Foodwatch-Chef Thilo Bode "Ich mag Döner, kaufe aber keinen"

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Selbst ein Biosiegel ist offenbar kein Schutz. Im Mai 2010 kam dioxinverseuchtes, falsch getrocknetes Biogetreide aus der Ukraine. Wie sieht die Lösung aus? 

Futtermittelhersteller müssen verpflichtet werden, jede einzelne Futtermittelzutat auf Dioxin zu testen, die Ergebnisse für die Behörden zu dokumentieren und nachzuweisen, dass zu hoch belastete Chargen entsorgt wurden.

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner sagt, solche Kontrollen gäbe es längst.

Das ist falsch. Diese Verpflichtung gibt es nicht. Sonst hätte Frau Aigner diese Forderung nicht auf Druck von Foodwatch in ihrem Aktionsplan übernommen. Es ist auch kein Wunder, dass diese skandalösen Zustände herrschen. Frau Aigners Ministerium ist doch nichts anderes als ein Klientelministerium für die Agrar- und Lebensmittellobby. Frau Aigner vertritt daher qua Amt die Lobby der Futtermittelhersteller.

Zu einer besseren Information gehört eine bessere Kennzeichnung. Wie würde die aussehen? 

Transparenz liegt vor, wenn man die Qualität von Produkten schnell vergleichen kann. Die Nährstoffgehalte von Lebensmitteln, also Zucker, Salz und Fett, sollten zum Beispiel in Form der Lebensmittelampel dargestellt werden. Beim Fleisch könnten Herkunft, Rasse und Art der Fütterung Grundlage verschiedener Qualitätsklassen sein. Was "bessere Kennzeichnung" heißt, kann politisch verschieden interpretiert werden. Aus unserer Sicht ist wichtig: Sie muss einfach und verständlich sein, auch für Menschen, die keine Dreisatzrechnung beherrschen.

Ein Foodwatch-Report kommt zu dem Ergebnis, dass man nur dann wirksam das Klima schützt, wenn man sich ohne Fleisch ernährt. Wollen Sie uns das Schnitzel verbieten? 

Nein. Es gilt, mit Fakten zu zeigen, dass der Fleischkonsum gesellschaftlich gesehen höher ist, als es uns guttut.

Leben Sie vegan?

Nein. Ich esse gerne Fleisch – aber selten. Die Devise muss sein: "Zurück zum Sonntagsbraten". Und ich kaufe bei einem Schlachter, bei dem ich die Qualität selber nachprüfen kann.

Gibt es denn kein Menschenrecht auf Steak? 

Jedenfalls nicht in All-You-Can-Eat-Mengen. Heute isst jeder Deutsche durchschnittlich 90 Kilogramm Fleisch pro Jahr. Um uns nachhaltig zu ernähren, müssen wir mit bedeutend weniger auskommen. Das wäre übrigens auch gut für unsere Gesundheit.

Viele Experten bezweifeln, dass sich die wachsende Weltbevölkerung ohne Gentechnik ernähren lässt.

Kein seriöser Vertreter, selbst die Gentechnik-Saatgutindustrie, wird behaupten, dass man mit Gentechnik den Welthunger überwinden kann. Gentechnik ist ein Kostenmanagementprogramm der Industrie, das die Kosten der Unkraut- und Insektenbekämpfung verringert.

Doch das traditionelle Saatgut wirft weniger ab. Eine durch Gentechnik noch widerstandsfähigere Pflanze, die mit weniger Dünger auskommt, wäre doch ein Segen für Entwicklungsländer.

Seit Jahren macht die Gentechnikindustrie Versprechungen dafür und hält sie nicht ein. Die Landwirte in der Dritten Welt verfügen über hervorragend angepasstes Saatgut. Die Ernährungskrise lösen wir nicht durch Versprechungen oder Saatgut, für das die Bauern zusätzlich noch Patentzahlungen entrichten müssen und sich in die Abhängigkeit von Großkonzernen begeben. Damit werden wir den Welthunger nicht besiegen.

Für ein Happy End wären wir auch nicht zu Ihnen gekommen.

Das gibt es derzeit auch nicht. Weder in der Dritten Welt noch bei uns. Nicht einmal im Biosupermarkt geht es immer ehrlich zu. Nehmen wir die – inzwischen vom Markt genommene – Biolimonade "Beo Heimat Apfel und Birne" von Carlsberg, die noch nie einen Apfel oder eine Birne gesehen hat. Sie durfte sich Bio nennen, weil Zucker und Gerstenmalzextrakt nach Biorichtlinien hergestellt wurden. Die Lebensmittelshow, die uns überall vorgespielt wird, ist, gemessen an unserem Zivilisationsgrad, ein absolutes Unding. Aber Sie wollen sicher noch zum Abschluss einen Verbrauchertipp.

Unbedingt.

Wenn Verbraucher etwas ändern wollen, dann müssen sie sich zusammenschließen, sich wehren und sich nichts mehr gefallen lassen. 

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