Mit der Energiewende hat sich die Rolle der Behörde jedoch gewandelt. Windräder pressen bei Sturmböen den Strom so gewaltig in die Netze, dass diese zusammenzubrechen drohen. An eiskalten, windstillen und dunklen Tagen im Winter 2011, in der Vorweihnachtszeit, stieg der Stromverbrauch so rasant an, dass die Stilllegung von acht Atomkraftwerken plötzlich schmerzlich spürbar war. Die Netzbetreiber mussten zum Teil die Stromproduzenten anweisen, Ölkraftwerke oder kalte Kohlekraftwerke anzuschmeißen.
Um einen Blackout zu verhindern, plant die Bundesregierung ein Notgesetz, das der Bundesnetzagentur künftig ungeahnte Eingriffsrechte in den Strommarkt geben soll. So soll die Behörde verhindern dürfen, dass die Energiekonzerne unrentable, aber aus Sicht der Beamten notwendige Kraftwerke für die Versorgungssicherheit abschalten. Prompt fordern die Erzeuger für diesen Fall eine Entschädigung.
Eigentlich hätte die Energiewende die Einigung Europas beim Strom vollenden können. Wenn der überversorgte Stromexporteur Deutschland die Atomkraftwerke sukzessive abschaltet, so das Szenario, würde mehr Elektrizität hereinfließen: zum Beispiel aus Frankreich, aber auch aus den Niederlanden und Polen. Die beiden kleineren Länder sind in der Lage, minutenschnell mit ihren Kohlekraftwerken über Kuppelstellen an den Grenzen gut 4000 Megawatt Leistung in Deutschland zu ersetzen, etwa vier Atomkraftwerke.
Polen halten deutschen Strom von ihren Netzen fern
Doch die Realität sieht anders aus. Die Windräder in Deutschlands Norden drücken so viel Strom ins Netz, dass deren Saft wegen ungenügender Nord-Süd-Verbindungen über die Grenzen nach Holland und Polen strebt. Folge: Die polnischen und holländischen Netze ächzen unter zeitweiser Höchstbelastung im Herbst und drohen durchzuknallen. Warschau äußerte sich bereits in Berlin besorgt über den stürmischen Stromexpansionismus, der die Netze östlich der Oder bedroht. Die Polen bauen deshalb Schieber in ihre Kuppelstellen, die deutschen Strom vom polnischen Netz fernhalten.
"Gaskraftwerke hängen uns wie ein Klotz am Bein", sagt ein RWE-Manager dieser Tage. Der Satz klingt wie Hohngesang auf die Energiewende weg vom Atom- und hin zum Strom aus klimaschonender Erzeugung. Denn Gaskraftwerke produzieren weniger Emissionen als Braun- und Steinkohlekraftwerke. Und sie können schnell hoch- und heruntergefahren werden, je nachdem, wie viel Strom Sonne und Wind erzeugen.
Gaskraftwerke sind nicht notwendig
Doch das Kalkül, die Gaskraftwerke zum Joker der Energiewende zu machen, wird immer mehr zu Makulatur. Es gibt zurzeit so viel Strom aus Wind- und Sonnenenergie in Europa, dass Gaskraftwerke immer weniger notwendig werden. In der Vergangenheit waren sie nützlich, um den Spitzenstrombedarf mittags zwischen 12 und 14 Uhr zu decken. Das bescherte den 53 deutschen Gaskraftwerken eine Auslastung von circa 60 Prozent. Mit dem vielen Wind- und Sonnenstrom ist es damit aber vorbei. Neue Gastkraftwerke sind manchmal nur zu zehn Prozent ausgelastet.
Der Chef der Leipziger Strombörse EEX, Peter Reitz, bringt es auf den Punkt: Wenn die Bundesregierung das Ziel habe, die erneuerbaren Energien bis zu einem Anteil von 80 Prozent an der gesamten Stromproduktion heraufzuschrauben und dafür dann die Preise garantiert, dann sei die Marktwirtschaft beim Strom "praktisch tot".
Der frühere Chef der Monopolkommission Justus Haucap stellt kürzlich vor der Ludwig-Erhard-Gesellschaft fest, dass Energiepolitik heute dem "Modell der dezentralen Planverwaltungswirtschaft entspreche".