Nein, aufgeben wird Willi Balz nicht. Andere hätten vielleicht längst das Handtuch geworfen. Balz nicht: „So schlecht wie meine Feinde denken geht's mir gar nicht“, sagt er und lächelt - so gut es eben geht. Tatsächlich sieht der 55-Jährige etwas müde aus. Doch Balz' Optimismus und Kampfgeist scheint ungebrochen. „Mein Ziel ist weiterhin, ein Offshore-Projekt pro Jahr ans Netz zu bringen.“ Danach sah es zuletzt nicht aus. Fast drei Jahre ist es her, dass alles um ihn herum zusammenbrach: Erst klopfte die Staatsanwaltschaft an, dann kam die Insolvenz.
Balz' 1999 gegründete Firma Windreich plant zusammen mit Partnern Windparks auf hoher See. Das Unternehmen aus dem 800 Kilometer von der Küste entfernten schwäbischen Dorf Wolfschlugen beschafft Genehmigungen und beauftragt den Bau - kurz vor Baubeginn oder wenn die Parks am Netz sind, wird an Investoren verkauft. Eine Wette, für die Balz einstand. Mit Hunderten Millionen Euro, die er von Geldgebern eingesammelt hatte, und knapp 200 Millionen Euro aus dem eigenen Vermögen.
Willi Balz: Flotte Sprüche - hohle Worte
Der Windpark Global Tech 1 in der Nordsee kommt gut voran. Die Fundamente stehen. Das Folgeprojekt MEG 1 redete Windreich-Gründer Balz bisher nur herbei, hier steht nicht einmal die Finanzierung.
"Projektfinanzierung für den Offshore-Windpark MEG 1 über 1,85 Milliarden Euro steht vor dem Abschluss". Windreich-Pressemitteilung November 2012
"MEG 1 steht vor dem Financial Close". Windreich-Pressemitteilung von Januar 2013
"Der Abschluss bei MEG 1 steht unmittelbar bevor. Schon ab Mai werden uns 100 Millionen Euro im ersten Schritt zufließen" Willi Balz gegenüber der WirtschaftsWoche im Februar 2013
"Die Finanzierung von MEG 1 sieht gut aus" Willi Balz auf der Pressekonferenz am 20. August 2013
"Ich bin Vettel und Mateschitz in einem" Willi Balz über seine Allmachtstellung bei Windreich am 17. Juli 2013
"Die Talsohle ist durchschritten, bei Windreich geht es richtig aufwärts!" Brief an die Anleihezeichner vom 23. Juli 2013
"Wir haben bewusst den altbekannten Spruch "Liquidität vor Rentabilität" nicht befolgt und werden dadurch, auch zu Ihrem Wohle, sehr geschätzte Anleihezeichner, hohe Unternehmenswertsteigerungen erzielen" Brief an die Anleihezeichner vom 23. Juli 2013
"Saugut sieht’s aus. Ich bin richtig stolz" 15. August 2013
"Die Liquidität ist nicht überschäumend. Aber von einer Insolvenz sind wir ganz weit weg" 15. August 2013
"Aufgrund unserer Veröffentlichung der Bilanzzahlen erhielten wir viele Glückwünsche" Brief an die Anleihezeichner vom 16. August 2013
Das Geschäft ist nicht ohne Risiko. In einer Genehmigung stecken, so rechnet Balz vor, sechs bis acht Jahre Arbeit und 20 bis 40 Millionen Euro. Windreich häufte über Jahre mehr und mehr Schulden an. Die Gläubiger wurden nervös. Im März 2013 klopfte die Staatsanwaltschaft an. Sie ermittelt wegen Bilanzmanipulation und Insolvenzverschleppung - bislang ist es zu keiner Anklage gekommen. Wenige Monate später wurde das Insolvenzverfahren gegen Windreich eröffnet. Ein Jahr darauf war Balz auch privat pleite. Die Bank Safra Sarasin hatte den Antrag auf Privatinsolvenz gestellt. Das Institut hatte Windreich Kredite über rund 75 Millionen Euro gewährt, für die Balz persönlich bürgte.
„Die Privatinsolvenz ist das überflüssigste, da verlieren alle“, sagt Balz. Seine Motorräder wurden abgeholt, seine beiden Flugzeuge, von seinen 100 Immobilien, mit denen er sein Vermögen gemacht hat, sind nach Balz' Angaben gut 20 versteigert. „Und zwar zu den miserablen Preisen, die man bei Versteigerungen eben erhält.“ Im Moment lebt er von der Unterstützung von Familie und Freunden - eine harte Landung. Balz glaubt nach wie vor, dass Gegner der Energiewende ihm übel mitgespielt haben: „Ich bin nicht gescheitert, ich wurde gescheitert.“
Vom Aufsteiger zum Verlierer?
Noch bis vor knapp drei Jahren war seine Geschichte die eines Aufsteigers. Der Bauernsohn aus Wolfschlugen machte nach der Schule eine Ausbildung zum Elektroniker, studierte Wirtschaftsingenieurwesen und begann mit Immobiliengeschäften. 2003 übernahm er die mit dem Pumpenhersteller Putzmeister gegründete Windkraftfirma Natenco komplett. Drei Jahre später schlug er sie an den französischen Windkraftanbieter Theolia los.
Das bislang einzige zu Geld gemachte Projekt von Windreich ist die „Deutsche Bucht“ - ein Windpark in der Nordsee, den Balz 2012 dem schottischen Lord Irvine Laidlaw verkaufte. Schließlich erdrückte die Schuldenlast Windreich fast. Die Gläubiger forderten 366 Millionen Euro. Gut ein Drittel davon stammt von Anleihezeichnern, die einst Mittelstandsanleihen von Balz kauften.
Den Weg aus den Schulden sollen nun die beiden anderen Großprojekte von Windreich bringen: Für den Windpark Meg I, der inzwischen in Merkur umbenannt wurde, hat Windreichs Insolvenzverwalter Holger Blümle sich mit dem belgischen Baukonzern DEME zusammengetan, nachdem ein Verkauf nicht geglückt war.
Balz' Vorzeigeprojekt, den bereits gebauten Windpark Global Tec I - sieht er vor dem Verkauf: Damit ist Balz einen kleinen Schritt weiter als noch vor einem Jahr. Er rechne mit dem Angebot eines kanadischen Pensionsfonds für den Park, sagte Balz. Beide Projekte sollen die Grundlage für einen konsolidierten Insolvenzplan für Windreich, insolvente Töchter und seine Privatinsolvenz bilden, den Balz noch in diesem Jahr vorlegen will. Nehmen die Gläubiger den Plan in ihrer Versammlung an, wäre Windreich - und der Privatmann Balz - saniert.
Doch der Plan allein wird von Beobachtern aus dem Umfeld als Mammutaufgabe gesehen. Denn das Firmengeflecht ist unübersichtlich. Während Balz selbst von einem Anteil von 14 Prozent an Global Tec spricht, stehen auf dem Papier für die Windreich GmbH 0,05 Prozent. Den Rest halten Firmen der Balz-Gruppe. Balz selbst denkt unbeirrt weiter in die Zukunft: „Einen Börsengang für das Geschäftsmodell der Windreich“ sagte er und lächelt, „halte ich weiterhin für möglich.“