Kraftstoffmarkt Die Mär von der Benzinpreistreiberei

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Durstige Pferdestärken

Clever tanken und sparen
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Tipp 1: Autofahrer sollten vermeiden, während einer Reisewelle zu tanken. Wer etwa am ersten Tag der Sommerferien mit dem Auto in den Urlaub starten will, sollte den Tank bereits einige Tage vorher füllen. Quelle: dpa
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Doch wenn der Fiskus wirklich verzichtete, stiege entweder der Beitrag zur Rentenversicherung oder die Zahl der Schlaglöcher auf deutschen Straßen.

Zur ganzen Wahrheit gehört auch, dass die Autofahrer ihr Schicksal selbst mitverursacht haben. Hätten sie sparsamere Autos gekauft, kämen sie jetzt mit "einmal tanken" deutlich weiter. Wie spürbar 100 Kilometer Autofahren das Portemonnaie leeren, ist schließlich von zwei Faktoren abhängig: vom Kraftstoffpreis – und von der verbrauchten Menge.

Doch was haben die ins Auto vernarrten Deutschen getan? Sich immer stärkere Autos zugelegt: Plus 25 PS, das ist nach Berechnung des Gelsenkirchener Car-Instituts die Bilanz der vergangenen 10 Jahre – 135 durstige Pferdestärken hat inzwischen ein neuer Pkw im Durchschnitt.

Im Jahr 2010 wurden in Deutschland fast 300.000 Geländewagen zugelassen, das sind – als wäre jeder zehnte Deutsche ein Förster – rund zehn Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge; im Jahr davor waren es nicht einmal sieben Prozent. Die Bedeutung der "Minis" bei den Neuzulassungen hat derweil deutlich abgenommen, absolut und relativ.

Das alles schlägt auf den Kraftstoffverbrauch durch, der übrigens weit überwiegend bei Fahrten entsteht, die der Freizeitgestaltung dienen. Der Berufsverkehr bringt es nur auf halb so viele Kilometer.

Heuchelei in der Benzinpreisdebatte

Auch deshalb zeugt die inzwischen von Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder einkassierte Idee, die Pendlerpauschale zu erhöhen, nicht von großer Sachkenntnis; das Jammern an den Zapfsäulen wäre auch dann nicht verstummt.

Stattdessen hätte sich der Urheber des Vorschlags, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), verdient gemacht, hätte er beispielsweise eine Reform der Dienstwagenbesteuerung ins Gespräch gebracht. Tatsächlich werden inzwischen rund 60 Prozent der neuen Pkw als Dienstfahrzeuge zugelassen; weil sich an deren Kosten der Fiskus beteiligt, tun weder die Anschaffungs- noch die Spritkosten besonders weh.

Das hätten die Verantwortlichen, die mit den Autofahrern jetzt angeblich mitleiden, längst ändern können – ebenso wie sie längst ein spritsparendes Tempolimit hätten verhängen können. Wenigstens hätten sie sich Vorschriften einfallen lassen können, die Autokäufern bei der Wahl eines sparsamen Fahrzeugs helfen.

Ein Energielabel aus dem Hause Rösler gibt es inzwischen zwar, aber was für eins! Es sorge "für große Verunsicherung bei den Autofahrern", ließ der ADAC wissen, weil es schwere Autos bevorzuge. Also Spritschlucker.

So viel Heuchelei ist bei der Benzinpreisdebatte im Spiel.

Dieser Artikel erschien zuerst auf zeit.de.

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