Gemächlich drehen sich die 14 Windräder in der kalten Winterbrise. Und doch sorgen die Mühlen im Schwarzwald entlang der B 294 zwischen Pforzheim im Nordosten und Freudenstadt im Süden für reichlich Wirbel.
Im Februar 2006 wurde der Windpark Nordschwarzwald nach heftigem Widerstand der Bürger vor Ort und nach kritischer Prüfung durch den Petitionsausschuss des baden-württembergischen Landtags genehmigt. Der Betreiber, die Windenergiefirma Breeze Two Energy aus Darmstadt, investierte rund 40 Millionen Euro. Die Projektentwickler gingen von einer jährlichen Strommenge von rund 60 Millionen Kilowattstunden aus. Damit, so stand es in den bunten Werbeflyern, könne der Strombedarf von 20 000 Haushalten gedeckt werden. Im Oktober 2007 wurde das Mühlenfeld auf knapp 900 Meter Höhe eröffnet. Tanja Gönner (CDU), seinerzeit Umweltministerin in Baden-Württemberg, feierte die Anlage als Leuchtturmprojekt für die Nutzung der Windenergie im Musterländle.
Spuren in die Karibik
Von wegen Leuchtturmprojekt – alles nur Wunschdenken, die Realität sieht erschreckend aus. Die Anlagen produzieren nur 60 Prozent des geplanten Stroms, die durchschnittliche Auslastung seit Inbetriebnahme liegt bei 16 Prozent. Nach einer Studie des Deutschen Windenergie-Instituts in Wilhelmshaven beginnt die Wirtschaftlichkeit großer Windkraftanlagen bei 23 Prozent Auslastung oder 2000 Stunden unter voller Leistung.
Der Betreiber Breeze Two Energy GmbH & Co. KG, dessen Spuren sich auf den Cayman Inseln verlieren, ist laut Jahresabschluss 2011 bilanziell überschuldet, weil auch viele andere der insgesamt 35 Breeze-Two-Parks in Deutschland und Frankreich die erhofften Erträge nicht bringen. Mittlerweile ist die deutsche Tochter des französischen Windstromerzeugers Theolia eingestiegen.
Finanzielle Probleme bei Windparks sind keine Ausnahme – im windarmen Süddeutschland vermutlich sogar die Regel. Und Breeze Two befindet sich in schlechter Gesellschaft. Der Bankrott des Windparkfinanzierers und -betreibers Prokon ist nur der krasseste Fall misslungener Investments in erneuerbare Energien, allen voran in Windkraftanlagen. Wie viel Geld die Zehntausenden von Prokon-Anlegern von ihren rund 1,4 Milliarden Euro Einlagen wiedersehen werden, steht in den Sternen. Wenn überhaupt, wird es nur ein Bruchteil sein.
Die Gründe, weshalb Windstromerzeuger Not leiden oder scheitern, obwohl sie für ihren Strom 20 Jahre lang garantierte Preise von rund neun Cent pro Kilowatt erhalten, derzeit gut doppelt so viel wie für Strom an der Börse, sind vielfältig: politische Entscheidungen, Fondsgesellschaften mit überhöhten Renditeversprechungen, unternehmerische Fehlentscheidungen, anfällige Technik, falsche Windprognosen.
Gnadenlos überfordert
So wird der Ertrag von Windkraftanlagen maßgeblich von der tatsächlichen Windleistung bestimmt. Grund für die eklatanten Mindererträge im Windpark Nordschwarzwald wie auch bei vielen anderen Windparks ist unter anderem die über Jahre systematische Überschätzung des Windertragspotenzials. Bis Ende 2011 rechnete die Branche mit dem sogenannten BDB-Index, der – wie sich später zeigte – gegenüber den tatsächlichen meteorologischen Verhältnissen deutlich überhöht war. Viele Parks konnten daher an ihren Standorten die Prognosen nie und nimmer erreichen. Der Index wurde daher von den BDB-Datenbankbetreibern in Abstimmung mit dem Windgutachterbeirat des Bundesverbandes Windenergie mehrmals nach unten korrigiert, zuletzt im Dezember 2011.
Auswirken konnte sich die Revision aber erst auf die neueren Anlagen. „Alle Beteiligten haben ihre Lektion gelernt. Gerade in den Mittelgebirgslagen haben sich die Prognosen erheblich verbessert“, sagt Joachim Binotsch, Geschäftsführer beim technischen Dienstleiter BBB Umwelttechnik in Gelsenkirchen.
Ein weiteres Problem, unter dem insbesondere die älteren Windräder leiden, sind hohe Wartungskosten. Denn die Rotoren drehen sich keineswegs störungsfrei. Die meisten Fonds mussten weitaus höhere Reparaturkosten stemmen als geplant. Der Wartungs- und Instandhaltungsaufwand der Windräder ist bisweilen mehr als 50 Prozent höher als vorgesehen. Erst in jüngerer Zeit sinken die Kosten, weil die Windmühlenbauer inzwischen langfristige Wartungsverträge anbieten.
Überschätzung der unternehmerischen Fähigkeiten und Unterschätzung der technischen Herausforderungen zwangen dagegen den deutsch-russischen Investor Arngolt Bekker mit seiner Offshore-Windfirma Bard in Emden in die Knie. Deutschlands Pionier für Rotoren auf hoher See hatte rund 90 Kilometer nördlich der Insel Borkum mit Bard Offshore 1 zwar den ersten kommerziellen Meereswindpark in die Nordsee gesetzt, war mit diesem Vorzeigeprojekt jedoch gnadenlos überfordert.
Die Energiewende und der Sand im Getriebe
Der Netzausbau ist weit hinter dem Plan zurück. Die Betreiber der teuren Offshore-Windsparks in Nord- und Ostsee sind verärgert, dass es immer neue Verzögerungen gibt, beim Energiesparen gibt es kaum Fortschritte, die Debatte über die Ökostromförderung entwickelt sich zum Dauerbrenner - die Liste ließe sich fortsetzen. Die Regierung muss an zahlreichen Stellschrauben drehen, ein abgestimmtes Konzept ist in vielen Bereichen aber noch nicht erkennbar.
Der Ausbau der erneuerbaren Energie liegt nicht nur im Plan, er übertrifft sogar die Erwartungen. Im ersten Halbjahr 2012 machte Ökostrom erstmals mehr als 25 Prozent am deutschen Strommix aus, insgesamt wurden knapp 68 Milliarden Kilowattstunden ins Stromnetz eingespeist. Die Windkraft hat mit 9,2 Prozent den größten Anteil, vor der Bioenergie mit 5,7 Prozent. Der Anteil der Solarenergie hat sich binnen Jahresfrist fast verdoppelt und liegt nun mit 5,3 Prozent auf dem dritten Platz, vor der Wasserkraft mit vier Prozent.
Der Anstieg der erneuerbaren Energien kann für die Stromkunden teuer werden. Wenn mehr Ökostrom produziert wird, steigt auch die Umlage zur Förderung der Energie aus Sonne, Wind oder Wasserkraft, die über den Strompreis gezahlt wird. Diese ist im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegt und liegt aktuell bei 3,59 Cent pro Kilowattstunde. Das bedeutet für einen Durchschnittshaushalt rund 125 Euro Zusatzkosten pro Jahr. Der Aufschlag dürfte sich nun deutlich erhöhen. Spekuliert wird bereits über einen Anstieg auf 5,3 Cent zum Jahreswechsel, was die Kosten für einen Durchschnittshaushalt auf 185 Euro hochtreiben würde.
Das ist noch offen. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnt immer wieder, dass hohe Strompreise die Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnten. Er fordert deshalb eine Reform der Förderung. Die Regierung hat jedoch erst 2011 eine Reform des EEG auf den Weg gebracht, die Anfang 2012 in Kraft trat und bei der Solarförderung nochmals verändert wurde. Außerdem ist der Strompreis viel stärker gestiegen als die Ökoenergieförderung. Umweltschützer halten mangelhaftes Energiesparen und pauschale Befreiungen für die stromintensive Industrie für die eigentlichen Preistreiber.
Neben dem Ausbau der Windkraftanlagen an Land gilt der Ausbau der Offshore-Windenergie, also der Windkraftanlagen im Meer, als wichtiger Pfeiler der Energiewende. Bis zum Jahr 2020 sollen vor den Küsten Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 10 000 Megawatt zur deutschen Stromerzeugung beitragen. Das sind ungefähr 2000 Windkraftwerke. Gegenwärtig arbeiten in der Nordsee aber erst 28 Anlagen mit 140 Megawatt Leistung. Dazu kommen noch 21 kleinere Windkraftwerke in der Ostsee - macht zusammen gerade einmal 180 bis 190 Megawatt.
Das größte Problem ist nach wie vor die Anbindung der Anlagen in Nord- und Ostsee an das Festlands-Stromnetz. Zudem reichen die Leitungen an Land nicht für den Weitertransport des Windstroms in den Süden Deutschlands. Die Stromerzeuger sehen wegen der Verzögerungen beim Netzanschluss inzwischen die ganze Energiewende in Gefahr. Sie verlangen dringend Klarheit, wer dafür haftet, wenn die Windparks stehen, aber nicht ans Netz gehen können. Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) haben vorgeschlagen, dass die Verbraucher die Kosten für Verzögerungen über den Strompreis mittragen sollen. Rösler hofft auf eine endgültige Regelung noch im Sommer.
Für die Energiewende werden laut Bundesregierung 3800 Kilometer an neuen Stromautobahnen benötigt. Weitere 4400 Kilometer des bestehenden Netzes sollen fit gemacht werden für die schwankende Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie. Die Netzbetreiber haben einen Entwurf für einen Netzentwicklungsplan vorgelegt, bis Mitte August soll eine zweite Version fertig sein. Die Bundesnetzagentur verlangt nun, der Ausbau müsse viel schneller gehen. Rösler fordert deshalb bereits, vorübergehend Umweltstandards außer Kraft zu setzen, so dass zum Beispiel bei Klagen gegen den Bau von Leitungen eine Gerichtsinstanz ausreicht.
Bard verkalkulierte sich völlig. Statt der geplanten zwei Milliarden Euro verschlang der geplante Park mit seinen 80 Windmühlen rund drei Milliarden Euro. Das Management bekam die technischen Probleme beim Verankern von Fundamenten in 40 Meter Wassertiefe und den Transport von Turbinen über fast 100 Kilometer auf offener See nicht in den Griff. Stürme und schlechtes Wetter, eigentlich nichts Ungewöhnliches draußen auf dem Meer, verzögerten den Bau zusätzlich.
Ausgeblutete Parks
Auch die Vermarktung misslang bei Bard 1. Bekker fand keinen Käufer für den Windpark. Die Pläne, weitere Offshore-Parks zu errichten und dann weiterzuverkaufen, scheiterten ebenfalls. Nun sollen die Bard-Gesellschaften in Emden und Bremen bis Mitte 2014 stillgelegt werden. Rund 300 Mitarbeitern droht die Kündigung.
Steht Abzocke bei den Anlegern im Vordergrund, stehen die Chancen für den wirtschaftlichen Erfolg von Windparks besonders schlecht. „Anbieter rechnen ihre Erträge schön und genehmigen sich für ihre Dienstleistungen kräftige Vergütungen“, sagt Christian Herz, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Ökofair mit Sitz in Berlin und Mettmann bei Düsseldorf, der seit 2007 das Management von Windparks anbietet.
Unternehmerische Fehlschläge
So stellen Fondsgesellschaften Kosten für Serviceverträge in Rechnung, obwohl die Gewährleistung der Anlagenbauer noch greift. Grundstücke werden billig eingekauft, aber teuer an die Fondsgesellschaft verpachtet. Manager gewähren sich Zusatzvergütungen für normale Geschäftsführertätigkeiten, oder es fließen Kick-back-Zahlungen bei der Auftragsvergabe, die den Gewinn für alle beteiligten Unternehmen erhöhen, nur nicht für die Anleger. So kommen locker Zusatzkosten in Höhe von 5 bis 30 Prozent zustande, die die Rendite wegfressen beziehungsweise den Windparkbetrieb finanziell ausbluten.
Damit reihen sich viele Windfonds bei hochspekulativen Schiffs-, Film- oder Immobilienfonds ein, die schon Milliarden Euro Anlegerkapital vernichtet haben. „Wer in Windparks investieren will“, rät Herz deshalb, „sollte dies nicht bei den großen Emissionshäusern tun, sondern in Bürgerwindparks oder Genossenschaften einsteigen.“
Anders stellt sich die Lage bei den Solarparks dar. Zwar ist der Niedergang der deutschen Solarmodulhersteller, die verwöhnt von der großzügigen Einspeisevergütung den Wettbewerb aus China verschliefen, mittlerweile Legende. Zudem gelten Solarparks wirtschaftlich als stabiler, weil die Technik simpler ist.
Politischer Todesstoss
Doch auch die Jünger der Sonne sind nicht vor unternehmerischen Fehlschlägen gefeit. Das zeigt der Fall des Freiburger Solarkraftwerksbauers S.A.G. Solarstrom, der im Dezember Insolvenz anmelden musste. Die Situation bei den Breisgauern hatte sich seit Herbst dramatisch verschlechtert, weil sie nicht für genügend Liquidität und ausreichend Eigenkapital gesorgt hatten. Mittelzuflüsse aus dem Verkauf mehrerer Solarparks in Deutschland und Italien waren für November und Dezember fest eingeplant – kamen aber nicht. Und die Banken weigerten sich, die Löcher zu stopfen. Insgesamt fehlte eine Summe von über 20 Millionen Euro
Ein Opfer politischer Beschlüsse wurde der Solarkraftwerksbauer Gehrlicher Solar im bayrischen Dornach. Vorstandschef Klaus Gehrlicher musste im Herbst Insolvenz anmelden, als die Banken einen Kredit in Höhe von mehr als 85 Millionen Euro fällig stellten. Für Gehrlicher war das gleichbedeutend mit dem Aus, weil sich zur gleichen Zeit ein entscheidender Punkt im Geschäftsmodell geändert hatte: Die EU hatte Strafzölle auf Solarmodule aus China eingeführt, die Gehrlicher verbaute.
„Durch die Einführung der Strafzölle auf chinesische Module und die daraus resultierende Verschlechterung der Marktbedingungen in Europa“, teilte das Unternehmen offiziell mit, sei es nun nicht mehr in der Lage, den Kreditvertrag zu erfüllen.