gleichziehen.
Haben Sie für diese Idee ein Vorbild?
Ich denke an Albany bei New York. In das dortige Mikro-Nano-Elektronikzentrum haben die US-Regierung und Branchengrößen wie IBM und Intel fünf Milliarden Dollar investiert, um sicherzustellen, dass die USA in der strategisch wichtigen Halbleiterindustrie und Nanotechnologie weltweit an der Spitze bleiben. Solch ein Denken bräuchten wir auch in Europa.
Und Freiburg mit dem ISE würde das Albany für die Fotovoltaik werden?
Wir sind das größte Solarforschungsinstitut Europas. In einem solchen Verbund sollte es uns gelingen, die Herstellungskosten der Solarmodule bis 2014 von 60 bis 70 Cent je Watt auf 40 bis 50 Cent zu drücken und damit die globale Kostenführerschaft zu erreichen.
Warum sollen wir nicht auch unsere Solarmodule aus Asien beziehen wie heute schon Laptops und Fernsehgeräte?
Im Kern geht es um die Frage: Wollen wir mit den asiatischen Ländern bei wichtigen Zukunftstechnologien mithalten oder uns von ihnen abhängig machen? Und da geht es nicht nur um die Fotovoltaik, sondern etwa auch um Flachbildschirme, Mikroelektronik und Nanomaterialien. Wir müssen entscheiden, ob wir die Massenproduktion dieser Güter den Ländern überlassen, die dafür das entscheidende strategische Investment bereitstellen, oder ob wir das nicht besser selbst tun.
Wir entwickeln, die anderen verkaufen.
In diese Richtung geht es. Das große Problem ist: Wenn es hier keine Modulhersteller mehr gibt, werden auch die Anlagenbauer ihren Kunden folgen. Denn was nutzt ihnen eine Fabrik im Schwarzwald, wenn die Käufer alle in China sitzen.