Ökostrom bei Lidl Greenwashing beim Discounter

Ein ungewöhnliches Angebot beim Discounter: Seit Montag vertreibt E.On Ökostrom über die Supermarktkette Lidl. Verbraucherschützer zweifeln am Umweltnutzen – und monieren den hohen Preis.

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E.On-Ökostrom bei Lidl Quelle: obs

Der 3. Juli hat für den Essener Energiekonzern E.On das Zeug zum historischen Tag: Rund zehn Milliarden Euro überwies der Konzern am Montag an den Atom-Entsorgungsfonds und gibt damit das finanzielle Risiko der Zwischen- und Endlagerung des nuklearen Mülls an den Staat ab. Zugleich vertreibt E.On ab jenem 3. Juli Ökostrom über die Supermarktkette Lidl. Die Werbung zielt auf gutes Gewissen und billige Preise. Doch hält der grüne Strom vom Discounter, was die Werbung verspricht?

Ökostrom spielt längst in der Liga der Lifestyle-Produkte, vergleichbar mit glutenfreier Nahrung oder laktosefreier Milch. Doch das Image des grünen Stroms hat zuletzt stark gelitten: Erst im März musste der Frankfurter Versorger Mainova nach einer Abmahnung durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen eingestehen, dass sein Strom weniger Anteil an Strom aus Erneuerbaren Energien hatte als ursprünglich ausgewiesen. Mainova betont hingegen, dass die "Umsetzung der gesetzlichen Stromkennzeichnungspflicht fehlerfrei erfolgte und erfolgt". Auch die Ökostromversprechen der Deutschen Bahn stießen auf harsche Kritik bei Umweltverbänden, die auf den Anteil an Kohle- und Atomstrom im Nah- und Güterverkehr hinwiesen.

Trotz der Kritik rangieren die Ökostrom-Tarife in den einschlägigen Internetportalen weit oben. E.On bewirbt seinen neuen Lidl-Tarif denn auch als Wohltat für die Natur: „Damit kann es sich jeder leisten, etwas für die Umwelt zu tun.“ Dass der Strom ausschließlich aus Erneuerbaren Energien stammt, versichert werbewirksam das Siegel des TÜV Süd. Bei Verbraucherschützern kann E.On damit jedoch nicht punkten. Sie kritisieren den Preis und das überzogene Umweltversprechen des Tarifs.

„Bei Ökostrom muss man generell die Frage stellen, was das wirklich bringt“, sagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. So rechnet der Verbraucherschützer vor, dass jeder Privathaushalt ohnehin 6,8 Cent pro Kilowattstunde an Umlage für Erneuerbare Energien (EEG) zahlt. „Jeder Privathaushalt bezieht heute schon rund 40 Prozent an grüner Energie. Und dafür entrichtet der Verbraucher die EEG-Umlage. Der Umweltnutzen, den Bezug auf 100 Prozent Ökostrom zu erhöhen, ist eher begrenzt“, sagt Sieverding.

Es fließt nur wenig Geld in den Ökostrom-Ausbau

Grund für den begrenzten Nutzen sei die Quelle der Energie: So stammt das Gros des grünen Stroms laut Sieverding nicht aus Windrädern oder Photovoltaik-Anlagen, sondern zumeist aus jahrzehntealten Wasserkraftwerken. „Von den rund 1200 Euro pro Jahr, die ein Haushalt für 4000 Kilowattstunden Ökostrom bezahlt, fließen vielleicht 10 bis 15 Euro in die Errichtung neuer Solaranlagen und Windräder. Ein großer Input für den Ausbau ist das nicht“, sagt Sieverding.

Dass der Lidl-Strom tatsächlich aus erneuerbaren Quellen fließt, garantiert das Siegel des TÜV Süd. Andreas Winterer, Chefredakteur des Online-Portals für nachhaltigen Konsum Utopia, zweifelt zwar nicht an der Güte des Siegels, hält es im Vergleich zu den vier gängigen Prüfsiegeln aber für eines der schwächeren. „Bei diesem Zertifikat reicht für den Ausweis grüner Energie auch der Zukauf von Ökostromzertifikaten. Zudem verpflichtet es nur eingeschränkt zur Errichtung neuer Erneuerbarer Anlagen“, sagt Winterer.

Entscheidender als die Feinheiten des Prüfsiegels dürfte für Kunden jedoch der Preis sein. Sieverding sieht diesen nur im „Mittelfeld“ und rät Kunden zu einem genauen Tarifvergleich. Zudem weist der Verbraucherschützer darauf hin, dass der Lidl-Strom ein reiner Online-Tarif ist: „Da können Sie nicht einfach zur Kassiererin gehen, wenn Sie eine Frage zu Ihrer Stromrechnung haben. Das findet alles ausschließlich online statt.“

E.On widerspricht der Kritik der Verbraucherschützer hingegen scharf und verweist auf die Preisgarantie seines Ökostrom-Tarifs bis 2019, „egal ob sich Steuern oder Umlagen erhöhen“. Zudem betont der Konzern, dass Stromkunden nicht nur online beraten werden: „Kunden können sich in der Filiale informieren oder sich bei unserem mehrfach ausgezeichneten E.On-Serviceteam an jedem Wochentag von Montag bis Sonntag telefonisch, per Mail, per Facebook oder postalisch melden.“

Trotz seiner Kritik sieht Winterer von Utopia den Lidl-Strom als brauchbare Alternative für Verbraucher: „Das ist immer noch besser als ein Tarif mit konventionellem Strom.“

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