Energiekonzept Erneuerbare Energien im Realitätscheck

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Protest gegen Stromleitungen in Thüringen Quelle: dpa

Das ist nur eine von vielen Unwägbarkeiten im schönen Plan einer 100-prozentigen Ökostrom-Welt. Um die riesigen Windmengen von der Nordseeküste zu den Stahlwerken in den Westen und den Autoherstellern in den Süden zu transportieren, ist ein massiver Netzausbau notwendig. Doch von 1000 Kilometern geplanten Leitungen sind nicht einmal ein Zehntel verlegt. Wo immer Hochspannungsmasten aufgestellt werden sollen, marschieren die Bürger zu Demonstrationen auf. Würden die Trassen aber als Erdkabel verlegt, verteuerte sich der Ausbau um das Vierfache. Experten schätzen die Kosten jetzt schon auf 20 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren.

Das Netz ist nicht die einzige Baustelle. Weil Wind und Sonne unsichere Kantonisten sind und mitunter Tage ausbleiben, müssen Speicher genügend Reserveenergie bereithalten, damit die Lichter nicht ausgehen. Die Ausbaumöglichkeiten für Pumpspeicher, in denen Wasser in Stauseen gepumpt und bei Bedarf wieder abgelassen wird, stoßen an Grenzen.

Proteste gegen Ausbau

Andere Speichertechniken wiederum, bei denen Luft in die Erde gepresst und bei Bedarf wieder freigelassen wird, vernichten etwa die Hälfte der gelagerten Energie. Einigermaßen neu in der Diskussion sind Speicher, die mit Wasserstoff oder Methan gefüllt werden. Das Gas wird mit überschüssigem Strom gewonnen. Besteht später Bedarf, wird das Gas in einem Kraftwerk verfeuert.

Diese Speichertechniken haben von allen Bausteinen der grünen Energiezukunft den größten Entwicklungsbedarf. Das macht sie nahezu unkalkulierbar. Erst wenn sie massenhaft einsetzbar sind, kann ein Land wie Deutschland auf traditionelle Gas- und Kohlekraftwerke als Ersatz verzichten.

Das gilt auch dann, wenn die Netze eigenständig Lastspitzen abfedern können. Wenn sie also die Stromnachfrage autonom entsprechend dem Angebot steuern können, etwa indem Waschmaschinen, Trockner und Kühlhäuser dann anspringen, wenn Elektrizität in Mas-sen verfügbar ist. Noch existiert die Idee nur auf dem Papier. Voraussetzung dafür ist, dass intelligente Zähler in den Kellern aller Verbraucher eingebaut werden.

Bis 2015, so hatte es die Bundesregierung eigentlich festgeschrieben, soll in jedem zweiten Haushalt ein solcher Zähler installiert sein. Doch der Energieexperte Stephan Haller von der Managementberatung Horváth & Partners glaubt nach einer Befragung von Energiemanagern nicht, dass dieses Ziel erreichbar ist. „Das Problem ist, dass die Technik für Zähler und Datenübertragung noch nicht marktreif ist“, sagt er. Genauso wenig kommt die Einführung variabler Tarife voran. Sie sollen die Stromnachfrage eines Tages entsprechend des Angebots steuern. Doch erst jeder zweite Versorger hat laut Haller entsprechende Tarife im Programm. Und das, obwohl sie laut Regierungsvorgaben bis Ende des Jahres flächendeckend verfügbar sein sollten.

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