In seinem Job sei das Problem Politik doppelt schwierig, sinniert Mastiaux und wagt einen vorsichtigen Fingerzeig an die christdemokratisch und grün angehauchte Fraktion in seinem Aufsichtsrat. „Die Anteilseigner der Landesregierung im Aufsichtsrat trennen zwischen der Verantwortung für das Land und den parteipolitischen Farben.“ Er fordert das auch ein.
Ohne sich durchzulavieren, wird Mastiaux als EnBW-Chef kaum überleben. Dass er bisher kaum Windräder gebaut hat, relativiert er und meint: „Nicht alle baden-württembergischen Windräder müssen von EnBW errichtet werden.“ Mastiaux weiß zu gut, wie schnell er es sich mit einflussreichen Politikern verscherzen kann, wenn er mit Windrotoren die Augenweiden in Tourismusregionen stören würde.
Mastiaux hat es nicht leicht in Deutsch-Südwest. Er ist weder Württemberger noch Badener, er stammt aus dem Ruhrpott. Darum versucht er sich gar nicht erst auf Schwäbisch, noch viel weniger auf Berater-Denglisch. Stattdessen ist er bemüht, den kumpelhaften Typ zu geben, ansonsten aber Klartext zu reden.
Viel anderes bleibt Mastiaux auch nicht. Denn sein Handlungsspielraum ist ziemlich eng. 2011 verbuchte EnBW wegen der Abschaltung zweier Blöcke der Atommeiler in Neckarwestheim und Philippsburg schlagartig einen Verlust in Höhe von 900 Millionen Euro. Es folgte ein Jahr mit 2,3 Milliarden Euro Überschuss vor Zinsen, Abschreibungen und Steuern. Vor der Energiewende waren die Gewinne dreimal so hoch.
Und die Misere nimmt kein Ende. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2013 brach der ohnehin schmale Gewinn um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein, weil EnBW nicht ausreichend Strom absetzen konnte. Besserung ist kaum in Sicht. Neben seinen beiden Atommeilern, die zum Auslaufen verdammt sind, verfügt Mastiaux noch über 43 Kohlekraftwerksblöcke, die allesamt unwirtschaftlich sind.
Das ist prekär, denn EnBW versorgt nicht das dünn besiedelte flache Land, sondern eines der industriellen Zentren Deutschlands mit mittelständischen Weltmarktführern und Großunternehmen wie Audi, Bosch oder Porsche. Gelingt der Ausstieg aus der Atomkraft nicht, ohne gleichzeitig für eine grüne und sichere Alternative zu sorgen, gefährdet Mastiaux die Jobs, die dem Ländle eine Spitzenposition in Deutschland beschert haben.
„Wir müssen rasch neue Erlösquellen erschließen“, doziert Mastiaux. Um das Vabanquespiel zu illustrieren, nimmt Mastiaux einen Kugelschreiber und skizziert mit schnellen Strichen die Gewinnentwicklung von EnBW bis 2020. Der Überschuss der konventionellen Kraftwerke vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 1,2 Milliarden Euro 2012 wird bis 2020 auf läppische 300 Millionen Euro zurückgehen. Die riesige Lücke von 900 Millionen sollen die erneuerbaren Energien schließen, die fast dreimal so viel Einnahmen bringen sollen, sowie Anlagen zur dezentralen Energieversorgung. So will es der grüne Kretschmann. Mastiaux wird kämpfen müssen, um das zu erreichen.
Als Nächstes heißt es aber, alles zu unternehmen, um wenigstens einem Teil seiner Kohle- und Gaskraftwerke eine Geschäftsgrundlage zu verschaffen: indem er die Bundesregierung überredet, den Meilern Einnahmen zu verschaffen, auch wenn sie nur als Reserve bereitstehen.
Wie, das hat Mastiaux vor der Wahl schon Kanzlerin Angela Merkel vorgetragen: Wer unsteten Ökostrom produziert, soll Zertifikate erwerben, um damit die fehlende Versorgungssicherheit bei Betreibern fossiler Kraftwerke auszugleichen. Ob die Regierungschefin und ihr neuer Wirtschafts- und Energieminister die Idee gut finden, wird die Neujustierung der Energiewende zeigen.