Wie können Deutschland, Europa und die internationale Staatengemeinschaft die Klimaschutzziele erreichen, die im vergangenen Dezember in Paris beschlossen wurden? Für das norwegische Gas- und Ölunternehmen Statoil, das am Donnerstag seinen jährlichen Energiebericht vorlegte, ist die Antwort klar: Wir sollten schnellstmöglich aus der Kohletechnologie aussteigen.
Gegenwärtig werden rund 30 Prozent des weltweiten Energiebedarfs mit Hilfe von Kohle gedeckt, im Bereich Elektrizität sind es sogar 40 Prozent. Aus Sicht von Statoil muss sich das ändern. „Wir benötigen schnelle Veränderungen im Stromsektor und beim privaten Straßenverkehr.
Zusätzlich sind erhebliche Steigerungen der Energieeffizienz in allen Sektoren notwendig“, sagt Eirik Waerness, Chefvolkswirt des norwegischen Unternehmens.
Die Entwicklung des Kohlebedarfs ist aus Waerness‘ Sicht entscheidend für die Frage, wie sich der weltweite CO2-Ausstoß in den nächsten Jahren verändert. Je nach Szenario – einer stärkeren oder eben schwächeren Klimaschutzpolitik – dürfte der Ausstoß bis zum Jahr 2040 um bis zu 3,1 Prozent abnehmen oder gar um 0,8 Prozent steigen. In einem Vierteljahrhundert könnten dann jährlich zwischen 17 bis 37 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft gepustet werden. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 waren es 32 Milliarden Tonnen.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, bis 2020 ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 20 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 zu reduzieren. Gleichzeitig soll die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöht werden, um mit den erneuerbaren Energien einen Anteil von 20 Prozent am Gesamtenergieverbrauch zu erreichen.
Im Jahr 2030 sollen die EU-Staaten ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 senken, die erneuerbaren Energien sollen einen Anteil von mindestens 27 Prozent am Energieverbrauch in der EU erreichen.
All das wird nur möglich sein, wenn die Europäer mittel- bis langfristig aus der Kohleenergie aussteigen. Deren Ende hatten die G7-Staatschefs bereits im vergangenen Jahr im bayrischen Elmau verabredet. Doch wie kann das gelingen? Und welche Strategie sollte Deutschland verfolgen?
Pro Tonne CO2 30 Euro
Die Bundesrepublik könnte – vergleichbar mit dem Atomausstieg – ein Ende der Kohleenergie beschließen. Das wäre aufwändig und wohl teuer für Berlin. Die Bundesrepublik müsste mit jedem einzelnen Betreiber die Bedingungen einer Stilllegung verhandeln. Das Hauptproblem einer rein deutschen Lösung: Die Emissionen, die hier nicht mehr stattfinden, würden sich wohl massiv ins Ausland verschieben. Deutschland, bislang Stromexporteur, müsste plötzlich Strom aus anderen EU-Staaten importieren. Die CO2-Emissionen fänden also weiterhin statt – nur nicht in Deutschland.
Andreas Löschel, Professor für Energie- und Ressourcenökonomik an der Universität Münster, hält daher einen europäischen Ansatz für notwendig, um den Kohleausstieg ökonomisch sinnvoll umsetzen zu können.
„Ein europaweiter CO2-Preis wäre die bevorzugte Variante zur Erreichung der Klimaziele“, sagt Löschel. Eine Tonne müsste etwa 20 bis 30 Euro kosten, damit die Energieerzeuger auf effizientere Kraftwerke und andere Technologien als Kohle setzen.
Das würde Gasunternehmen wie Statoil freuen. Im Wärmebereich spielt Gas heute eine große Rolle. Laut EU-Kommission speist sich die Wärmeerzeugung derzeit zu 46 Prozent aus Gas. Energieexperte Löschel glaubt, dass diese Werte erheblich zurückgehen werden, wenn die Maßnahmen greifen, energieeffizienter zu bauen beziehungsweise bestehende Gebäude nachzurüsten.
Der Bedarf an Heizmitteln nimmt dann insgesamt ab, was auch Gas und Öl beträfe.
Zugleich dürfte der Bedarf an Strom aus Gaskraftwerken zunehmen, wenn Kohle per CO2-Bepreisung zu teuer wird. Doch selbst dann dürfte es für Statoil schwierig sein, seine Marktstellung auszubauen. Als zweitgrößter Erdgaslieferant Europas hat das norwegische Unternehmen nach eigenen Angaben einen europaweiten Marktanteil von etwa 15 Prozent. In Deutschland stellen sie circa 20 bis 25 Prozent des Erdgases. Energieexperte Löschel sieht russische Unternehmen gegenüber den Norwegern im Vorteil. „Russisches Gas ist oft deutlich günstiger.“