Der von der Energiewende gebeutelte Versorger RWE geht mit dem Börsengang seiner Ökostromtochter Innogy in die Offensive. Der hochverschuldete Konzern könnte bei dem Gang aufs Parkett bis zu fünf Milliarden Euro einsammeln. Dies wäre die größte Emission seit dem Jahr 2000, als die Deutsche Post und der Chipkonzern Infineon gelistet wurden.
Die Aktien der Tochter, die zu einem Preis zwischen 32 und 36 Euro angeboten werden, stießen auf großes Interesse: Bereits am ersten Tag der Zeichnungsfrist lagen nach Angaben der begleitenden Banken Kaufaufträge für das gesamte Emissionsvolumen einschließlich der Aufstockungsoption vor. Am Freitag werden die Papiere an der Frankfurter Börse erstmals gehandelt.
RWE-Chef Peter Terium, künftig Boss von Innogy, will mit dem Schritt Handlungsspielraum zurückgewinnen. Zuletzt hatten viele Anleger einen Bogen um den Konzern mit seinen Atom- und Kohlekraftwerken gemacht. Diese Kraftwerke bleiben nun wie der Energiehandel bei RWE, Innogy bündelt das zukunftsträchtige Geschäft mit Ökostrom, Vertrieb und den Strom- und Gasnetzen. Die Aufteilung soll neue Investoren locken. Auch E.On will sich auf die neuen Geschäfte konzentrieren und hat die Kohle- und Gaskraftwerke mit der Tochter Uniper Mitte September an die Börse gebracht.
Macht Innogy-Börsengang RWE zum Sieger?
Bei der Erstnotiz sollen bis zu ein Viertel der Innogy-Anteile auf den Markt gebracht werden. Die Aktien sollen 35 bis 36 Euro kosten. Damit würde Innogy auf eine Bewertung von bis zu 20 Milliarden Euro kommen und wäre der mit Abstand wertvollste deutsche Energiekonzern. Der Börsengang besteht aus mehreren Teilen. So gibt Innogy im Rahmen einer Kapitalerhöhung zehn Prozent neue Aktien aus, das soll dem Unternehmen zwischen 1,8 und 2 Milliarden Euro für Wachstumsinvestitionen bescheren. Zudem will RWE bis zu 15 Prozent seiner Innogy-Anteile verkaufen.
Mit Innogy bringt RWE sein sogenanntes Zukunftsgeschäft aus Ökostrom, Netzen und Vertrieb an die Börse. Hier sehen Investoren Wachstumsperspektiven. Zudem verspricht das Netzgeschäft mit seinen staatlich vorgegebenen Preisen zwar keine üppigen, aber gut kalkulierbare Erträge. In Zeiten niedriger Zinsen sind solche Anlagen gefragt. Vor allem aber kommt Innogy ohne Altlasten aus Atom- und Kohlekraftwerken auf den Markt und winkt mit hohen Dividenden. Zudem gehen die Banken bei der Vermarktung der Aktien geschickt vor – mit dem Vermögensverwalter Blackrock haben sie bereits einen Großanleger an Bord geholt.
Darauf hofft das Management. Auf jeden Fall verschafft sich der Mutterkonzern neue finanzielle Spielräume. Vor einem Jahr schien das noch undenkbar. Kaum ein Investor wollte RWE angesichts wegbrechender Gewinne der alten Großkraftwerke und der Unsicherheiten über die Kosten für den Atomausstieg noch Geld geben. Jetzt bringt der Börsengang Milliarden ein. Geld, dass der Konzern für Neuinvestitionen in Energiewende-Produkte die Kosten des Atomausstiegs gut gebrauchen kann.
RWE trennt sich von einem Großteil seiner Geschäfte, die zuletzt für gut drei Viertel des Betriebsgewinns standen. Rund 40.000 von derzeit knapp 60.000 RWE-Beschäftigten werden bei Innogy arbeiten. Von den operativen Geschäften bleiben RWE nur noch die angeschlagenen Großkraftwerke sowie der schwankungsanfällige Energiehandel. Dritte Ertragsquelle sind die erwarteten Dividenden von Innogy. Bei künftigem Kapitalbedarf könnte RWE auch weitere Innogy-Anteile über die Zeit veräußern. Bislang heißt es aber, dass der Konzern auch langfristig die Mehrheit an Innogy behalten will.
Auch Eon hat sich aufgespalten, ist dabei aber genau andersherum vorgegangen. So hat der RWE-Rivale seine ungeliebten Altgeschäfte über das neue Unternehmen Uniper an die Börse gebracht und will sich künftig selbst auf die neue Energiewelt konzentrieren. Ursprünglich wollte sich der Konzern dabei auch von seinen deutschen Atomkraftwerken trennen. Doch dem machte die Bundesregierung einen Strich durch die Rechnung, weil sie fürchtete, dass Eon sich so aus der langfristigen Haftung stehlen wollte.
Derzeit hat RWE die Nase vorn. Der „blaue“ RWE-Konzern war in den vergangenen Jahren immer weniger wert als sein „roter“ Rivale. Doch nun ziehen RWE und Innogy davon. Zusammen könnten sie rund 28 Milliarden Euro Börsenwert auf die Waage bringen könnten, während Eon und Uniper zusammen nur auf rund 16 Milliarden Euro Aktienwert kommen. Die Abspaltung von Uniper hat bei Eon bislang nicht zum erhofften Anstieg des Aktienkurses geführt. Ein Grund dafür sind die anhaltenden Unsicherheiten über die Lasten für den Atomausstieg.
Eon betont, den klareren Schnitt gemacht zu haben. Der Konzern hat gleich mehr als 50 Prozent der Anteile an Uniper abgegeben. Damit könne Eon wirklich frei agieren, betont Vorstandschef Johannes Teyssen. Innogy dagegen gehört weiter zu RWE und könnte nach Meinung von Kritikern zu viel Rücksicht auf die angeschlagene Mutter nehmen müssen.
"Investoren bevorzugen Netze und Erneuerbare Energie", sagte der Experte der Fondsgesellschaft NN Investment Partners, Oskar Tijs. Neben Geschäften, die dank der staatlichen Regulierung stabile Einnahmen versprechen, lockt Innogy die Investoren mit einer Dividende bereits für das laufende Jahr. Die Tochter will 70 bis 80 Prozent des um Sondereffekte bereinigten Nettogewinns ausschütten. Ein Großteil wird bei der Mutter landen, die je nach Ausnutzung der Optionen 75 bis 82 Prozent halten wird.
Innogy könnte bis zu 20 Milliarden Euro wert sein
"RWE wird durch die erwartete Dividendenzahlung von Innogy in die Lage versetzt, selbst für 2016 eine Dividende zu zahlen", sagte Thomas Deser, Portfoliomanager bei der Fondsgesellschaft Union Investment. Für 2015 hatte der Konzern nach Verlusten erstmals seit Jahrzehnten keine Dividende ausgeschüttet.
Innogy wird künftig 40.000 Mitarbeiter beschäftigen, RWE 20.000. Während Terium Innogy führt, übernimmt sein bisheriger Stellvertreter Rolf Martin Schmitz den Chefposten bei RWE. Der Mutterkonzern kann später weitere Anteile versilbern, will aber auf Dauer die Mehrheit an Innogy behalten.
Darauf ist der Konzern auch angewiesen: Die Ökostromtochter steht für rund 80 Prozent des operativen Gewinns. RWE drücken Schulden von 28 Milliarden Euro. Zudem kommen auf den Versorger milliardenschwere Lasten durch den Ausstieg aus der Atomenergie durch die Lasten aus dem Braunkohletagebau zu.
Der Ausblick für Innogy
Erwartetes Ebitda für 2016: 2,5 bis 2,7 Milliarden Euro
Quelle: RWE
Erwartetes Ebitda für 2016: 1,0 bis 1,2 Milliarden Euro
Erwartetes Ebitda für 2016: 0,6 bis 0,8 Milliarden Euro
Erwartetes Ebitda für 2016: 4,1 bis 4,4 Milliarden Euro
RWE plant inklusive Erhöhungs- und Mehrzuteilungsoption die Ausgabe von insgesamt bis zu 139 Millionen Innogy-Aktien. Die Bücher werden am 6. Oktober geschlossen. Der Börsenwert von Innogy könnte je nach Platzierungspreis rechnerisch bei 17,8 bis 20 Milliarden Euro liegen und damit etwa doppelt so hoch wie aktuell beim Mutterkonzern sein.