Energiewende Was tun, wenn der Blackout kommt?

Das Aus für die ersten acht Atomkraftwerke raubt Deutschland so viel Stromerzeugung wie noch nie. Wird der Sommer extrem trocken oder der Winter eisig, droht einzelnen Regionen der Blackout. Unternehmen, Hilfsorganisationen und private Haushalte sind unterschiedlich darauf vorbereitet. Je nach Dauer reichen die Folgen voll null bis Totalschaden - doch noch regiert Hoffnung quer durch die Branchen.

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Eine brennende Kerze Quelle: photouten - Fotolia.com

Der Winter ist früh dran. Schon im November versperren meterhohe Schneewehen die Straßen. Züge haben Stunden Verspätung. Nur mit Mühe schaffen es die Menschen zur Arbeit.

Und dann passiert es: kein Strom - eine Stunde, einen Tag, fünf Tage lang. Unaufhaltsam bricht weg, was nur mit Elektrizität funktioniert. Fernseher bleiben dunkel, Telefone und Handys still, Garagen mit elektrischem Tor verschlossen. An Tankstellen bilden sich Menschenschlangen, weil der Treibstoff von Hand abgepumpt werden muss. Im 20.000-Einwohner-Städtchen Ochtrup schleppen sich Frierende in ein Krankenhaus, in dem das Notstromaggregat glücklicherweise angesprungen ist. Bundeswehr und Technisches Hilfswerk (THW) übernehmen, wo erforderlich, die Nahrungsversorgung.

Je länger der Strom wegbleibt, desto größer werden die wirtschaftlichen Einbußen. Beim Lkw-Anhänger-Bauer Schmitz Cargobull im benachbarten Altenberge steht die Produktion still, am Ende werden dem Unternehmen sechs Millionen Euro Einnahmen fehlen. 25 von 63 Textil-, Kunststoff- und Maschinenherstellern der Region werden einen Ausfall von insgesamt 50 Millionen Euro beklagen. Als die Lichter wieder angehen, werden eine Viertelmillion Menschen bis zu fünf Tage lang gedarbt haben und sich die Schäden auf mehr als 100 Millionen Euro belaufen.

Was sich im Münsterland nördlich des Ruhrgebiets im Jahr 2005 ereignete, gilt bis heute als größter Stromausfall in der Bundesrepublik. Schwere Eiskrusten hatten nach tagelangen Minustemperaturen und Schneefällen Strommasten des Essener Energiekonzerns RWE, offenbar aus minderwertigem Stahl, zum Einsturz und dadurch die Stromversorgung in einem ganzen Landstrich zum Erliegen gebracht.

Glaubt man skeptischen Strommanagern und Industrievertretern, könnte sich das Trauma unter ungünstigsten Umständen noch in diesem Jahr wiederholen. Denn das von der Bundesregierung verfügte Abschalten der acht Atomkraftwerke (AKW) reißt eine Lücke vor allem in die Grundversorgung mit Strom, die es hierzulande bisher noch nicht gab.

Umgestürzte Strommasten bei Quelle: dpa/dpaweb

Werner Marnette, Ex-Chef des heutigen Kupferherstellers Aurubis in Hamburg, sieht den „Nachweis nicht erbracht“, dass es im Laufe des stufenweisen Ausstiegs aus der Kernenergie „nicht zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Netzstabilität“ kommen könne. Fritz Vahrenholt, bei RWE verantwortlich für das Geschäft mit erneuerbaren Energien, warnte schon vor Wochen vor einem Teil-Blackout im hoch industrialisierten Südwesten Deutschlands. Für den Präsidenten der Bundesnetzagentur in Bonn, Matthias Kurth, haben solche Ängste „durchaus einen berechtigten Hintergrund“. „Wir betreiben zurzeit Mangelverwaltung im Netz“, beschreibt Deutschlands oberster Strommarktregulierer die Lage.

Die Chefs der vier großen Betreiber der deutschen Überlandnetze – Amprion, Tennet, 50 Hertz Transmission und die EnBW-Netzgesellschaft – fürchten, dass drei Extremwetterlagen die Stromversorgung erschüttern könnten: entweder ein heißer Sommer mit zu wenig Wasser in den Flüssen, sodass die verbliebenen Atomkraftwerke nicht ausreichend gekühlt werden können, um unter Volllast zu laufen. Oder ein stürmischer Herbst, der zu viel Windstrom in die Netze drückt; das könnte die Spannung aufgrund der verringerten Grundversorgung allzu großen Schwankungen aussetzen mit der Gefahr des Zusammenbruchs. Oder aber im Winter stellt sich Eiseskälte mit wenig Wind ein, sodass die Windmühlen stillstehen, während gleichzeitig der Strombedarf steigt.

Öfter riskante Situationen

Wie labil das deutsche Stromnetz inzwischen ist, merkte im April und Mai Tennet-Manager Lex Hartmann. In dieser Zeit hätten seine Mitarbeiter 800-mal steuernd in die Stromversorgung eingreifen müssen gegenüber sonst nur ein- bis zweimal. Hartmanns Schlussfolgerung: „Wir kommen immer öfter in riskante Situationen.“

Ein Mittel gegen den Blackout ist der gezielte Blackout. Wenn irgendwo das Netz wackelt und das Licht flackert, müssen die Betreiber Verbraucher vom Netz nehmen oder einzelne Gebiete abklemmen, um den Zusammenbruch des Netzes in größeren Regionen zu verhindern. „Wenn in einer Gegend Otto Normalverbraucher mal eine Stunde im Dunklen sitzt, ist das weniger schlimm, als wenn ein Unternehmen keinen Strom hat und daraus vielleicht Gefahren für die Maschinen oder die Umwelt entstehen“, sagt ein Netz-Manager.

Wirtschaftsregionen mit Überangebot und mit Mangel an Stromerzeugung

Käme es hart auf hart, schreibt das Energiewirtschaftsgesetz ohnehin vor, dass die Netzbetreiber Produzenten oder Kunden auch gegen deren Willen abschalten können. Ebenso können sie verfügen, dass einzelne Verbraucher nach einem Blackout erst mal nicht wieder ans Netz dürfen, um das labile System nicht zu gefährden. Tritt eine „Versorgungsstörung für den lebenswichtigen Bereich“ ein, wie es im Gesetz heißt, geht die Verantwortung für den Netzbetrieb auf die Bundesnetzagentur über. Dann übernimmt der Staat die Regie. Was bei einem Stromausfall passieren kann, darauf gab der Blackout im Münsterland nur einen Vorgeschmack. „Die Abhängigkeit unserer Gesellschaft von einer funktionierenden Versorgung mit Strom ist gewachsen“, warnt Christoph Unger, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). „Versorgungsunterbrechungen können zu Ausfällen und Störungen in nahezu allen anderen Infrastrukturen und Bereichen der Gesellschaft führen und schwerwiegende ökonomische und soziale Folgen nach sich ziehen.“

Was dies für das Industrieland Baden-Württemberg im schlimmsten Fall bedeuten würde, das aufgrund der nun fehlenden Atomkraft besonders auf Stromzufuhr angewiesen ist, hat das BBK bereits 2004 ermittelt. Die Folgen für Bosch, Daimler oder Porsche wären fatal. Schon nach 24 Stunden ohne Strom würde das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben fast vollständig zum Erliegen kommen. Als Erstes bräche die Telekommunikation über das Festnetz zusammen, weil die Telefongeräte und Internet-Modems tot wären. Einzelhändler, Bankfilialen, Krankenhäuser und Pflegeheime bekämen Probleme mit den Türen, weil die elektronischen Schließsysteme nicht mehr funktionieren. Ohne Strom ist auch die Versorgung mit Warmwasser und Fernwärme unterbrochen. Bereits am zweiten Tag träten erste Engpässe im Handel auf, etwa weil die Warenwirtschaftssysteme und die daran gekoppelte Logistikkette mit zeitgenauer Anlieferung unterbrochen sind.

Ob solche Horrorszenarien eintreffen, wird auch von den Mitarbeitern der Netzbetreiber an ihren großen Steuerungspulten in den übers Land verteilten Kontrolltürmen abhängen. Weil neben den Braunkohlekraftwerken künftig weniger AKWs Grundlaststrom liefern, müssen sie mehr als bisher zwischen unter- und übervorsorgten Landstrichen, zwischen windstromreichen Regionen wie Norddeutschland oder windstromarmen Gegenden wie Baden-Württemberg ausgleichen. Bricht die Spannung an einer Stelle völlig ein, dauert es lange, sie wieder herzustellen. Auch das benachbarte Kraftwerk hilft da nicht.

Selbst Kraftwerke, die vorübergehend wegen Stromüberschuss abgeschaltet sind, bringen auf die Schnelle wenig. Steinkohlemeiler brauchen selber Strom, um anzufahren. Ist das Netz tot, kann es „zwei oder drei Tage länger dauern, bis das Kraftwerk wieder Strom an die Verbraucher liefert“, sagt ein Netzingenieur. Nicht auszuschließen, dass ein abgestürzter Ballungsraum den anderen nachzieht. Ein solcher Dominoeffekt erschreckte im November 2006 ganz Europa.

Ob der Strom in diesem Jahr allerdings wirklich mehr als die bisher üblichen 18 Minuten in Deutschland ausfällt, wagt im Augenblick niemand zu prognostizieren. Sicher ist nur, dass die Folgen von Branche zu Branche variieren und von der Dauer der Stromunterbrechung abhängen – und wer den Wettlauf gegen die Zeit dann am längsten durchstehen kann.

Wenige Minuten ohne Strom

Hausfrauen und -männer müssen sich nicht sorgen. Kühlschrank und Gefriertruhe können selbst Stromausfälle von einigen Stunden Dauer locker überbrücken, ohne dass das Essen verdirbt.

Bei klassischen PCs ist dies allerdings anders. Sie reagieren auch auf wenige Sekunden ohne Strom meist mit schlagartigem Datenverlust. Anders als Laptops besitzen normale Schreibtischcomputer keine Stromversorgung über Akkus. Kleinen und mittelgroßen Unternehmen droht damit der Verlust wertvoller Kundendaten, die Beeinträchtigung der Kalkulation oder das Verschwinden ganzer Konstruktionszeichnungen. Die Kosten für die Wiederherstellung summieren sich schnell auf vier- bis fünfstellige Euro-Beträge. Nur Unternehmen, die ihre IT für 100 bis 500 Euro mit Batterien gepuffert haben, sind fein heraus. Fällt der Strom aus, haben sie genügend Zeit, die Daten zu sichern.

Chemiepark Leverkusen mit Quelle: dpa

Nicht ganz so einfach ist dies in der chemischen Industrie. Konzerne verfügen zwar über eigene Kraftwerke, sodass die Branche insgesamt ein Fünftel ihres Stromes selbst erzeugt. Produzieren sie die Energie aber nur ein paar Kilometer entfernt und verfügen nicht über eigene Leitungen, sind sie auf das öffentliche Netz angewiesen. „Vorsorge kann man nicht treffen“, sagt Energieexperte Jörg Rothermel beim Verband der Chemischen Industrie. „Wir hoffen, dass es nicht eintritt.“

Anders stellt sich die Lage für die 1600 kleinen und mittelgroßen Unternehmen dar, die ihren Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen. Michael Träger erinnert sich noch genau an den Blitz, der am 3. Juli des vergangenen Jahres die Stromversorgung durcheinanderbrachte. „Es handelte sich nur um eine Unterbrechung von wenigen Zehntelsekunden“, sagt der Geschäftsführer von Vestolit, einem der großen Kunststoffhersteller Europas. Zwar sprangen im Werk in Marl am Rande des Ruhrgebiets sofort die Notstromaggregate an. Doch die Anlage schaltete die Ventile und Pumpen wie immer in solchen Fällen in Sicherheitszustand. Es dauerte einen Tag, bis Vestolit wieder normal produzieren konnte. Kosten des Augenblicks ohne Strom: rund eine Million Euro.

Auch Papier- und Glashersteller fürchten solche Miniaussetzer. Entspannter wäre Vestolit-Manager Träger, wenn er wegen Strommangels das Herz der Anlage, die Elektrolyse, die etwa 80 Prozent des Stroms des Werkes verbraucht, planvoll herunterfahren müsste. Dann könnte er bis zu zwei Tage ausharren, ohne dass die Anlage Schaden nehmen würde.

Ein, zwei Stunden ohne Strom

Ähnlich sensibel wie Vestolit reagieren Geldautomaten. Die meisten fallen sofort aus, denn nur wenige Geräte haben Anschluss an die Notstromversorgung ihrer Bankfilialen. Kehrt der Strom erst in ein, zwei Stunden zurück, dürften zunehmend Kunden in die Geldhäuser strömen, weil Online-Konten blockiert sind und elektronische Zahlungsmittel wie EC- und Kreditkarten versagen. Wäre nicht abzusehen, wann wieder Elektrizität verfügbar ist, dürften so manche Kunden einen Schritt weitergehen. Die 118 Euro Bargeld, die ein Bundesbürger im Schnitt bei sich trägt, sind im Notfall schnell für Hamsterkäufe aufgebraucht.

Dass Informationen über Konten verloren gehen, muss niemand fürchten. „Banken und Börsen sichern ihre Daten zuverlässig in getrennten Rechenzentren“, sagt der Münchner Sicherheitsexperte Arne Schönbohm. „Dringender ist es, Verbraucher und Unternehmen mit Bargeld zu versorgen.“

Von zwei Stunden Stromausfall wäre auch die Deutsche Bahn zunächst nicht allzu sehr betroffen. Das Schienennetz funktioniert relativ autark, weil die Bahn-Tochter DB Energie 75 Prozent des Bahnstroms direkt bei Kraftwerksbetreibern bezieht. Fahrstrom erhalten Züge dann über das Bahn-eigene Hochspannungsnetz aus entfernten Regionen. Die Versorgungssicherheit liegt laut Angaben der Bahn dadurch bei fast 100 Prozent.

Ein Blackout im öffentlichen Stromnetz würde zwar über kurz oder lang Signale, Stellwerke und Bahnhöfe lahmlegen. Doch an den wichtigsten stehen Notstromaggregate, die mehrere Stunden überbrücken. Selbst wenn der Stromausfall eine der sieben Betriebszentralen träfe, könnten diese weiterlaufen. Denn fehlt der Strom mehrere Stunden, rücken Mitarbeiter aus, um die Stellwerke vor Ort zu bedienen. Diese verfügen ebenfalls über Notstromaggregate.

Krankenhaus Quelle: dpa

Theoretisch dürfte auch den rund 2000 Krankenhäusern in Deutschland ein Stromausfall von wenigen Stunden nichts anhaben. Dank komplexer Vorschriften sind die Kliniken für mindestens 24 Stunden bestens vorbereitet. Umso erstaunlicher, dass allein in den vergangenen Monaten in mehreren Kliniken die Notstromversorgung versagte, darunter in Bremerhaven und in Darmstadt-Dieburg, wodurch Intensiv-Patienten in andere Krankenhäuser verlegt werden mussten.

Locker leben können Energiefresser wie Aluminium-, Zink- oder Kupferhütten mit ein bis zwei Stunden ohne Volt und Ampere. „Wenn wir kontrolliert unterbrechen, halten sich die Schäden in Grenzen“, sagt Carl van Dyken, Geschäftsführer von Xstrata Zink in Nordenham. Das Werk mit rund 400 Beschäftigten bei Bremerhaven beansprucht 72 Megawatt Leistung im Normalbetrieb, auf die Schnelle abschalten lassen sich 50 Megawatt. Damit kann die Zinkhütte, wenn nötig, aus dem Stand auf den Strombedarf einer Stadt mit 100.000 Einwohnern verzichten. Bleibt ein Grundstrom erhalten, können die Nordenhamer diesen Zustand eine Woche oder länger durchhalten, ohne dass die Anlagen sich zusetzen oder festbacken. Einziger gravierender Nachteil: Ein Tag Produktionsausfall kostet einen hohen sechsstelligen Betrag.

Schlimmer sind die Folgen bei einem überraschenden Blackout. Als vor zwei Wochen ein Kurzschluss den Betrieb für ein paar Minuten lahmlegte, brauchte Xstrata-Manager van Dyken „einen halbe Stunde, um die Produktion wieder in Gang zu bringen“. Hielte der Ausnahmezustand länger als sechs Stunden an, entstünden Gesamtkosten von über zehn Millionen Euro.

Völlig entspannt blickt allerdings die Stahlindustrie in Richtung Sommer, Herbst und Winter – sofern sie keine Elektro-, sondern konventionelle Hochöfen nutzt. Stahlkocher wie Salzgitter in Niedersachsen und ThyssenKrupp in Duisburg-Bruckhausen betreiben eigene Kraftwerke, die Kokereien halten Diesel-Aggregate vor.

Ein Tag ohne Strom

Das Internet-Unternehmen 1&1, zu dem etwa der E-Mail-Dienst Web.de gehört, hatte seinen Ernstfall schon – am 30. Januar 2008. In Karlsruhe, wo das größte Rechenzentrum von 1&1 steht, fällt Punkt 17.35 Uhr für eineinhalb Stunden der Strom aus. Als 1&1-Chef Robert Hoffmann und Technikvorstand Achim Weiß aus ihren Bürofenstern schauen, sehen sie in der Stadt nur in einem einzigen Gebäude Licht: in ihrem Rechenzentrum.

Auch ein ganzer Tag ohne Strom hätte 1&1 nichts anhaben können. Der grau-rote Gebäudekomplex in Karlsruhe ist gleich dreifach gegen Stromausfälle gesichert – für Millisekunden, für Stunden und für Wochen. Kaum eine Branche ist so gut vorbereitet auf einen Elektrokollaps wie die Web-Wirtschaft. Bleibt der Strom Millisekunden aus, drehen sich in Karlsruhe vier sieben Tonnen schwere Schwungräder trotzdem weiter. Sie versorgen über Generatoren die Rechner mit Energie.

Solche Schwungräder liefern drei bis vier Minuten Strom. Danach übernehmen fünf raumfüllende Batteriepakete mit je 880 Kilowatt Leistung, die weitere 17 Minuten schaffen. Kommt dann noch immer nichts aus dem Netz, laufen auf dem Dach vier riesige Schiffsdiesel an. Für sie hat das Unternehmen 38.400 Liter Kraftstoff gebunkert. Die 16-Zylinder-Kolosse werden permanent vorgewärmt, damit sie 15 Sekunden nach Start Strom liefern können. Weil jeder Motor rund 400 Liter Diesel pro Stunde schluckt, muss nach 24 Stunden nachgetankt werden. Hierzu hat 1&1 Verträge mit mehreren Lieferanten geschlossen, kann so Wochen ohne externe Stromversorgung durchhalten.

Von so viel Sicherheit können die Manager der Telekommunikationskonzerne nur träumen. Kamen bis in die Neunzigerjahre die analogen Telefone ohne externe Stromversorgung aus, geht es bei der modernen digitalen Technik nur mit Strom. Zwar springen in den Vermittlungsstellen etwa der Deutschen Telekom im Bedarfsfall Notstromaggregate an, doch den Endgeräten der Kunden bringt das nichts.

Einspringen könnten allerdings, zumindest für einen Tag, die Mobilfunkbetreiber, sofern das Netz dann nicht unter dem Ansturm zusammenbricht. Alle großen Netzanbieter haben ihre weit über 20.000 Basisstationen mit starken Akkus ausgerüstet, die für mindestens 24 Stunden halten. Der Mobilfunker E-Plus weihte kürzlich sogar die erste autarke Basisstation ein, die sich per Windkraft, Fotovoltaik und Brennstoffzelle versorgt. Doch solche Stationen kommen eher in Entwicklungsländern zum Einsatz und bleiben in Deutschland die Ausnahme. Ein flächendeckender Ausbau ist bisher nicht geplant. Auch die Akkus von Handys, Smartphones, MP3-Playern sind irgendwann leer. Bei mehrtägigen Stromausfällen helfen nur Ladegeräte mit Dynamo und Drehkurbel, die es im Zubehör-Handel für Rucksack-Touristen gibt.

Fünf Tage ohne Strom

Eine Frau liest bei Quelle: dpa

Wenn der Strom für mehrere Tage ausfiele, käme die Zeit von Heiko Werner und seinen Mitarbeitern. Werner ist beim THW für die Elektroversorgung verantwortlich und damit für bundesweit 89 auf Stromausfall spezialisierte Fachgruppen.

Das größte Pfund dieser Eingreiftruppen ist ihr Equipment. Über 140 Netzersatzanlagen verfügt das THW insgesamt, jedes dieser Notstromaggregate habe die Größe eines Lkw-Anhängers und sei in der Lage, „eine kleine Ortschaft mit Strom zu versorgen“, sagt Werner. Zur Versorgung einzelner Gebäude, etwa von Krankenhäusern oder Notlagern, hält das THW Hunderte kleinerer Aggregate bereit.

Die entscheidende Frage bei einem längeren Stromausfall lautet, wie lange werden die Anlagen benötigt und wo. Denn die Stromspender verfügen über Diesel nur für sechs bis acht Stunden. „Wir planen die Versorgung für 48 Stunden ein“, sagt Werner. Das heißt: Treibstofflager oder Tankstellen müssen erreichbar sein. Danach würde die Lage auch für die Helfer sehr kritisch.

Feuerwehren und Rettungsdienste haben ihre Leitstellen so mit Notstromsystemen ausgestattet, dass sie weit mehr als 24 Stunden lang unabhängig vom öffentlichen Netz mit Löschzügen, Notärzten und Rettungswagen funken können. „Bis zu 72 Stunden ohne externen Strom können wir mit Mühe und Not überstehen“, sagt der Katastrophenschutzbeauftragte beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), Frank Jörres. „Danach gibt es ein großes Fragezeichen.“

Und das nicht nur bei DRK und THW: Viele Berufsfeuerwehren betreiben eigene Tankstellen und können den Ausfall kommerzieller Zapfsäulen eine Weile lang kompensieren, sagt der Logistikchef einer deutschen Großstadtwehr. Viele Freiwilligen Feuerwehren außerhalb der Ballungsräume dagegen sind auf Aral, Shell & Co. angewiesen.

Bis zu fünf Tage ohne Strom – zwei Männer lässt das völlig kalt: Niels Faergemann, den Chef der Geldtransportfirma Unicorn in Hannover, und Jan Peilnsteiner, den Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Kühlhäuser und Kühllogistikunternehmen (VDKL) in Bonn, der 85 Prozent der gewerblichen Betreiber vertritt.

Ein Passagierflugzeug im Quelle: dpa

Die Frostmacher sehen die Energiewende absolut cool – auch wenn in den 250 Großanlagen in Deutschland im Extremfall im Schnitt 10.000 bis 12.000 Paletten mit tiefgekühlten Pommes und Pizzen, Gemüse und Geflügel lagern. Denn die Lufttemperatur in den gigantischen Kühltruhen liegt zwischen minus 24 und 28 Grad Celsius, mindestens sechs Minusgrade mehr als vorgeschrieben.

„Das Erste, was passiert, wenn der Strom ausfällt ist: Die Türen bleiben zu“, lächelt Verbandschef Peilnsteiner. Dann gehe keine Ware raus oder rein. Die Hallen seien so gut isoliert, dass bei geschlossenen Türen die Lufttemperatur lediglich um ein Grad pro Tag steige. Die Ware selbst erwärme sich sogar noch langsamer. Deshalb kämen Kühlhausbetreiber gar nicht auf die Idee, Notstromaggregate anzuschaffen. „Die haben wir noch nie gebraucht“, sagt Peilnsteiner, „und werden sie wohl auch kaum jemals brauchen.“ Seine Mitgliedsunternehmen kämen „bei geschlossenen Türen problemlos eine Woche ohne Strom aus“.

Unicorn-Chef Faergemann verspricht dagegen, seine über 300 gepanzerten Geldtransporter auf den Asphalt zu schicken, wie lange ein Blackout auch anhielte. Die tonnenschweren Brummer würden notfalls in geheim gehaltenen Spritlagern bei Partnerunternehmen tanken, sollten in einer Region die Tankstellen schließen. Auf diese Weise, sagt Faergemann, könne er die Bargeldtransporte von der Bundesbank zu den Geschäftsbanken auf seiner Kundenliste über Monate sicherstellen.

Die Frauenkirche bliebe still

Ähnlich zuversichtlich gibt sich die Deutsche Flugsicherung (DFS). Ein eigenes Kraftwerk versorgt die Zentrale in Langen bei Frankfurt.

Es wird mit Heizöl betrieben, permanent bevorratet für einen maximalen Einsatz von 72 Stunden, obwohl das Szenario der DFS für den schlimmsten Fall eine Stromunterbrechung von 24 Stunden beschreibt. Reichen 72 Stunden nicht, muss nachgefüllt werden. Fällt auch diese Anlage aus, ist die reine Flugkontrollzentrale über zusätzliche Netzaggregate abgesichert.

Die Stadt in Deutschland, deren Bewohner wohl am besten auf einen längeren Stromausfall eingestellt sind, ist Dresden. Nachdem durch die Flutkatastrophe im Sommer 2002 in weiten Teilen der Strom tagelang abgestellt wurde, stürmten die Dresdner zu Tausenden in die Baumärkte, um Notstromaggregate zu kaufen. Viele legten sich sogar Anschlüsse, um den Strom von den Hilfsmotoren direkt ins Hausnetz einspeisen zu können.

Die allermeisten Kirchen Sachsens aber sind weiterhin nicht auf einen Stromausfall vorbereitet, etwa indem der Küster von Hand läuten könnte. Fiele in der überversorgten Region Dresden wider Erwarten der Strom aus, bliebe selbst das Prunkstück der Stadt, die Frauenkirche, still.

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