Erneuerbare Energie Querelen bei Desertec

Das hoffnungsvoll und visionsreich gestartete Wüstenprojekt ist dabei, sich in einen bizarren Kompetenzstreit zu verstricken

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Die Desertec-Foundation mit Sitz in Hamburg Quelle: Screenshot

Eigentlich sollte es ein Sonnenschein-Großprojekt werden. In Deutschland gründete sich im Jahr 2009 eine Initiative, die Großes vorhat: Sie will hunderte von Solarkraftwerke in der nordafrikanischen Wüste bauen, in Ägypten, Tunesien, Algerien und Marokko. In der Wüste scheint die Sonne so stark, dass mit dieser Energie ein großer Teil des westeuropäischen Strombedarfs gedeckt werden kann. Vorausgesetzt, es gibt Kooperationsverträge mit diesen politisch unruhigen Ländern, es gibt Geld, Investoren – und vor allem viel Einmütigkeit der deutschen Initiatoren. Das ist die Desertec-Foundation in Hamburg und die Desertec- Industrieinitiative in München.

Am selben Strang

400 bis 500 Milliarden Euro sollen in der Sahara investiert werden, wurde dem staunenden Publikum mitgeteilt. Die Schlagzeilen in deutschen Zeitungen überschlugen sich. Zweieinhalb Jahre nach diesem Visions-Startschuss haben sich die beiden fast gleichnamigen Initiatoren-Organisationen in einem schier undurchschaubaren Kompetenzwirrwarr verheddert – die Desertec-Foundation und die Desertec Industrieinitiative (Dii). Beide Institutionen wollten eigentlich an dem selben Strang ziehen, sie tragen den selben attraktiven Namen Desertec und haben im Prinzip dieselben Ziele, den Bau von Solarkraftwerken in der Nordsahara – und beide sind in Deutschland beheimatet   – die Desertec Foundation in Hamburg ist eine Vereinigung von Stiftern, die sich die Förderung des Solarprojektes auf die Fahnen geschrieben haben – die Desertec-Industrieintiative war quasi als Instrument der Foundation gedacht, die Projekte umzusetzen. Deren Geschäftsführer, der Niederländer Paul van Son, sitzt ständig im Flugzeug, um diese Nordafrika-Länder für die Idee der Sonnenkraftwerke zu erwärmen. Er versucht, in Nordafrika Partner in Politik und Wirtschaft zu gewinnen, um das Desertec-Wüstenstrom-Projekt umzusetzen.

Die größten Solarhersteller der Welt
Die größten Solarhersteller der WeltPhoton Consulting, eine Forschungs- und Beraterfirma, die sich auf den Solarmarkt spezialisiert hat, hat sich die Hersteller von Solarmodulen einmal genauer angesehen. Aufgrund der Vorjahreszahlen erstellten die Solarexperten eine Prognose, wer 2011 die Top Ten Hersteller sein werden. Die Prognose basiert auf den Produktionskapazitäten - allerdings gaben bereits einige Hersteller an, ihre Kapazitäten doch nicht wie geplant weiter auszubauen. Quelle: dapd
Platz zehn der größten Modulhersteller im Jahr 2011 ist laut Photon-Prognose das japanische Unternehmen Kyocera. Im vergangenen Jahr stand es gleichauf mit dem deutschen Hersteller Solar World. Beide hatten eine Modulkapazität von 800 Megawatt. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches Atomkraftwerk produziert um die 1200 Megawatt.
Wie auch im letzten Jahr wird das 2005 in China gegründete Unternehmen LDK Solar auf Platz neun der Liste stehen. 2010 waren die Chinesen in der Lage, 910 Megawatt zu fertigen. Der Umsatz lag bei rund 1,2 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Einen Rang eingebüßt hat der ebenfalls chinesische Modulhersteller Hareon Solar. 2010 reichte eine Produktkapazität von 1.025 Megawatt noch für Rang sieben in der Liste, 2011 wird es damit wohl nur Platz acht. Auf den siebten Platz rückt das japanische Unternehmen Sharp, obwohl die Produktionskapazitäten im vergangenen Jahr noch geringfügig niedriger waren als die der chinesischen Konkurrenz. Der Elektronikriese Sharp wurde 1912 von Tokuji Hayakawa gegründet und hat bereits in den 1960er Jahren begonnen, auch intensiv die Herstellung von Solarzellen zu erforschen.
Auch der sechste Platz des Rankings ist in asiatischer Hand. Dort steht unverändert Jinko Solar aus Hongkong mit einer geschätzten Kapazität von 1.100 Megawatt. Auf Platz fünf steht ebenfalls ein chinesisches Unternehmen: Hanwha SolarOne aus Qidong ist das Ergebnis einer strategischen Partnerschaft des südkoreanischen Konglomerats Hanwha und des chinesischen Unternehmens Solarfun Power Holdings. Obwohl das Unternehmen Hanwha SolarOne erst 2010 entstanden ist, startete es direkt mit einer Fertigungskapazität von 1.350 Megawatt. Quelle: dapd
2010 belegte Canadian Solar aus Kitchener in Ontario Platz fünf im Ranking, laut Photon-Prognose erreicht es in diesem Jahr Platz vier. Das Unternehmen wurde 2001 von Dr. Shawn Qu gegründet und produziert seitdem Standard- und Spezialmodule in China. Quelle: dpa
Unverändert auf Platz drei dagegen steht Yingli, ein chinesischer Hersteller mit einer geschätzten Maximalleistung von 1.650 Megawatt pro Jahr. Yingli wurde auch durch das Sponsoring bei der Fußball-Weltmeisterschaft einem breiten Publikum bekannt. Quelle: dapd

Über 50 Unternehmen haben sich in der Münchner Initiative zusammengefunden, um die Kraftwerke und die dazu nötigen Leitungen zu errichten. Doch nun scheint sich zwischen den Stiftern in Hamburg und der Umsetzungsinitiative ein Graben aufzutun. Wer Dii und Desertec-Foundation in einem Atemzug erwähnt, benehme sich so, als ob er scharfe Konkurrenten und Gegner  in einen Topf wirft. Die Desertec-Foundation möchte mit ihren Projekt nicht mit der Desertec-Industrieintiative in einen Topf gepackt werden und greift mittels ihres Sprechers zu einem überdeutlichen Bild: „Nur weil Bayern München und Werder Bremen Fußball spielen, können Sie bei einem Bericht über ein Fußballspiel nicht einfach die Clubnamen vertauschen.“ Deutlicher kann man es nicht sagen.

Auch habe die Münchner Rück bei der Dii in München keine herausragende Initiatorenrolle, heißt es bei der Foundation in Hamburg. Dabei hatte die Munich Re, wie sie jetzt heißt,  im vergangenen Jahr angekündigt, dass das erste Wüstenstrom-Projekt als Pilotprojekt 2012 mit dem Bau beginnen soll – und zwar in Marokko. Nun tut sich der Riss bei einer Investition in Tunesien auf: Vorige Woche wurde bekannt, dass Desertec Foundation und Dii nun getrennte Wege gehen. Das erste große Sonnenkraftwerk im Rahmen des Wüstenstromprojektes Desertec wird in Tunesien errichtet und eben nicht in Marokko. An diesem Kraftwerk wird die Dii nicht beteiligt sein.

Kabel zwischen Tunesien und Italien

huGO-BildID: 15317077 FILE - This undated file handout photo provided by BrightSource shows BrightSource Energy's Luz Power Tower in Israel's Negev Desert. German reinsurer Munich Re AG said its main role in the proposed Desertec solar energy project is currently as a catalyst and advisor, but could become a bigger investor and possible insurer for the project in future _ if and when it gets built. (AP Photo/BrightSource, Eilon Paz) ** NO SALES ** Quelle: AP

Der Bau des tunesischen Kraftwerkes soll 2014 beginnen. Ab 2016 soll es an die 2000 Megawatt Strom erzeugen und dazu soll es auch ein eigenes Unterseekabel zwischen Tunesien und Italien geben. Genau das hat im vorigen Jahr Dii-Geschäftsführer gegenüber der WirtschaftsWoche angekündigt. Man wisse nur noch nicht, wann das Unterseekabel verlegt wird, ob es zwischen Tunis und Sizilien oder Tunis und Rom verlaufen soll. Nun ist die Dii und Paul van Son überhaupt nicht mehr dabei. In Kreisen der deutschen Industrie rümpfen viele Energiemanager im Gespräch mit der WirtschaftsWoche die Nase. Sie hatten sich sowieso bisher bei den hochfliegenden Plänen eher bedeckt zu halten, nun schütteln Manager von RWE und E.On die Köpfe. Denn wie soll Tunur, so der wiederum klangvolle Name des tunesischen Projektes, ganz ohne die Einbindung der Industrieunternehmen mit dem Kraftwerks- und Leitungs-Know-how realisiert werden?

Prominente Unternehmen

Hinter der Dii stehen nicht nur Unternehmen wie E.On und RWE, sondern auch Siemens, ABB und Schott Solar. Auch die Deutsche Bank steht hinter der Dii, die nun quasi von der „Mutter“ Desertec Foundation unter Umgehung der Dii in München in Angriff genommen werden soll. Dii und Industrie stehen damit in krassem Gegensatz zu den Stiftern in Hamburg, der Desertec-Foundation. Noch im vergangenen Jahr sagte Torsten Jeworrekt, im Vorstand der Munich Re verantwortlich für die Errichtung der Desertec-Kraftwerke in der Sahara, dass in Marokko das erste Pilotprojekt gebaut werden solle – nicht Tunesien. 

„Das Industriekonsortium der Dii ist dabei auseinanderzubrechen“, sagt ein Energiemanager. Desertec Foundation und Dii hätten sich über die Ausgestaltung des Großprojektes im Wüstensand entzweit. Bei der Desertec-Foundation in Hamburg will man das nicht so hinnehmen, dementiert den Streit und lässt sich zu einem korrigierten Vergleich hinreißen. Nicht Bayern München und Werder Bremen seien die beiden Desertec-Organisatoren, sondern sie seien eher mit dem Verhältnis von Volkswagen und Audi zu vergleichen. Tatsächlich bauen beide Unternehmen unter demselben Konzerndach unterschiedliche Autos. Aber der Spaltpilz wird deutlich: „Wir sind zwei komplett unterschiedliche Organisationen“, heißt dazu von der Desertec-Foundation. Damit, so Brancheninsider, schlagen die Stifter die Tür vor der Nase der Industrie zu. Desertec bleibt damit eine schöne Idee, ohne Realo-Hintergrund der deutschen Konzerne mit Energie-Know-how.

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