Gründerwettbewerb Kohle aus Gartenabfällen

Vier Gründer produzieren aus Gartenabfällen klimaneutrale Kohle und leisten damit einen Beitrag zum Klimaschutz. Mit ihrer Idee gewinnen sie den Gründerwettbewerb der WirtschaftsWoche.

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Suncoal-Gründer: v. Ploetz, v. Ohlshausen, Wittmann, v. Massow (v. links) Quelle: Hans Scherhaufer für WirtschaftsWoche

Die Lösung vieler Energieprobleme ist einen Meter groß und riecht nach frischer Erde. Es ist ein Stahlkessel auf drei Stelzen, von dem Drähte, Schläuche und Messgeräte in alle Richtungen ragen. Mit dem Kessel, der in einem fensterlosen Raum der Technischen Universität Berlin steht, helfen vier Gründer der Natur auf die Sprünge: Hans-Joachim von Massow, 29, Tobias Wittmann, 30, Friedrich von Ploetz, 30, und Christian von Olshausen, 28, kochen Kohle – aus Gartenabfällen, Stroh oder Hühnermist.

Die vier Gründer des Startups Suncoal schaffen in zwölf Stunden, wofür die Natur Millionen Jahre braucht. Bislang testweise. Doch in wenigen Monaten geht die erste Großanlage in Betrieb, die massenhaft Kohle aus recycelten Rohstoffen produzieren soll. Die neue Kohle ist nicht nur ressourcenschonend, sondern auch klimaneutral: Wird sie verbrannt, setzt sie nur so viel Kohlendioxid frei, wie die Pflanzen, aus der sie hergestellt wurde, während ihres Wachstums aufgenommen haben.

Mit ihrem Konzept, ihrem interdisziplinär zusammengesetzten Team und ihrer Begeisterung überzeugten die Jungunternehmer die Jury des WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerbs und setzten sich im Finale gegen vier weitere Gründerteams durch. Mit dem Gründerwettbewerb gewinnt Suncoal zugleich Sachleistungen im Wert von 300.000 Euro.

Stimmungsumschwung in der Gründerszene

Das Team hat „eine technische Lösung in ein gutes Geschäftsmodell gepackt“, sagt Jurymitglied Karl Funke, Deutschlandchef des Unternehmernetzwerks Entrepreneurs’ Organization. Gleichzeitig zeigt der Erfolg von Suncoal einen Stimmungswechsel in der Gründerszene: Noch vor einem Jahr waren Internet-, Software- und Biotech-Startups die am häufigsten finanzierten Geschäftsmodelle. Nun setzen Investoren zunehmend auf Medizintechnik und alternative Energien.

Das erwischt viele Startups in einem ungünstigen Moment: „Viele Gründer haben Probleme, an Kredite zu kommen“, sagt Florian Schumacher vom Business Angels Netzwerk Deutschland. Besonders schwer ist die Lage für Internet-Gründer. Denn Risikoinvestoren und Business Angel überdenken gerade ihre Portfolios. Vor allem werbefinanzierte Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand. 

Investoren setzen im Internet zunehmend auf transaktionsbasierte Geschäftsmodelle, „bei denen man genau weiß, wann das Geschäft rentabel ist“, sagt Christian Leybold vom Risikoinvestor BV Capital. Auch Geschäftsmodelle für das mobile Internet sind gefragt. Erst vor wenigen Wochen bekam etwa die Berliner Handy-Community Aka-Aki frisches Kapital, ebenso Wettbewerber Qiro.

Glänzend sind die Zeiten jedoch für Unternehmen wie Suncoal. In diesem Jahr haben Risikokapitalgeber so viel in Geschäftsmodelle der Medizintechnik und der erneuerbaren Energien investiert wie lange nicht. „Das Thema Energie ist der Renner der nächsten Jahre“, sagt Schumacher. 

WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerb

So musste Suncoal nicht lange nach Unterstützung suchen. Wenige Monate nach ihrer Firmengründung fanden die Jungunternehmer mit Bodo Wolf nicht nur einen finanzstarken Investor. Der Gründer der Choren Industries, dem führenden Hersteller von Diesel aus Biomasse, ist auch einer der gefragtesten Experten im Geschäft mit erneuerbaren Energien. Rund 50 Jahre arbeitete er in der deutschen Energiewirtschaft. Mit diesem Wissen will Wolf nun Suncoal auf die Beine helfen. Dass es klappt, steht für Wolf außer Zweifel: „Mit solchen Leuten können Sie nicht verlieren“, sagt er über das Suncoal-Gründerteam. 

Dabei ist die Idee der Verkohlung von Biomasse fast 100 Jahre alt: Der deutsche Chemiker Friedrich Bergius hat das Verfahren erstmals 1910 beschrieben. Eine große Öffentlichkeit hatte das Thema nie. 

Das könnte sich bald ändern. Während fossile Brennstoffe knapp werden, suchen Wissenschaftler nach Alternativen zu Öl, Gas und Kohle. Wer eine Lösung für den Massenmarkt findet, wird über Nacht reich und leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Lösung eines der größten Probleme unserer Wirtschaft.

Als sich die beiden Freunde von Massow und Wittmann im Herbst 2006 in einem Berliner Café trafen, beherrschten die Folgen des Klimawandels die Schlagzeilen. Al Gores Film „Eine unbequeme Wahrheit“ war gerade in den Kinos gestartet – das Thema war überall. Die beiden diskutierten über die Energieversorgung der Zukunft. Sie kennen sich aus: Wittmann promovierte im Fach Energietechnik und von Massow war als Unternehmensberater für Roland Berger in Osteuropa unterwegs. Dort plante er Wasserwerke und brachte Kohleförderer auf den Weg. 

Suncoal - Eine innovative Geschäftsidee

Beiläufig erzählt Wittman an dem Nachmittag von neuen Methoden für die Verkohlung von Biomasse. Plötzlich sind sie elektrisiert. Wäre das nicht die Lösung vieler Energieprobleme? Eine Geschäftsidee? Schon lange wollten sie ein Unternehmen gründen, das einen Beitrag leistet, zur Lösung eines Problems. Das könnte es sein.

Tagsüber feilt Wittmann an seiner Doktorarbeit, nachts wälzt er Artikel über Hydrothermale Karbonisierung, wie die Verkohlung im Fachjargon heißt. An den Wochenenden fliegt von Massow nach Berlin – um seine Freundin zu sehen und um an der Idee zu feilen. Über Monate geht das so.

Die Freunde bauen eine Testanlage. Für ihre Experimente bekommen sie einen Raum an der TU Berlin. Hier kochen sie kiloweise Gartenabfälle. Die müssen erst zerkleinert werden. Dann erhitzen sie das Grünzeug mit Wasser in einem Stahlkessel, der mit 20 Bar unter zehnmal so hohem Druck steht wie ein Autoreifen. Nach mehreren Stunden bei rund 200 Grad Hitze spalten sich in der Brühe Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Das Ergebnis ist ein schwarzer Schlamm. Der wird herausgenommen und getrocknet. Immer weiter verfeinern sie das Verfahren.

Doch sie spüren, dass sie Suncoal zu zweit nie zum Laufen bringen können. Weder haben sie einen Businessplan noch einen Investor. In ihrem Freundeskreis finden sie Mitstreiter, die sie sofort überzeugen: Christian von Olshausen, Produktionsleiter von Procter & Gamble, und Friedrich von Ploetz, ebenfalls Berater bei Roland Berger. Alle schmeißen ihre hoch bezahlten Jobs hin, geben Dienstwagen und Blackberry zurück und ziehen in ein kleines Büro in den Hafen von Königs Wusterhausen in Brandenburg. 

Jetzt gilt es, wichtige Fragen zu klären: Wird die Kohle fest genug? Wie heiß brennt sie? Brennt sie lange genug? 

Der Suncoal-Kohlestaub nimmt alle Hürden: Experten bestätigen ihnen hohe Qualität. Zwar stellen bereits einige Unternehmen flüssige Kohleprodukte aus Biomasse her. Doch in der Produktion von Verkohlungsprodukten „gehört Suncoal schon jetzt zu den Pionieren“, sagt Andreas Schütte von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Ob das auch in der Massenproduktion funktioniert, „werden wir erst sehen, wenn die Produktion in einem größeren Maßstab umgesetzt wird“, sagt Schütte.

Die erste Großanlage soll in den nächsten Monaten in Betrieb gehen. In einer großen Lagerhalle im Hafen von Königs Wusterhausen wollen sie land- und forstwirtschaftliche Abfälle, Gärreste aus Biogasanlagen, Klärschlamm und Grünschnitt verkohlen. Dabei wird sich zeigen, ob die Technik für eine Massenproduktion taugt. 

Die Jungunternehmer müssen gleichzeitig an ihrem Markenauftritt feilen, Investoren gewinnen und weitere Mitarbeiter einstellen. Dafür hat das Team durch den WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerb nun starke Partner gewonnen: 

Die Markenprofis der Werbeagentur Jung von Matt beraten die Gründer bei Markenstrategie und Kommunikationsauftritt. Das Business-Angel-Netzwerk BrainsToVentures unterstützt sie bei der Suche nach Investoren und coacht das Gründerteam in Alltagsfragen.  Die Personalberater von Heidrick & Struggles unterstützen Suncoal – etwa bei der Personalauswahl oder beim Aufbau der Organisationsstruktur.  Die auf die Betreuung von technologiebasierten Unternehmen spezialisierte Anwaltssozietät White & Case gibt den Gewinnern juristische Beratung bei der ersten Finanzierungsrunde oder bei einem Mitarbeiter-Beteiligungsmodell. Die WirtschaftsWoche spendiert den Gewinnern eine Anzeige im Heft oder Bannerwerbung im Internet auf wiwo.de. Gemeinsam mit den anderen Finalistenteams des Gründerwettbewerbs bekommen sie zudem Gründertraining. Mitglieder des internationalen Unternehmernetzwerks Entrepreneurs’ Organization schulen sie mit dem eigens entwickelten Programm „Accelerator“, das schon seit Jahren erfolgreich in den USA durchgeführt wird.

Die Leser der WirtschaftsWoche können die weitere Entwicklung von Suncoal mitverfolgen. Das Gewinnerteam berichtet ab sofort im Gründertagebuch regelmäßig über die Fortschritte.

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