Ökostrom Energiewende kostet bis zu 520 Milliarden Euro

Die Energiewende kostet Milliarden. Wird am derzeitigen Umlagesystem nichts geändert, summieren sich bis 2025 die Kosten in Deutschland auf 520 Milliarden Euro, rechnet das Institut für Wettbewerbsökonomik vor.

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Warum der deutsche Atomausstieg in den USA verhandelt wird
UniperDieser Fall ist gleich in mehrfacher Hinsicht hochbrisant: Bei der Milliardenklage des schwedischen Energieriesen Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland geht es nicht nur um den Atomausstieg und sehr viel Geld. Die mündliche Verhandlung vor dem internationalen Schiedsgericht ICSID in Washington rückt auch einen Zankapfel des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP in den Fokus. Am Montag beginnt im Fall ARB/12/12 die zwei Wochen dauernde Anhörung. Ein Urteil wird frühestens Mitte 2017 erwartet. Quelle: dpa
Worum geht es bei der Klage?Der schwedische Staatskonzern Vattenfall fordert 4,7 Milliarden Euro Schadenersatz von der Bundesregierung. Hintergrund ist der Atomausstieg, den Deutschland im Zuge der Reaktor-Katastrophe im japanischen Fukushima beschlossen hatte. Am 11. März 2011 war es im dortigen Atomkraftwerk zu verheerenden Kernschmelzen gekommen. Bei einem Erdbeben und Tsunami waren 18.500 Menschen ums Leben gekommen. Vattenfall sieht sich faktisch enteignet durch die Kehrtwende der Regierung, die unter dem Eindruck des Unglücks eine erst im Vorjahr beschlossene Laufzeitverlängerung für deutsche Atommeiler rückgängig gemacht hatte. Die Schweden hatten zuvor in der Annahme, dass die Anlagen noch Jahre am Netz bleiben würden, viel Geld für Anteile an den deutschen AKW in Brunsbüttel und Krümmel ausgegeben. Quelle: dpa
Warum wird der Fall in den USA verhandelt?Wie die großen deutschen Energiekonzerne Eon und RWE hat Vattenfall auch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Klage auf Schadenersatz wegen des beschleunigten Atomausstiegs eingereicht. Allerdings ist äußerst ungewiss, ob die Schweden als Staatsunternehmen überhaupt auf Grundrechtsschutz in Deutschland pochen können. Deshalb setzt der Konzern auf das internationale Schiedsgericht. RWE und Eon wiederum können als deutsche Unternehmen nur vor dem Verfassungsgericht klagen. Vattenfall macht sich große Hoffnungen beim Showdown in Washington. „Wir sind überzeugt, dass Transparenz für das Verständnis dieses Falls hilfreich ist“, verkündete Anne Gynnerstedt, die Leiterin der Rechtsabteilung. Es gehe Vattenfall nicht darum, den politischen und gesellschaftlichen Beschluss zum Ausstieg aus der Kernenergie in Frage zu stellen. „Wir haben aber immer betont, dass wir eine faire Kompensation für den entstandenen finanziellen Schaden erwarten.“ Quelle: dpa
Wie stehen die Chancen?Die Bundesregierung hält ihr Vorgehen für völkerrechtlich legitim und die Klage für unbegründet. Doch laut Fachleuten sieht es für Vattenfall gar nicht so schlecht aus. Die Schweden könnten geltend machen, dass die nachträgliche Begrenzung der Laufzeiten ihr berechtigtes Vertrauen in die Verlässlichkeit des deutschen Rechtsrahmens enttäuscht habe und deshalb „ungerecht und unbillig“ sei, schrieb etwa Experte Hans-Georg Dederer von der Universität Passau, nachdem Vattenfall die Schiedsklage 2012 einreichte. Aber Sorgen bereitet nicht nur der mögliche enorme finanzielle Schaden. Schon jetzt kostet das Verfahren den Steuerzahler Geld. Die Klage habe der Bundesregierung bereits mehr als acht Millionen Euro an Verfahrenskosten verursacht, hieß es im Sommer in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Quelle: dpa
Was hat das Ganze mit TTIP zu tun?Der Fall wird vor dem Internationalem Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten verhandelt. Dabei handelt es sich um eine Schiedsstelle mit Sitz bei der Weltbank in Washington – eben eine jener von TTIP-Gegnern als äußerst dubios empfundenen Sondergerichtsbarkeiten zum Schutze von Investoren. Die Institution eröffnet ausländischen Konzernen die Möglichkeit, Staaten außerhalb von deren nationalen Rechtssystemen in Regress zu nehmen. Auch wenn das ICSID bereits seit 1966 existiert und mit TTIP im engeren Sinne gar nichts zu tun, sind Schiedsgerichte solcher Art ein zentraler Streitpunkt des Freihandelsabkommens. Kritiker sehen die Einrichtungen als verlängerten Arm der internationalen Großkonzerne und stellen ihre Legitimität grundsätzlich in Frage. Auch deshalb dürfte die Verhandlung in Deutschland mit Argusaugen verfolgt werden. Quelle: dpa

Von 2000 bis 2025 summieren sich die Kosten für die Energiewende in Deutschland auf 520 Milliarden Euro. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren einer neuen Studie des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomik (DICE) im Auftrag der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).

Diese Summe wirkt zunächst etwas bedrohlich und unwirklich, heruntergerechnet auf den einzelnen Bürger wird sie aber greifbarer: Verteilt man den Betrag auf einzelne Monate, so koste die Energiewende jeden Einwohner in Deutschland monatlich 20 Euro bis 2025.

Vor allem die hohen Kosten für die EEG-Umlage mit der die erneuerbaren Energien gefördert werden, bemängeln die Autoren der Studie. Die Umlage sei mit rund 400 Milliarden Euro der größte Kostentreiber. „Wir wollen, dass die Energiewende ein Erfolg wird“, sagt Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer des INSM. Damit die Energiewende nicht nur effektiv, sondern auch wirtschaftlich von statten ginge, müsse der Ausbau von Ökostrom kosteneffizient erfolgen. Und das funktioniere nur mit marktwirtschaftlichen Prinzipien.

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Leicht gesagt. Aber in der stark von der Politik beeinflussten Energiewelt leider nicht so einfach umzusetzen. Und zwar vor allem deshalb nicht, weil immer wieder parteipolitische Entscheidungen die Kosten für die Energiewende in die Höhe treiben.

  • Beispiel Erdkabel: Neue Stromkabel werden nun in der Erde verbuddelt, anstatt überirdisch ausgebaut. Ein Tribut an Bayern. Die CSU dort hat sich erfolgreich gegen neue Stromleitungen über Land zur Wehr gesetzt.  Die Erdkabel kosten zusätzliche Milliarden.

  • Beispiel Klimareserve für Braunkohlekraftwerke: Um die Stromversorgung zu sichern, wären Gaskraftwerke als Reserve sicherlich die bessere Wahl als klimaschädliche Kohlemeiler. Doch nun erhalten ausgerechnet einige Braunkohlekraftwerke  jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag dafür, dass sie noch für einige Jahre als Reserve vorgehalten werden.

Immerhin geben die Autoren der Studie gleich zwei Vorschläge mit, wie sich die Kosten für die Energiewende in den Griff kriegen lassen könnten. Erste, allerdings nicht neue, Möglichkeit: Eine Reform des EU-Emissionshandels. Der Handel mit Kohlendioxid-Emissionen (CO2), so die Autoren,  sollte als wesentliches Instrument für den Klimaschutz genutzt werden und das deutsche Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) komplett abgeschafft werden. Dazu müsste allerdings der Preis für CO2-Zertifikate steigen und nicht sinken. Durchsetzbar erscheint diese Option auf EU-Ebene allerdings nicht, wie die Autoren selbst bemerken.

Zweite Option: Ein Ökostrom-Quoten-Modell nach schwedischem Vorbild. Auch hier spielt allerdings wieder der Gesetzgeber eine entscheidende Rolle. Er soll, so der Vorschlag der Gutachter, Energieerzeugern Vorgaben über den Anteil an Ökostrom machen, welche sie im Jahresdurchschnitt zu beziehen haben. Die Erzeuger von grünem Strom sollen pro 100 Kilowatt Stunde ein Grünstromzertifikat erhalten, das handelbar ist. Um diese Quote zu erfüllen, könnten diese Erzeuger Grünstrom von Dritten beziehen oder Grünstromzertifikate kaufen. Erreichen sie die vorgegebene Quote nicht, wäre eine Strafe zu bezahlen.

Auf den ersten Blick hat ein solches Modell durchaus Charme. Das Modell scheint eine genaue Steuerung des Zubaus von erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Ob das Preismodell so funktioniert, müsste genauer untersucht werden. Marktwirtschaftlich ist allerdings auch dieses Modell nicht unbedingt. Der Staat soll die Quoten vorgeben. Je höher die Quote, desto schwieriger wird auch in diesem Modell die Situation für die konventioneller Stromerzeuger. Die Milliardenkosten der Energiewende für Kapazitäts- und Klimareserven sind damit nicht aus der Welt geräumt.

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