Gläubigerversammlung Was will Windreich-Willi jetzt wieder?

Heute findet die Gläubigerversammlung die Anleihe-Gläubiger der Windreich AG statt. Willi Balz, der Gründer und Eigentümer des Windpark-Projektierers, ist wieder aufgetaucht. Was steckt dahinter?

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Was steckt hinter dem plötzlichen Auftauchen von Willi Balz? Quelle: dpa

Knapp vier Monate lang war Willi Balz wie vom Winde verweht. Jetzt steigt der Gründer und Alleingesellschafter des Windpark-Projektierers Windreich aus Wolfschlugen bei Stuttgart erneut in den Kampf um sein insolventes Unternehmen ein – mit einem prominenten Verbündeten: Der anerkannte Stuttgarter Insolvenzexperte Volker Grub, dessen Sozietät Grub Brugger Erfahrung bei Fällen wie Schlecker, Schiesser oder Hess mitbringt, wird auf der Gläubigerversammlung Anfang der Woche Balz’ Interessen vertreten.

Grub will mit einem eigenen Kandidaten für die Vertretung der Anleihegläubiger, dem Insolvenzspezialisten Joachim Illig von der Stuttgarter Kanzlei Illig Braun Kirschnek, um deren Gunst buhlen. Mit Forderungen von 120 Millionen Euro sind die Inhaber von zwei Anleihen die größte Gläubigergruppe.

Die größten Anlagenbauer
NordexNach zwei verlustreichen Jahren und vielen Einsparungen lief es 2013 für Nordex wieder besser. Der Windturbinenbauer kehrte in die Gewinnzone zurück. In der Vergangenheit trennte sich Nordex unter anderem verlustreichen Produktionsstätten in den USA und China und konzentrierte sich ganz auf den Bau von Onshore-Anlagen. Mit der Strategie konnte das Unternehmen in Deutschland Marktanteile gewinnen. 2012 kam Nordex auf 3,5 Prozent, 2013 waren es im On- und Offshore-Bereich zusammen bereits sieben Prozent. Auch die Aussichten sind gut: Für 2014 rechnet der Vorstand mit neue Aufträge im Umfang von 1,6 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Siemens WindenergiesparteSiemens ist Weltmarktführer bei Offshore-Windrädern und dominiert auch in Deutschland diesen Bereich. Hierzulande kommt das Unternehmen in dem Segment auf 52,1 Prozent Marktanteil. Im On- und Offshore-Bereichen zusammen hatte Siemens Wind Power 2013 einen Anteil von 9,8 Prozent und liegt damit auf Platz vier. Nach dem Verkauf der gefloppten Solarsparte will sich Siemens künftig noch mehr auf die Energie aus Wind und Wasser zu konzentrieren. Das Geschäft lief zuletzt insbesondere im Ausland gut. Im Dezember 2013 erhielt das Unternehmen mehrere Großaufträge in den USA. In Deutschland gibt es aber auch Probleme: Bei der Anbindung von vier Offshore-Windparks in der Nordsee liegt Siemens dem Zeitplan um mehr als ein Jahr hinterher. Die Verzögerungen sollen Siemens bereits mehr als 600 Millionen Euro gekostet haben. Quelle: dpa
SenvionDas Hamburger Unternehmen Senvion (ehemals Repower ) ist eine Tochter des indischen Windkraftkonzerns Suzlon. Wie Nordex ist es auch dem Hamburger Unternehmen gelungen, Marktanteile zu gewinnen. 2013 installierte Senvion Anlagen mit rund 484 Megawatt und nun einen Markanteil von insgesamt 13,5 Prozent. Im Onshore-Bereich sind es sogar 16,2 Prozent. Das sind drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. In Deutschland hat das Unternehmen nach eigenen Angaben nun eine Gesamtleistung von 2,8 Gigawatt installiert. Im März 2014 hat Senvion die Schwelle von 10 Gigawatt weltweit installierter Leistung überschritten. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen allerdings auch mit deutlichen Umsatzrückgängen zu kämpfen. Quelle: dpa
VestasDer weltgrößte Windturbinenhersteller Vestas hatte in Deutschland 2013 einen Marktanteil von 16,7 Prozent (Onshore 20 Prozent). Damit hat der Anlagenbauer zwar rund sechs Prozent an die kleineren Mitbewerber verloren, liegt aber weiterhin klar auf Platz zwei. Allein 2013 stellte das dänische Unternehmen Anlagen mit einer Leistung von 598,9 Megawatt in Deutschland auf. Wirtschaftlich ist Vestas offenbar auf einem guten Weg: Nach massiven Sparmaßnahmen in den Vorjahren hat das Unternehmen im letzten Quartal 2013 erstmals seit Mitte 2011 wieder einen Gewinn erwirtschaftet. Der Jahresverlust lag bei 82 Millionen Euro, nach 963 Millionen Euro 2012. Quelle: ZB
EnerconDas vom Windpionier Aloys Wobben gegründete Unternehmen ist unangefochtener Marktführer in Deutschland bei Anlagen auf dem Festland (49,6 Prozent Marktanteil). Onshore-Anlagen mit einer Leistung von 1.484,6 Megawatt hat Enercon allein 2013 aufgestellt. Auf dem Gesamtmarkt musste der Windanlagenbauer allerdings Verluste hinnehmen. Lag der Markanteil 2012 bei 54,3 Prozent, betrug er zuletzt noch bei 41,4 Prozent. Weltweit hat das Unternehmen mittlerweile mehr als 20.000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 28 Gigawatt installiert. Laut den Wirtschaftsforscher von Globaldata liegt Enercon im globalen Vergleich damit auf Platz. Geschlagen werden die Ostfriesen von der dänische Konkurrenz Vestas. Quelle: dpa

Was bezweckt Balz damit? Mit einem eigenen Vertreter der Anleihegläubiger, der wohl auch im Gläubigerausschuss sitzen wird, wäre er indirekt über zentrale Entscheidungen des Insolvenzverwalters informiert und könnte diese, wenn auch im engen Rahmen, versuchen zu beeinflussen – mit dem Ziel, Windreich fortzuführen und dabei möglichst viel für sich rauszuholen. Zudem, betont Grub „wollen wir einen Insolvenzspezialisten mit am Tisch sitzen haben“. Grub deutet an, dass alle anderen Kandidaten diese Expertise nicht einbrächten.

Zur Erinnerung: Balz hatte Anfang September zeitgleich mit dem Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung die Geschäftsführung niedergelegt. Nachfolger wurde Werner Heer, zuvor als Berater an Bord.

Willi Balz: Flotte Sprüche - hohle Worte

"Volle Befriedigung"

Jetzt ist Balz wieder aufgetaucht. Zwar übt er keine operative Funktion aus, kämpft aber umso vehementer um sein Lebenswerk. Balz und Grub versprechen in einem Schreiben an die Anleiheinhaber vollmundig, dass „eine volle Befriedigung aller Insolvenzgläubiger, auch der Anleihegläubiger, möglich ist“ und dass „durch Fortführung des Unternehmens jeglicher Schaden abgewendet werden kann“.

Woher das Duo nun diese Überzeugung nimmt, kann kaum jemand einschätzen. Klaus Nieding, Anwalt bei der Frankfurter Kanzlei Nieding + Barth, kandidiert ebenfalls für das Amt des gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger. Er sagt, er spreche den Ankündigungen von Balz und Grub derzeit nicht die Gewissheit zu, die hier in den Raum gestellt werde.

Angriffslustig wie eh und je

Lenkdrachen soll Energie gewinnen
Sie sehen aus wie übliche Lenkdrachen, doch sollen sie zukünftig der Gewinnung von Windenergie dienen. Die Technische Universität Delft in den Niederlanden, deren Drache hier zu sehen ist, forscht seit Jahren im Kite Power Projekt an dieser Technologie und hat schon mehrere Prototypen getestet. 2015 könnten laut der Brandenburger Firma Enerkite die fliegenden Kraftwerke auch in Deutschland für Energie sorgen. Die Drachen fliegen dafür in 300 bis 600 Metern Höhe und zapfen dort die konstanten Windströme für die Stromgewinnung ab. Über ein Seil ist der Drache mit einer mobilen Bodenstation gekoppelt. Die Flugsteuerung sowie der Generator laufen per Autopilot. Im Gegensatz zu großen Windanlagen sind die „Energiedrachen“ flexibel einsetzbar, leise und auch noch günstiger. Quelle: Twitter
Die USA setzt ebenfalls auf Fluggeräte zur Energiegewinnung, doch diese ähneln eher einem Flugzeug. Windturbinen aus Glasfasern und Karbon machen dabei die Stromgewinnung in der Luft möglich. Die Forschung des kalifornischen Unternehmens Makani Power an der Airborne Wind Turbine wird unter anderem von Google bezuschusst. Die Turbine, die bis zu 600 Meter hoch fliegt, wird von einem Hauptseil gehalten, während die Luftenergie über ein anderes Seil zum Boden gelangt. Dabei fliegt die Windturbine kreisförmig und quer zum Wind, wodurch sie sehr hohe Geschwindigkeiten erreicht. Der Prototyp kann sogar teilweise selbstständig den Flugmodus wechseln. Das Unternehmen plant die Windturbinen auch auf der See einzusetzen. Quelle: Twitter
Zumindest auf den Plänen der Konstrukteure bringen diese Windgeneratoren mehr Leistung als konventionelle Windmühlen. Der vertikale "Aerogenerator" wird auf hoher See installiert. Die Stromausbeute liegt bei 10 Megawatt, rund drei Megawatt mehr als die bisher größte Windanlage produziert. Die Spannweite kann nach Angaben des britischen Herstellers Windpower bis zu 230 Meter betragen. Dagegen sehen die bisher üblichen Windmühlen eher schlapp aus - die neuesten Anlagen der konventionellen Bauart sollen nämlich einen Rotorendurchmesser von "nur" 180 Meter haben. Texte: Miguel Zamorano Recherche: Andreas Menn Quelle: PR
Schaut wie eine Steinschleuder aus, ist aber ein Lenkdrache. Die Idee: der Kite-Segel der italienischen Firma Kite Gen ist an einem bewegbaren Arm an zwei Seilen befestig und wird dann auf eine Höhe von 800 bis 1000 Metern gebracht. Dort dreht der Winddrachen konstante Achten und treibt so die Turbine an. Der Vorteil: in mehr als 1000 Meter Höhe bläst der Wind konstanter als in Bodennähe. Bei einer Windgeschwindigkeit von 25 km/h läge die Energieausbeute laut Hersteller bei drei Megawatt. 300 Drachen brächten so die Leistung eines Atomkraftwerks - und da der Wind in der Höhe nahezu durchgehend bläst, gäbe es keine großen Ausfallzeiten. Der Haken: Flugzeuge müssten das Gebiet umfliegen. Das scheint bei der hohen Verkehrsdichte am europäischen Himmel und der Größe der Lenkdrachen-Parks nicht praktikabel. Das Modell ist derzeit noch in der Erprobungsphase. Quelle: PR
Bläst der Wind, dreht sich der Ballon um die eigene Sache und treibt den Rotor an Quelle: PR
Die Windhelix eignet sich für große Eigenheime Quelle: PR
Diese Modell soll sich unauffällig in die Landschaft fügen- Quelle: PR

Doch das kümmert Balz nicht. Angriffslustig wie eh und je drischt er nebenbei in dem Brief an die Anleihezeichner auf alles und alle ein. Denn wie gehabt: Bei Balz sind immer die anderen schuld.

Erstmals bestätigt Balz in dem Schreiben Informationen der WirtschaftsWoche, dass es die Schweizer Privatbank J. Safra Sarasin gewesen sei, die überraschend den Insolvenzantrag beim Amtsgericht Esslingen gestellt hatte. Balz behauptet, der Antrag habe verhindert, dass eine von ihm beschaffte Brückenfinanzierung zur Auszahlung gekommen sei. Diese hätte den Geschäftsbetrieb von Windreich bis Ende 2014 sicherstellen können. Zudem sei der für Windreich überlebenswichtige Verkaufsprozess des geplanten Nordseewindparks MEG 1, für den die Investmentbank Macquarie mandatiert ist, erneut gestoppt worden. Safra Sarasin wollte zu Balz’ Vorwürfen keine Stellung nehmen. Aus dem Windreich-Umfeld werden Balz’ Behauptungen klar zurückgewiesen.

Befremdliches Vorgehen

Schwere Geschütze fährt Balz auch gegen Geschäftsführer Heer auf. Der habe drei Tage vor Fristablauf der Eigenverwaltung ohne Abstimmung mit ihm als Gesellschafter den Antrag zurückgezogen. Damit sei Windreich unnötig früh in die Regelinsolvenz geraten und ein Verlustvortrag von 40 Millionen Euro vernichtet worden. Heer habe zudem für vier Windreich-Töchter Insolvenzanträge gestellt, obwohl drei davon schuldenfrei gewesen seien, behauptet Balz. Heer möchte die Vorwürfe nicht kommentieren.

Das Aufpoppen des großen Zampano verunsichert. Anlegerschützer Nieding hält Balz’ Vorgehen für „befremdlich“: „Dass er sich wenige Tage vor der Anleihegläubigerversammlung auf diese Weise in den Prozess einbringen möchte, schafft eher Verunsicherung als Vertrauen.“ Deutlicher wird die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). In einer Infomail heißt es: „Aus unserer Sicht sollte man die Worte von Herrn Dr. Grub als Vertreter eines Gesellschafters stets mit Vorsicht genießen.“ Insgesamt bezeichnet die SdK die Situation bei Windreich als „völlig unklar“. Daher könne sie keine klare Empfehlung geben.

Und weiter heißt es: „Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Herrn Balz sollten eher zur Vorsicht mahnen.“

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