Innogy steigt bei Intertrust Technologies ein Peter Teriums neueste Wette

Der Essener Energiekonzern Innogy steigt bei einem Silicon-Valley-Veteranen ein, der berühmt berüchtigt für die Vermarktung seines Patentschatzes ist.

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Energiebranche: Teriums neueste Wette Quelle: dpa

Engere Allianzen mit Silicon Valley Unternehmen hatte Peter Terium, Chef der RWE Ökostromtochter Innogy, versprochen. In vier kalifornische Jungunternehmen, die sich auf das Auswerten von Daten aus der Energiebranche fokussieren, hat Innogys Wagniskapitalarm seit November vergangenen Jahres investiert. Nun hat der frühere Chef des RWE-Gesamtkonzerns eine Wette mit einem Silicon Valley Veteranen platziert. Gemeinsam mit dem in Palo Alto angesiedelten Wagniskapitalgeber World Innovation Lab (WiL), der von japanischen Konzernen wie NTT, Mizuho, Daiwa sowie der japanischen Regierung finanziert wird, steigt das Essener Energieunternehmen bei Intertrust Technologies aus Sunnyvale ein.

Die neuen Investoren übernehmen rund 40 Prozent der Anteile, die Altgesellschafter Sony und Philips bleiben an Bord. Intertrust Technologies, 1990 gegründet, gilt als Pionier von Kopierschutztechnologien und ist im Hightechtal vor allem als erfolgreicher Vermarkter von Internet-Patenten bekannt. Über die Höhe des Investments schweigen sich die Beteiligten aus. Es ist ein „höherer zweistelliger Betrag, mehr in Richtung fünfzig Millionen Dollar“, räumt Intertrust-Chef Talal Shamoon ein. Laut Shamoon wäre jedoch die Summe nicht ausschlaggebend gewesen, sein Unternehmen sei gut kapitalisiert. “Wir sind hauptsächlich an Produkten interessiert, die wir dank des Einflusses unserer neuen Gesellschafter schneller im Markt etablieren können”.

440 Millionen Dollar von Microsoft

Intertrust Technologies hat eine berühmt-berüchtigte Geschichte im Silicon Valley. Sein Gründer Victor Shear, Spross eines bekannten Krebsforschers, hatte Anfang der neunziger Jahre die Vision, dass in Zukunft viele Güter digital gehandelt werden würden. Wie sein Vater, der die Chemotherapie miterfand, wollte Shear seine Fußstapfen in der Zivilisation hinterlassen.

Der Computerenthusiast sinnierte darüber, wie sich Daten nicht nur sicher übermitteln, sondern auch vor unerlaubtem Kopieren schützen ließen. Seine Überlegungen reichte er Mitte der neunziger Jahre als Patente ein und machte sich dann daran, sein Startup als unabhängige Instanz zum Verwalten der Rechte an Dateien aufzubauen.

Inklusive, wie es sich Ende der neunziger Jahre im Silicon Valley gehörte, einem Börsengang. Doch das Geschäft mit den digitalen Rechten erwies sich schwieriger als erwartet. Intertrust Technologies geriet beim Platzen der Dot.com-Blase in Schwierigkeiten, Sony und Philips kauften sich 2003 gemeinsam mit der Investmentbank Stevens ein. Auch um eine erfolgversprechende Klage gegen Microsoft zu finanzieren.

Unabhängige Instanz zum Austausch von Daten

Nahezu alle Produkte des Softwarekonzerns, so behauptete Shear, würden gegen seine Patente verstoßen. Ein Jahr später erklärte sich Microsoft bereit, den Rechtsstreit gegen Zahlung von 440 Millionen Dollar beizulegen, eine der höchsten Summen die je wegen Patentverletzungen auch tatsächlich flossen. Seitdem haben alle großen Technologiekonzerne Intertrusts Technologien lizenziert, vor zwei Jahren auch Apple. Doch Shamoon, der 1997 als Forscher bei Intertrust startete, will sein Unternehmen nicht als Patent-Troll verstehen.

Die Millionen von Microsoft und anderen Technologiekonzernen hat der promovierte Elektroingenieur in den Aufbau von Plattformen gesteckt, die die geschützte Übermittlung und Verwaltung von Videos, Musik oder Kunden- und Patienteninformationen gestatten und zumeist im Hintergrund zum Einsatz kommen. Shear ging 2003 in den Ruhestand, ist seinem Unternehmen jedoch noch immer als Mentor verbunden.

Mit Hilfe von Innogy will Shamoon nun stärker in den Bereich des Internets der Dinge vordringen, vor allem im Energiesektor. Etwa beim Vertreiben von erneuerbaren Energien, wo dessen Erzeuger Informationen über die Liefermengen austauschen müssen, um eine stabile Versorgung zu gewährleisten.

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Und dazu unter anderem Informationen benötigen, was bei den einzelnen Kunden vor Ort gespeichert wird, um die Produktion entsprechend auszurichten. Sich allerdings beim Austausch dieser Informationen von Konkurrenten aus Wettbewerbsgründen nicht zu stark in die Karten schauen lassen wollen. Shamoon sieht hier die große Chance, Intertrust „als unabhängige Instanz einzuschalten, die die verschiedenen Daten empfängt, auswertet und weiterleitet“. Im Grunde ist es die ursprüngliche Version von Intertrust-Gründer Shear, sich als eine Art Clearing-House zu etablieren. Dass die Unabhängigkeit in Frage gestellt ist, wenn mit Innogy ausgerechnet einer der größten europäischen Erzeuger von erneuerbaren Energien hinter Intertrust steht, sieht Shamoon nicht als Problem, sondern Vorteil.

Wenn ein wichtiger Marktteilnehmer die Idee mittrage, so argumentiert er, würde sie automatisch an Glaubwürdigkeit im Markt gewinnen. „Die Energieversorger haben sich beispielsweise auf 220 Volt geeinigt, weil solch ein Standard für die gesamte Branche von Interesse war“, so der Intertrust-Chef. Florian Kolb, Geschäftsführer von Innogy New Ventures vergleicht es mit BMW, Daimler und Audi, die beim Erwerb des Kartendienstes Here trotz Wettbewerbs miteinander kooperieren würden.

„Der gemeinsame Ausbau der Ressource macht diese doch erst richtig interessant, anstatt eigene Daten-Silos vorzuhalten“, meint Kolb.

Sein Chef Terium bekräftigt derweil die Strategie, sich stärker auf das Gewinnen und Vermarkten von Daten zu konzentrieren, um im Energiegeschäft Akzente zu setzen - inklusive weiterer Beteiligungen an Silicon Valley Unternehmen.

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