Anfang Juli sorgten Details einer spektakulären Kooperation für Furore in der internationalen Windenergie-Szene: Die beiden Schwergewichte Gamesa und Areva bündeln ihre Kräfte im Offshore-Geschäft und wollen gemeinsam einen erheblichen Marktanteil erobern. Sowohl der spanische Windanlagenbauer Gamesa als auch der französische Industrie- und Energiekonzern Areva bringen Erfahrung mit Windmühlen für Windparks auf hoher See mit.
Beide Unternehmen haben eigens entwickelte Offshore-Turbinen im Einsatz. Während Gamesa jedoch noch am Anfang seiner Offshore-Aktivitäten steht - die Spanier können erst einen Prototypen auf Gran Canaria vorweisen -, hat Areva schon seit 2008 mehr als 100 Anlagen im Meer installiert und verfügt zudem über ein gut gefülltes Auftragsbuch.
Viel Fachwissen
Beide Unternehmen unterzeichneten ein bindendes Abkommen für das geplant Joint Venture, an dem sich Areva und Gamesa jeweils zur Hälfte beteiligen. Die ersten Gespräche zu dieser Kooperation hatten die Firmen schon im Januar geführt, bis zum Ende des vierten Quartals soll der Vertrag unter Dach und Fach sein - sofern die zuständigen Behörden zustimmen.
Areva und Gamesa wollen bis zum Jahr 2020 einen Marktanteil von 20 Prozent in Europa erobern. Die Spanier steuern unter anderem 20 Jahre Erfahrung aus der Entwicklung von Onshore-Anlagen bei, eine große Zuliefererkette und Fachwissen aus Installation und Betrieb von Anlagen. Die Franzosen bringen ihr Offshore-Geschäft in das noch namenlose Unternehmen ein. Dazu gehören auch die Produktionsstandorte in Bremerhaven und Stade. An der Weser entstehen Windturbinen, an der Elbe Rotorblätter.
Damit formiert sich in der Windenergiebranche binnen weniger Monate eine zweite schlagkräftige, mit prominenten Partnern besetzte Industrie-Kooperation. Schon Anfang April hatte der dänische Windenergieanlagen-Hersteller Vestas ein Offshore-Joint Venture mit dem japanischen Industrie-Moloch Mitsubishi bekannt gegeben. Die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens mit Mitsubishi Heavy Industries (MHI) sei erfolgreich abgeschlossen worden. Das neugegründete Unternehmen MHI Vestas Offshore Wind könne mit der Arbeit in Dänemark beginnen. Demnach sollen 380 Mitarbeiter künftig die größte Turbine des Unternehmens entwickeln, produzieren und vertreiben. 2015 soll die Serienproduktion beginnen.
Der Prototyp der Mega-Mühle hat schon die ersten Kilowattstunden Strom am Teststand im dänischen Østerild produziert. Wie MHI Vestas Offshore Wind mitteilt, sollen vier weitere V164-8.0 Turbinen an die dänischen Projektentwickler Skovgaard Invest ApS und Energicenter Nord geliefert werden.
Die Anlagen sind für den Windpark Velling Mærsk im Westen Dänemarks bestimmt, der unmittelbar an der dänischen Westküste liegt. Die Anlagen werden dabei zunächst zu Testzwecken errichtet. Von der Installation über den Betrieb, bis hin zur Wartung sollen die Anlagen im Realbetrieb getestet werden. Zunächst ist dabei die Errichtung an Land geplant, um die Serienlieferungen für die Hohe See vorzubereiten. Die Installation der Anlagen soll Mitte 2015 starten. Die Dänen sind der mit Abstand größte Windanlagen-Bauer der Welt.
Die V164 sei die weltweit stärkste Turbine und könne pro Mühle bis zu 7500 durchschnittliche Haushalte mit Strom versorgen, teilte Vestas mit. Mit einer Nabenhöhe von 140 Metern erreiche sie eine Gesamthöhe von 220 Metern. Die Fläche, die von den Rotorblättern überstrichen wird, beträgt 21.000 Quadratmeter. Das entspricht rund drei Fußballfeldern.
Kosten für Windstrom drosseln
Die beiden Gemeinschaftsunternehmen mit den internationalen Schwergewichten dürften vor allem für Siemens eine Bedrohung darstellen. Denn die Münchner sind unangefochtener Weltmarktführer, wenn es um Windmühlen auf den Meeren geht. Laut Erhebungen der European Wind Energy Association hatte der in Dänemark produzierende Technologiekonzern zum Ende des Jahres 2013 mit europaweit 1250 installierten Meeres-Mühlen einen Marktanteil von 60 Prozent.
Durch die Mega-Kooperation könnte die Marktposition von Siemens bröckeln. Kein Wunder also, dass die Siemens-Ingenieure ebenfalls ständig an neuen, größeren und leistungsfähigeren Windrädern tüfteln. Zur Marktreife hat Siemens bereits eine sechs Megawatt Turbine gebracht, die so genannte SWT-6.0-154. Der dänische Energiekonzern Dong traut der Siemens-Mühle offenbar einiges zu und orderte Ende vergangenen Jahres fast 100 Stück des Riesen-Rotors für die beiden deutschen Nordseewindparks Gode Wind 1 und 2.
Doch nicht nur immer größere Rotoren und die zunehmende, kostengünstigere Standardisierung bei der Produktion sollen der Garant für niedrigere Kosten für erzeugten Windstrom sein. Auch in punkto Logistik und beim Aufbau von Fundamenten lässt sich Geld sparen. Dann, so prognostiziert es ein Siemens-Manager, könnten die Kosten für Offshore-Windstrom bis 2020 auf zehn Cent je Kilowattstunde gesenkt werden.
Laut Berechnungen der Windenergie-Agentur WAB befinden sich neun Windparks mit insgesamt 645 Anlagen und über 2600 Megawatt Leistung im Bau und gehen bereits in diesem beziehungsweise im nächsten Jahr ans Netz. 690 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 3000 Megawatt befänden sich zeitgleich zu den bereits aufgestellten Anlagen in der Bauvorbereitung – weitere sind in der Planungsphase. Acht Umspannwerke für die Offshore-Windkraftwerke wurden bereits auf See installiert; sie bündeln und transformieren den Strom, um ihn dann für die Stromeinspeisung an Land vorzubereiten.
Auch Senvion aus Hamburg, die bisher Repower hießen, dürfte mit erheblichem Gegenwind rechnen. Senvion ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Suzlon-Gruppe. Der Ableger des indischen Windenergieanlagen-Herstellers ist beispielsweise für die Lieferung und Errichtung der Windmühlen im Hochsee-Windpark Nordsee Ost, 35 Kilometer nördlich von Helgoland zuständig. Nordsee Ost wurde vom Energiekonzern RWE entwickelt. Senvion hat vor wenigen Wochen mit der Installation der Turbinen begonnen. Die ersten der insgesamt 48 Mühlen des Typs 6.2M126 stehen schon.
Jede Turbine verfügt dabei nach Herstellerangaben über eine Nennleistung von 6,15 Megawatt. Die Installation der Turbinen soll schon in diesem Jahr abgeschlossen werden, die Inbetriebnahme ist ab September geplant. Die endgültige Fertigstellung des Projekts ist für das Frühjahr 2015 anvisiert, dann soll der Offshore-Windpark über eine installierte Leistung von knapp 300 Megawatt verfügen.
Beim Projekt Nordsee Ost werden die Turbinen in einer Wassertiefe von 22 bis 25 Metern errichtet. Nordsee Ost sollte ursprünglich zwischen 2011 und 2013 errichtet werden. Demnach waren die ersten Anlagen schon für 2012 vorgesehen. Doch die Probleme beim Netzanschluss führten zu einer deutlichen Verspätung.
Negative Schlagzeilen
Beim Hochsee-Windpark Dantysk ist dagegen schon Halbzeit. Die Hälfte der insgesamt 80 Mühlen sind an Ort und Stelle. 40 Turbinen der 3,6-Megawatt-Klasse von Siemens sind 70 Kilometer westlich der Insel Sylt errichtet worden. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall und die Stadtwerke München wollen den Windpark im Herbst 2014 in Betrieb nehmen.
Mit dem Bau der ersten Windenergieanlage, die bis zur Rotorblattspitze knapp 150 Meter aus dem Meer ragen, wurde Mitte April dieses Jahres begonnen. In Abhängigkeit von den Wetterverhältnissen auf der Nordsee sollen alle 80 Anlagen in einem Zeitraum von fünf Monaten bis zum Herbst 2014 aufgestellt werden.
Derzeit benötigt das Projekt für den Aufbau einer Windenergieanlage nach Angaben von Vattenfall rund 19 Stunden und liegt damit gut im Zeitplan. Die 80 Fundamente für die Windturbinen sowie das Offshore-Umspannwerk sind bereits errichtet.
Ebenfalls gut voran kommt, nach anfänglichen Verzögerungen, auch der Nordsee-Windpark Global Tech I. Bis Mitte Juni waren laut Angaben der Projektgesellschaft über 60 der insgesamt 80 Türme und Gondeln sowie weit über ein Drittel der Rotorsterne installiert. Nach Planungsstand von Global Tech I soll der Windpark in diesem Sommer vollständig errichtet und betriebsbereit sein. Geplant wurde Global Tech 1 vom baden-württembergischen Windparkprojektierer Windreich und dessen schillernden Ex-Chef und Inhaber Willi Balz.
Mittlerweile regiert bei Windreich der Insolvenzverwalter. Zudem wird gegen den Alleingesellschafter Balz von der Staatsanwaltschaft Stuttgart unter anderem wegen Bilanzmanipulation und Insolvenzverschleppung ermittelt.
Die Zukunft von Windreich ist derzeit völlig offen. Knapp 75 Prozent der Windparkanteile befinden sich im Besitz von drei regionalen Energieversorgern, darunter die Stadtwerke in München und Darmstadt. Die weiteren Anteile von über einem Viertel werden von zwei Projektentwicklungsgesellschaften und einem Privatinvestor gehalten. Windreich selbst gehören nur noch 0,05 Prozent, Willi Balz persönlich rund 15 Prozent.
Für ebenfalls negative Schlagzeilen sorgt dagegen der Meereswindpark Bard Offshore 1. Der größte deutsche Offshore-Mühlenpark wird aufgrund technischer Probleme voraussichtlich bis August komplett abgeschaltet. Das rund zwei Milliarden Euro teure Großkraftwerk auf hoher See fällt schon seit seiner Inbetriebnahme im September vergangenen Jahres immer wieder wochenlang wegen rätselhafter Störungen aus.
Der Netzbetreiber Tennet hat nun mit dem Subunternehmer ABB und dem Windparkbetreiber Ocean Breeze eine Task Force gegründet, um den Störungen auf die Spur zu kommen. „Derzeit laufen detaillierte Tests und begleitende Studien, um die eigentliche Fehlerursache eindeutig zu identifizieren und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können“, heißt es in einer Mitteilung der Firmen. Hinter Ocean Breeze steckt die italienische Unicredit-Gruppe, die das Projekt vorfinanziert hatte. Die 80 Turbinen, die rund 100 Kilometer vor der norddeutschen Küste stehen, haben zusammen eine Leistung von 400 Megawatt.