Energieversorgung Die Angst vor dem Stromausfall

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Gazprom dreht den Hahn zu

 Das Gazprom-Logo auf dem Gebäude der Gazprom-Zentrale in Moskau Quelle: dpa

Der Energiemangel hat viele Gesichter. Wenn es frostig wird und das Gas knapp, denkt der Laie an kalte Wohnungen und stillstehende Motoren. Doch seit der Energiewende sind auch ganz andere Folgen möglich: Es wird nicht kalt, sondern dunkel. Denn nun fehlt vielleicht der Brennstoff für jene Gaskraftwerke, die eigentlich die abgeschalteten Atommeiler ersetzen sollten. Die EnBW musste deshalb schon den Block 4 ihres Rhein-Dampf-Kraftwerkes in Karlsruhe auf null herunterfahren.

Auslöser war der staatliche russische Gaskonzern Gazprom. Am vorigen Dienstag gab Gazprom-Exportchef Alexander Medwedew zu: In der ersten Februarwoche habe man die Bestellmengen der EU-Kunden „nicht 100-prozentig ausführen“ können. Die hätten wegen des Dauerfrosts aber auch um 50 Prozent höher gelegen als normal. Tatsächlich hatte Gazprom die Lieferungen um rund zehn Prozent gekürzt.

Moskau friert

Denn auch die Russen zittern vor Kälte. Im sonst recht milden Moskau liegen die Temperaturen seit vier Wochen bei minus 20 Grad, im Norden Sibiriens sinkt das Quecksilber auch mal unter minus 50 Grad. Gazprom erwartet Verständnis dafür, dass die Befriedigung der Binnennachfrage an solchen Tagen Vorrang hat. Wenn die Exportmengen nicht 100-prozentig eingehalten werden, hieß es bei Gazprom auf Anfrage der WirtschaftsWoche, verpflichte sich der Konzern zur Zahlung „kleinerer Vertragsstrafen“.

Die Hälfte seiner gesamten Gasmenge bezieht beispielsweise Wingas, ein Gemeinschaftsunternehmen der BASF-Tochter Wintershall und Gazprom, von der russischen Mutter. An den kalten Februartagen bestellte Wingas 10 bis 15 Prozent mehr als noch im milderen Januar. Tatsächlich kamen 20 bis 30 Prozent weniger aus den Pipelines als angefordert.

Eingeschränkte Versorgung

In Norddeutschland merkten weder die Betreiber der Gaskraftwerke noch industrielle Abnehmer etwas von den Problemen – in Süddeutschland aber sehr wohl. Denn während die neue Ostseepipeline Nord-stream auf voller Leistung lief, fehlte der Druck in der Südröhre, die über die Ukraine und Österreich nach Deutschland führt.

Und während die Betreiber der großen Überlandrohre im Norden den Bedarf aus ihren unterirdischen Speichern ergänzten, kürzten sie auch noch ihre Lieferungen in den Süden der Republik. So reduzierte Open Grid Europe, der Gastransporteur des Düsseldorfer E.On-Konzerns, den Transit Richtung Süddeutschland auf die vertraglich vereinbarte Mindestmenge. Das Essener Unternehmen versorgt vor allem Stadtwerke und Fernwärmegesellschaften über ein 12 000 Kilometer langes Netz mit Gas. „Die Situation war und ist angespannt“, sagt Geschäftsführer Stefan Kamphues. „Bleibt die Lage unverändert, dann haben wir die Situation im Griff.“ Im Umkehrschluss heißt das: Wenn die Russen weiter ihre Gaslieferungen drosseln und die Temperaturen frostig bleiben, könnte es ernst werden.

Einen Vorgeschmack erleben die Abnehmer im Südwesten Deutschlands. Weil Open Grid Europe das Gas spärlicher fließen lässt, sah sich auch die Stuttgarter GVS gezwungen, die Versorgung ihrer 44 Kunden einzuschränken. Stadtwerke und Regionalverteiler mit normalen Lieferverträgen können die garantierte Menge bei Bedarf um fünf Prozent überschreiten.

Diesen Anspruch auf Mehrlieferung hat GVS den Stadtwerken vorerst gestrichen. Bei einigen Kunden mit sogenannten unterbrechbaren Verträgen, bei denen der Lieferant einen Teil zurückhalten kann, kürzte GVS ebenfalls.

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